Vorweg: Es geht hier nicht ums Impfen und kaum um das Virus, aber das soll euch nicht entspannen.

Mir geht es darum, dass Vielen ganz arbeitsalltäglich ein zu großer Teil des mehr denn je notwendigen Entscheidungs- und Handlungsrahmens genommen wird und das unternehmerisch einfach dumm und ungeschickt ist.  

Worum es ganz konkret geht, ist ‚Awareness‘, und, nein, nicht die Bullshit-Bingo Variante. Mir ist es ernst, mir geht es wirklich um Awareness, um Wahrnehmung, (analytische) Bewusstheit und die daraus im (Arbeits)Alltag abgeleiteten Handlungsoptionen. Das mag aktuell kein populäres Thema sein, den Menschen selbst das Denken, Entscheiden und Handeln zu überlassen, insbesondere, seit der Begriff Querdenker durch die Pandemie eine zusätzliche Ausprägung erhalten hat. Aber gerade darum: Es ist wichtig, nicht alles und jeden über einen Kamm zu scheren. Es ist wichtig andere Perspektiven bewusst zuzulassen und es ist wichtig sich in Ruhe und am besten gemeinsam mit einer diversen Vielfalt anderer, damit auseinandersetzen zu können.

Und da wird es jetzt schwierig, denn ich nehme in meinem Job immer wieder wahr, und ich arbeite eher mit den fortschrittlicheren als mit den tradierten, wie voller Vorbehalte viele Unternehmen und Entscheider noch immer handeln. Dabei kann man ihnen nur bedingt böse sein, denn sie arbeiten nach lange erfolgreichen, aber jetzt eben doch alten Mustern, die längst auf den Sperrmüll gehören, und setzen weiter um, worauf Generationen von Führungskräften trainiert wurden. Dabei brauchen wir gerade hier dringend ein zeitgemäßes Update! Jede App, jedes Smartphone bekommt 20-mal häufiger grundlegend neue, verbesserte, angepasste, rahmengebende Denk- und Handlungsimpulse, als wir bei der Arbeit. Und, ja, unsere Arbeit ändert sich zwar auch nicht ganz so schnell, aber dennoch zunehmend stetig und dynamisch. Am Ende passt hier längst das Alte nicht mehr zum Neuen. Wo Anpassungsfähigkeit und Flexibilität angesagt und auf allen Seiten hohe Erwartungen sind, ist oft keine Chance diese zu erfüllen. Und das mit manchmal weitreichenden Folgen.

Was passiert, wenn (manchmal zunächst unwichtig erscheinende) wichtige Informationen nicht da zur Verfügung stehen, wo sie benötigt werden, wenn Wissen nicht anschlussfähig aufgebaut werden kann, wenn Zusammenhänge nicht bekannt und Kennzahlen nicht hilfreich, verständlich oder sinnvoll handhabbar (sondern manchmal sogar nur lästig und irreführend) sind? Dann werden ganz automatisch Initiativen ausgebremst, Chancen liegen gelassen und Erfolg behindert. Das Ergebnis ist weit von den Möglichkeiten entfernt, aber zugleich leider oft noch im Rahmen der Vorgaben. Denn auch hier, bei Zielen und Vorgaben, ist fehlt sie, die Awareness, die Bewusstheit was möglich wäre, wenn denn diejenigen die wollen auch könnten. Blöd, irgendwie.

Wie soll die Möglichkeit, der Raum für „Awareness“ da helfen? Awareness (und ich wiederhole hier bewusst den englischsprachigen Begriff so oft, weil es, soweit ich weiß, einfach kein adäquates deutsches Pendant gibt) meint den möglichst freien Zugang zu Informationen über das, was um einen herum, in der direkten und weiteren Umwelt passiert. Zu Aussagen, Wissen und Nachrichten, die dann, nachdem diese Wahrnehmungen aufmerksam betrachtet, bedacht und eingeordnet wurden, dazu führt, dass man sich der sinnvollen Handlungsoptionen klar werden und entsprechend (re)agieren kann.
So, sorry, das war leider etwas sperrig, aber wichtig ist es dennoch, um den Begriff richtig einzuordnen und aus der vermei(n)dlichen Esoterikecke zu holen.

Diese Reflexion ist so ziemlich für jeden wichtig, zumindest, wenn es nicht nur darum geht, stumpf und maschinengleich immer exakt dasselbe zu tun. Und selbst dann – und darum war Taylors „Scientific Management“ vor 100 Jahren richtig und gut – kann es sein, dass es einen noch besseren Weg gibt, die Dinge abzuarbeiten. Wer nicht weiß, was sie/er, warum, bis wann und in welcher Qualität tun kann, um beim gemeinsamen Ziel in der richtigen Richtung weiterzukommen, der/die ist schnell „lost in space“, der/die kann nicht verstehen, was Sache ist. Die/Der hat keine Möglichkeiten, die Implikationen des eigenen Tuns zu erfassen. Die/Der hat nicht die Möglichkeiten im gemeinsamen Sinn „richtiges“ zu tun. Fehlende Information, der Entzug der Chance, die Dinge einzuordnen, der Mangel an Gelegenheiten, die eigenen Erkenntnisse mit anderen im Dialog zu verfeinern und verdichten führt zu niedrigerer Arbeitsqualität, geringerer Leistungsbereitschaft, zu Missverständnissen und Missverstehen, zu Konflikten und zielloser Kommunikation. Das ist teuer, allein schon, weil das Wissen fehlt, um sich selbst eine (möglichst) umfassendes Bild zu machen und (mindestens) für die eigenen Aufgabenbereiche erkennen und entscheiden zu können, was notwendig, dringend und wichtig ist. Es ist zeitraubend und dumm Informationen nicht sach- und fachgerecht, rechtzeitig und verständlich zur Verfügung zu stellen. Und es ist ebenso unsinnig, zu wenig Möglichkeit zu geben, nach diesen Erkenntnissen zu handeln.       

Heute fühlen sich viel zu viele schon so lange entmündigt, dass sie es kaum noch realisieren. Erst, wenn es zu heftig wird, wenn es hart auf hart kommt, wächst der Widerstand. Dann allerdings ist der Zug oft auch schon abgefahren und die innerliche Trennung von der Zwangsarbeit bereits vollzogen. Dann wird es teuer für den Arbeitgeber, denn sowohl unmotivierte, wie auch neu einzustellende Mitarbeiter sind nun mal echte Kostentreiber. Und selbst, wenn nur Sarkasmus und Zynismus Einzug halten, mal ehrlich, glaubt irgendjemand, dass das leistungsfördernd ist?  

Andererseits: Transparenz, als ein Schlüssel zu mehr gelebter und richtig verstandener Awareness,  ist nicht einfach! Es gibt sie ja, die Unternehmen, die auf „radikale Transparenz und Ehrlichkeit“ setzen. In denen jede/jeder jedem alles sagen kann, in dem alle Informationen für alle verfügbar sind. Das aber kann genauso nach hinten losgehen, etwa, wenn jemand mit der heftigen Kritik, die er/sie sich wegen unbedachter Kleinigkeiten einfängt, nicht gut umgehen kann, weil die soziale Prägung, das dazu erforderliche dicke Fell nicht hat entstehen lassen. Oder die Zahlen, Daten, Fakten werden schlichtweg falsch interpretiert, weil das entscheidende Puzzlestück nicht bekannt war oder übersehen wurde. Ist es dann überhaupt sinnvoll mehr Transparenz zu wagen und damit der Awareness Tür und Tor zu öffnen?

Was soll ich sagen? Ja, natürlich! Allerdings will und muss auch Awareness, die Fähigkeit, die Geschehnisse und Dinge zu betrachten, zu reflektieren, einzuordnen und daraus geeignete Schlüsse zu ziehen, gelernt werden. Wie viel schiefgehen kann, wenn man sich auf fehlerhafte Informationen verlässt, wenn das Thema komplexer wird und zwischen Eigen- und Gemeinwohl abgeschätzt und entscheiden werden muss, sehen wir zurzeit jeden Tag.

Insbesondere „(vor)urteilsfreies“ Lernen ist wichtig, um zu den bestmöglichen, d.h. für alle gemeinsam (= das Unternehmen) vorteilhaftesten, Schlüssen zu kommen. Ich bin ganz ehrlich, so viel ich mich auch bemühe, so ganz ohne Vorurteile bin auch ich nicht. Glücklicherweise lasse ich mich immer häufiger überraschen, wie wenig sich meine Vorurteile bewahrheiten, indem ich sie beiseite lasse und nach meinen Reflexionsergebnissen und nicht nach überkommenen mentalen Modellen handle.
Zum (vor)urteilsfreiem Lernen gehört auch wahlfreies Lernen, am besten gar das konsultativ-wahlfreie Lernen, was bedeutet, sich mit jemandem, der sich wirklich auskennt zu beraten, um zu schauen, ob die Lernaufgabe zu einem passt und welche Lösungsansätze möglich sind. Idealerweise findet man so auch einen Lehrer, Coach oder Mentor, der so viel besser und so offen und ehrlich ist, dass man bereit ist vieles anzuschauen und ggf. für sich mitzunehmen, ohne sich abhängig zu machen. Auch das ist Awareness.   

Was auf diesem Weg auch enorm hilfreich ist, ist selbstehrlich zu sein – ja, richtig gelesen, nicht selbstherrlich, sondern selbstehrlich, also bereit, sich selbst ehrlich im inneren Spiegel zu betrachten, die blinden Flecken zu erkennen, das Selbst- und Fremdbild abzugleichen, um dann zukunftsgerichtet und bewusst Erkenntnisse daraus zu ziehen. Denn aus einem solchen Selbstverständnis wächst deutlich gefestigteres Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen als aus einer aufgesetzten Fassade. 

Was noch hilft – jetzt auch Führungs- und Unternehmenssicht – ist, die eigene Erwartungshaltung an die Mitarbeitenden und das Unternehmen zu klären. Die Antworten auf die Fragen: ‚Was erwarte ich?’ ‚Was was erlaube ich?‘ und ‚Was fördere ich?‘ sind von großer Bedeutung, denn sie können ein stabiles Fundament für mehr Beteiligungs- und Leistungsbereitschaft bilden – oder halt auch nicht, wenn die Antworten dem widersprechen. Sie sind es, die entscheiden, ob bewusst agierende und argumentierende Menschen als Querulanten und Organisationsrebellen oder als Stütze für eine immer wieder neue stattfindende, achtsame, bewusste und handlungsleitende Anpassung des Unternehmens erkannt und genutzt werden. Und das ist, ganz am Ende, das, was Awareness leisten kann und weshalb es sich absolut lohnt hier aufzuhorchen: Gemeinsam einfach besser mit den Komplexitäten der Umwelt umgehen zu können. Und das sollte einem doch etwas Wert sein, oder?!

Zu folgenden Themen sind in meiner IMHO (in my honest opinion) Reihe bislang Beiträge erschienen:

  • Fokus: IMHO – Hört auf eure Zeit zu verschwendet und lasst uns wieder mehr Fokus wagen
  • Wahlfreiheit: IMHO – Innovation braucht Wahlfreiheit! War’s das also mit dem Fortschritt?
  • Misstrauen: IMHO – Misstrauen muss man sich leisten können. Die Zeiten dafür sind vorbei!

Alle diese Themen sind Analyseelemente unserer Diagnostiken von AgilityInsights. Im Zusammenspiel und der gemeinsamen Betrachtung stellen sie sehr konkrete und direkt nutzbare Hinweise und Hebel dar, mit denen wichtige Schritte hin zu mehr Spitzenleistung leichter gegangen werden können. Mehr Infos gerne auf Nachfrage.