Raus aus den Krisen – hin zu mehr Mensch(lichkeit im Management)

Raus aus den Krisen – hin zu mehr Mensch(lichkeit im Management)

>>>> Reflexionsimpuls

Manchmal stelle ich mir die Frage, wie Unternehmen aussehen und funktionierten würden, wenn KI („Künstliche Intelligenz„ besser „automatisierte Datenanalyse“) Management- und Führungsrollen einnehmen würden. (Zur Einordnung der Begriffe: „Management“ = Festlegen der Regeln, Strukturen und Prozesse, „Führung“ = Interaktion mit den Mitarbeitern, um die vom Management vorgegebenen Regeln, Strukturen und Prozesse so zielgerichtet zu leben, dass die Vision des Unternehmens Wirklichkeit wird.)
 
Erste Experimente zu KI in der Führung gab es vor einigen Jahren. Damals wurden die von KI Entscheidungen im Durchschnitt positiver bewertet als die menschlichen Führungskräfte. Heute arbeiten Startups an Möglichkeiten Führung durch KI zu verbessern. Doch, was verbessert sich dann? Werden wir mit Hilfe von KI rationalere Entscheidungen treffen können. Werden wir zukünftig rein logisch vorgehen? Nach ethischen und moralischen Grundsätzen werden wir dann handeln? Wird es gelingen Empathie und soziale Aspekte einzubinden und wie wird das geschehen? Welche Annahmen und Zielsetzungen werden dem zugrunde liegen? Wie wird Führung dann sein und wahrgenommen?
 
Bis dahin werden Menschen und Menschlichkeit weiterhin wichtiger und integraler Bestandteil von Management und Führung bleiben. Ob dies zu unserem Vor- oder Nachteil ist, hängt allein von den (organisations)individuellen Gegebenheiten ab. Nach welchen Regeln gearbeitet wird, welchen Menschenbild vorherrscht, nach welche Zielen und Vorgaben gearbeitet und welches Kulturbild im Unternehmen gelebt wird, definiert, wie menschlich dort gehandelt wird. Noch wird all dies durch die Menschen im Unternehmen, mit mehr oder weniger direktem Einfluss, selbst festgelegt. Dabei haben diejenigen an der Spitze meist deutlich mehr Einflussmöglichkeiten, als die weiter „unten“. Die Frage ist, mit welchem Bewusstsein, dies geschieht und wie sehr sich dies an den persönlichen Bedürfnissen, Zielen und Wünschen von Top-Entscheidern und Führungskräften ausrichtet. Und schließlich ergibt sich daraus die Frage, wie sehr das Geschick und der Erfolg von Unternehmen von den Bedürfnissen und den Wahrnehmungen einzelner abhängen muss und sollte?
 

System(isch)-bedingte Herausforderungen 

Schon auf der individuellen Ebene, im eigenen Lebenssystem, sind wir ständig mit unseren Bedürfnissen, Gefühlen und unserer Ratio konfrontiert – und, zumindest gilt dies für mich – auch immer mal wieder überfordert. In kleinen und größeren Gruppen potenziert sich dieses systemische Element, weshalb es gerade für die (Top-)Führungsebenen, an denen viele dieser systemische Stränge zusammenlaufen, ohnehin enorm schwierig ist, mit bestem Wissen und Gewissen und zum Wohle des Unternehmens gut und bewusst zu führen. Die aktuellen Gegebenheiten erhöhen hier oftmals den Druck dramatisch und machen es nahezu unmöglich die ‚richtigen’ Entscheidungen zur ‚richtigen’ Zeit zu treffen.
 
Wem es gelingt in einer Organisation auf der Karriereleiter aufzusteigen, der hat gemeinhin vor allem fachlich überdurchschnittliche Leistung gezeigt. Mit diesem Aufstieg steigt die positive Selbstwahrnehmung und ein gewisser Stolz auf das Erreichte, gerade auch, weil es von der Umwelt meist als als außergewöhnlich wahrgenommen wird. Man muss schon häufig richtig entschieden und das richtige getan haben, um berufen zu werden, den nächsten Schritt zu gehen. Je höher die erreichte Position, desto mehr wächst das Bewusstsein, für die eigene, herausragende Rolle. Für viele ist es eine Ehre eine hierarchisch bedeutende(re) Positionen auszuüben und, in den klassischen Strukturen, damit auch immer wichtigere Entscheidungen treffen zu können. Persönlicher Ehrgeiz ist oftmals die treibende Kraft für das aufzubringende Engagement und die auf diesem Weg internalisierten Handlungs- und Haltungsmuster verstärken und verfestigen sich naturgemäß.
 

Mitternacht Nr. 2

Prof Eddie Obeng, von der, in britischen Reading beheimaten Henley Business School, hat den Zeitpunkt an dem das Internet allen zur Wissensgewinnung und Interaktion zur Verfügung stand, als ‚Mitternacht‘ definiert, als Zeitpunkt des großen Wandels, als Beginn einer neuen Ära. Ich sehe mit schnellen Schritten das nächste ‚Mitternacht‘ auf uns zukommen. Mitternacht Nr. 2 ist der Moment, an dem wir realisieren, das die alten Handlungs- und Verhaltensmuster, die über Jahrhunderte Führung und Management in Unternehmen geprägt haben, nicht mehr funktionieren und wir beginnen (müssen und können) neue Muster zu etablieren.
 
Wie nah dieses zweite Mitternacht ist, erkennen wir daran, dass bis vor einigen Jahren in (fast) allen Branchen und (fast) allen Unternehmen die alten Muster noch gleichermaßen gut funktionieren. Inzwischen jedoch, zusätzlich angefeuert durch die Coronakrise, wird immer klarer, dass das alte ‚Richtig‘, d.h. die bisherigen Strukturen, Prozesse und vor allem Entscheidungsprinzipien, -wege und -regeln nicht mehr zu den gewünschten Resultaten führen. Sie passen schlichtweg immer weniger zu den neuen Herausforderungen. Entsprechend wird mit „neuen“ Konzepten wie Agilität, neuen Organisationsformen, Innovationsmodellen und kreativen Problemlösungsmethoden versucht, diese Symptome des fundamentalen Wandels der sozialen, ökonomischen und ökologischen (Arbeits-)Umgebungen, zu heilen.
 
Die Sehnsucht nach einem neuen, zeitgemäßeren ‚richtig‘ ist groß. Es ist klar, dass ein gesamtes neues Set an Verhaltens-, Haltungs- und damit Vorbildmuster, gerade auf der Führungsebene, notwendig ist, um mit den Folgen dieser Entwicklungen im eigenen Unternehmen umgehen zu können. Die aktuellen Herausforderungen lassen kaum mehr zu sie entsprechend der alten Muster überhaupt zu bearbeiten, geschweige denn, sie erfolgreich lösen. Für viele bedeutet dies einen, schmerzhaften, weil an tiefen, lange aufgebauten und verankerten Überzeugungen rüttelnden Wandel eigener Überzeugungen und des Selbst-Verständnisses von Management und Führung.
 
Doch, auch wenn der kommende Wandel so sehr schmerzt, weil er vor allem die Führungsebenen der Unternehmen im Fokus hat, ist es wichtig und dringend ihm jetzt ins Auge zu blicken. Er verlangt die Entwicklung neu zu etablierender Führungs- und Managementkompetenzen, deren Verlauf sich einer klassischen Wellenkurve beschreiben lässt.

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Einschub: Die Schritte auf der Management Change Kurve

  1. Überschätzung des persönlichen Einflusses – Man stellt fest, dass die Dinge doch nicht immer so laufen, wie geplant. Die Mitarbeiter entscheiden kurzfristiges selbst, einfach, weil sie es müssen. Die Ziele werden nicht erreicht, nur weil wahlweise ein Virus, neue Dynamiken, die Globailisierung, die Digitalisierung oder ungeahnte Komplexitäten die Welt im Griff halten. Kunden informieren sich im Internet selbst und kaufen dann auch noch woanders. 
  2. Zweifel / Schock – Man fühlt sich ausgeliefert und aller Handlungsmöglichkeiten beraubt. Die einst so positive wahrgenommene (mit weitgehendere) Unabhängigkeit ist plötzlich Geschichte. Man weiß nicht so recht, wie die Dinge weitergehen sollen. 
  3. Ablehnung / Leugnung – Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Die Umstände werden negiert, die eigene Kompetenz besonders herausgestellt, schließlich ist einem so etwas noch nie passiert. Man geht davon aus, dass sich die Welt schnell wieder zurückdrehen wird. Es wird klar und deutlich entschieden, egal wie. 
  4. Widerstand / Zorn / Neid – Die Wahrnehmung wächst, dass es andere nicht so sehr trifft – auch wenn dies nur oberflächlich so scheint. Das eigene Schicksal wird verflucht, der Neid wächst und damit der innere Widerstand gegen die Veränderung. 
  5. Depression – Alle Stricke reißen. Das unvermeidliche wird (endlich) auch als unvermeidlich wahrgenommen und als, vor allem, persönliche Niederlage wahrgenommen. Das Leben und die Welt scheinen sich endgültig und unabwendbar verschworen zu haben. 
  6. Akzeptanz – Mit der Akzeptanz der Gegebenheiten wird der erste Schritt gegangen, um mit den äußeren Veränderungen umzugehen. Die Dinge sind wie sie sind und es kann nach Wegen gesucht werden, aus den veränderten Umständen (persönlich) positive Entwicklungen abzuleiten. 
  7. Erkenntnis – Es wird klar, dass alte Verhaltens-, Haltungs-, Wertemuster in der bisherigen Form nicht mehr anwendbar sind. Die systemisch komplexen Zusammenhänge werden klarer und damit auch die Notwendigkeit die vorhandenen Ressourcen neu zu strukturieren und ggf. anders zu nutzen.
  8. Gemeinsames experimentieren & lernen – Als Folge eines neuen Systemverständnisses wird mehr gemeinsam und mit offenem Ausgang diskutiert und gedacht. Gemeinsames experimentieren und lernen wird als sinnvolle Alternative zum vorherigen Vorgehen anerkannt. 
  9. Verbesserung von Selbstvertrauen & Resilienz – Mit dem Verständnis, dass man in der Gemeinschaft den Herausforderungen gelassener entgegenblicken und sie meistern kann, wächst auch das Selbstvertrauen in die gemeinsamen und – durch den gleichzeitigen Lerneffekt – auch in die persönlichen Fähigkeiten. 
  10. Aufbau neuer Führungskompetenz – Auf der Basis eines grundlegenden Führungsverständnisses entsteht durch eine neue, positivere Wahrnehmung der gemeinsamen Leistungsfähigkeit neue Führungskompetenz, die langfristig erfolgversprechend ausgebaut werden kann. 

 
Teil dieses Wandels ist es, das Unternehmen für mehr partizipatives und partnerschaftliches Miteinander und für mehr gelebte Menschlichkeit zu öffnen, denn diese ist (und bleibt) die ‚Secret Sauce‘, die geheime Zutat, die es erlaubt auf die vollen Potenziale und Fähigkeiten aller Mitwirkenden zuzugreifen. Das dies nicht zur Selbstaufgabe von Führung und Management führt, ist mittlerweile common sense. Im Gegenteil, je mehr es darum geht bewusst neue und besser wirkende Regeln, Routinen und organisationale Systeme zu etablieren, die diese neue Art der Zusammenarbeit optimal unterstützen, desto mehr sind hochklassige, zeitgemäß agierende Manager und Führungskräfte notwendig und gefragt.

Was tun?

1) Zunächst hilft nur, den Balken aus dem eigenen Auge zu entfernen.
2) Die Situation mit ausreichendem Abstand analysieren:

  • Szenarien durchspielen, in denen der eigene Einfluss nicht mehr so groß ist wie gedacht.
  • Antworten auf die Frage finden, wie es dem Unternehmen ergeht, wenn man 3 Monate ausfällt – in einem Umfeld wie es vor der aktuellen Krise, während der aktuellen Krise und nach der Krise existiert. An welchen Stellen läuft es dennoch gut, an welchen Stellen entstehen Probleme und welche und wie könnte man diesen Problemen begegnen?
  • Sich Sparringspartner suchen, mit denen die Situation im kleinen, vertrauenswürdigen Kreis, diskutiert werden kann.

3) Eine Standortbestimmung für die Gruppe, den Bereich und/oder das Unternehmen durchführen:

  • Welchen Einfluss haben die Mitwirkenden selbst auf die Entwicklung?
  • Welche Szenarien sind möglich, welche wahrscheinlich, welche realistischen Optionen gibt es?
  • An welchen Stellen kann die Organisation anders agieren und was ist dazu notwendig?

4) Externe Impulse einbringen, um den Blick zu weiten und neue Horizonte zu eröffnen:

  • Zuhören, die Impulse wirken lassen und auch unbequeme Wahrheiten zulassen.
  • Die Impulse und die eigenen Überlegungen aus den ersten Phasen zusammenbringen und alles zusammen neu bewerten. (Wobei gilt, dass die externen Impulse selten 1zu1 zu den tatsächlichen Optionen der Organisation passen. Hier ist immer gemeinsames Denken und Zusammenarbeit gefordert. Wir nennen dies diagnostisches Mentoring.)

5) Die Erkenntnisse einige Zeit sacken lassen, nichts übereilen, und erst Denken und Emotionen miteinander in Einklang bringen.
6) Mehr Zusammenarbeit zulassen:

  • Die Quintessenz aus den Analysen und Diskussionen erzeugen und das organisationale Betriebssystem im Detail betrachten und die Punkte identifizieren, die verändert oder neu etabliert werden sollten.
  • Den Fokus vom Individuum auf die Emergenz der Zusammenarbeit lenken.

7) Mit und nach all diesen Maßnahmen wird sich das Gesamtgefüge der Organisation verändern. Das Selbstvertrauen und die Resilienz steigen bei allen Beteiligten. Führung und Management werden sich verändern und damit die Rolleninhaber neue Kompetenzen entwickeln.
 
Diese Schritte zu gegen verlangt nach dem Verständnis für ein „Next Management“, einer Weiterentwicklung, die sich oftmals anhand von fünf Fokusbereichen beschreiben und ableiten lässt: Next Culture, Next Power & Performance, Next People Relations, Next Leadership und Next Organizing System. Was dahinter steckt, erläutere ich gerne in einem persönlichen Gespräch, und, in den Grundzügen, in meinem nächsten Blogpost.

#BeyondCorona – In der Krise die Weichen für die Zukunft stellen!

>>> Impuls, Reflexionsfragen & Tipps

 
Der Coron-Virus und Covid-19 wird uns sehr nachhaltig im Griff halten. Das ergibt sich allein schon aus einer groben Sicht auf die Zahlen. Aber was heißt das kurz- mittel und langfristig? Was sollten Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeiter jetzt und in den nächsten Monaten und vielleicht Jahren tun, um die Zeit möglichst unbeschadet zu überstehen und danach eine möglichst gute Ausgangsposition zu besitzen?
 
Es werden derzeit viele Szenarien und (teilweise) Utopien diskutiert. Vieles dreht sich dabei auch um die Frage: Was sind Menschenleben wert, denn, am Ende hängt das aktuelle Geschehen in unserer Gesellschaft davon ab, wie wichtig uns unser wirtschaftliches Wohlergehen (und da sind wir weiterhin auf vergleichsweise hohem Niveau unterwegs) im Vergleich zum Wohlergehen und Überleben, vor allem der älteren und vorerkrankten Verwandten, Freunde und Mitmenschen ist. Schon jetzt werden Stimmen in einigen Ländern laut die, vereinfacht sagen: Lasst die Alten sterben, damit es den Jüngeren gut geht.
 
Aber, das nur am Rande, denn bei den Unternehmen geht es nicht darum, ob sie jung oder alt sind, es geht darum, wie sie grundsätzlich überleben und die Krise bewältigen können. Dabei haben es die kleinen und mittleren (wieder mal) schwerer, weil es für sie, unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung, oft schwieriger ist, Unterstützung zu erhalten, um z.B. die Liquidität sicherzustellen, wichtige Ressourcen zu beschaffen oder die Kosten kurzfristig zu senken. Hier soll das Rettungspaket des Bundes und der Länder helfen, aber allein wird es kaum mittel- und langfristig helfen. Doch was kann und sollte man darüber hinaus tun? Was kann man jetzt schon starten, um im weiteren Verlauf der Krise eine möglichst stabiles und sicheres Fundament unter den Füßen zu haben?
 
Wenn man in den letzten zwei Wochen durch die Social Media Welt surft, dann dominiert das Thema Home Office die Kommunikation. Es scheint als hätte jeder seine Top-Tipps ins Netz gestellt. Das ist kurzfristig richtig und wichtig und auch ich habe ein paar Hinweise aus meinem Fundus beigesteuert, aber je länger wir mit den aktuellen Einschränkungen leben, desto wichtiger wird es in die Zukunft zu denken. Denn, auch falls der weitgehende Lockdown in ein paar Wochen aufgehoben wird, bis wir wieder so etwas wie Normalität im Arbeitsleben erleben, wird es noch viele Monate dauern. Auch nach dem Lockdown wird der Virus solange unser Begleiter sein, bis ausreichend Medikamente und Impfstoffe verfügbar sind und die „Durchseuchung“ weit genug fortgeschritten ist. Solange werden wir in vielen Bereichen auf Abstand bleiben, auch, um nicht doch ganze Unternehmen kurzfristig lahm zu legen. Denn auch wenn (bislang) 80% der Krankheitsverläufe größtenteils harmlos sind, 14% der Erkrankten brauchen Beatmung und 5% der Verläufe sind kritisch, u.a. weil ein Atemstillstand auftritt ist. Das trifft zwar bislang vor allem Ältere, aber auch bei den Patienten zwischen 20 und 50 Jahren gibt es solche kritischen Verläufe. Für ein Unternehmen mit 50 MA tauchen, schon rein statistisch, auch schwere Fälle in der Belegschaft auf und 170 durch Covid-19 bedingte zusätzliche Krankheitstage sind wahrscheinlich. 170 Tage, die die Produktivität und Arbeit in den nächsten 12 Monaten weiter bremsen. Gesundheitsvorsorge für die Mitarbeiter bekommt einen neuen Stellenwert und neue Gesichtpunkte.
 

Die weiteren absehbaren Folgen

In Krisenzeiten ist Effektivität (noch) wichtiger als Effizienz. Statt Quartalsziele anzustreben, geht es um langfristige Wirkung, statt um maximale Kostensenkung geht es um minimalen Aufwand mit maximalem Effekt, auch (und manchmal vor allem) bei Abläufen, in den Strukturen, der Kommunikation und bei Entscheidungen.
 
Mit Blick auf die mittel- und langfristigen Folgen stellt sich die Frage, was sich jetzt bewährt und die Wirkung der notwendigerweise eingesetzten Ressourcen erhöht hat. An vielen Stellen muss mit weniger Ressourcen mehr geleistet werden. Das erfordert den größten Wandel der Basisparameter von Management und Organisationsgestaltung seit den 1970’er Jahren.
 
Die konkreten und aktuellen Folgen der Krise sind vielfältig, neben Umsatzeinbußen wegen ausbleibenden Kunden, fehlender Produktionskapazität und verlangsamter (Neu)Entwicklung durch eine veränderte Interaktion der Mitarbeiter kommen mittelfristige Effekte hinzu. Mitarbeiter haben plötzlich in Bezug auf den Arbeitsort, die Arbeitszeit und ihre Entscheidungskompetenzen neue Freiheiten, Prozesse und Strukturen müssen den veränderten äußeren Rahmenbedingungen angepasst werden. Gleichzeitig steigt der Krankenstand und langfristig trauen sich immer weniger Mitarbeiter mit leichten Krankheitssymptomen (einer Erkältung oder Grippe) ins Unternehmen. Es stellt sich also die Frage, was es braucht, welche neue Ansätze und welche Art von Flexibilität benötigt wird, um die Mitarbeiter weiterhin in den Arbeitsprozess einbinden zu können und den Krankenstand nicht indirekt und zusätzlich zu erhöhen. Gesundheitsvorsorge für die Mitarbeiter bekommt einen neuen Stellenwert.
 
Weitreichendere Folgen werden wir ebenso an vielen Stellen spüren. Covid-19 wird ebenso wie Menschen auch Unternehmen „töten“. Mitarbeiter werden sich neue Arbeitsplätze suchen müssen und viele Unternehmen neue Lieferanten und Geschäftspartner. Die Erfahrung der Krise wird zu einer verstärkten Modularität, Vielfalt und Redundanz in Bezug auf Lieferketten und Partnerschaften führen. Der Aufbau von noch intensiveren Netzwerken ist für Unternehmen, wie ab sofort für (potenziell zukünftig arbeitssuchende) Mitarbeiter enorm wichtig.
 
Das bedeutet in Zukunft mehr Interaktion bei gleichzeitig (vorerst) mehr Abstand. Wo heute Dienstreisen das Mittel zum Zweck sind, um vertrauensvolle Partnerschaften aufzubauen, werden wir vermehrt aus die jetzt intensiver kennengelernte Online-Kommunikation / Webkonferenzen ausweichen, was die Digitalisierung auch in anderen Unternehmensbereichen fördert.
Zugleich wird Präsenz einen neuen Wert erhalten und wir werden anders mit, in dieser Form geteilter Lebenszeit umgehen.
 

Was ist mittel- und langfristig wirklich wichtig?

Was die Krise deutlich macht: Wichtig um miteinander die aktuellen und kommenden Herausforderungen zu meistern ist vor allem die Wahrnehmung von individueller und gemeinsamer Sicherheit. Gesundheitliche, finanzielle und soziale Sicherheit und Stabilität sind die wichtigsten Elemente, um miteinander in Unternehmen in die Zukunft zu blicken und gehen. Das ist keine neue Erkenntnis, so haben wir Menschen in Krisenzeiten immer funktioniert. Aber nach dem jahrzehntelangen wirtschaftlichen Aufschwung, ist vieles, was gute (Unternehmen)führung ausmacht, stark in Vergessenheit geraten. Es wird Zeit dieses alte Wissen neu zu nutzen!
 
Es ist wichtig, JETZT die richtigen Schritte einzuleiten! Welche Zielsetzung ist jetzt für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter jetzt wichtig? Es geht zunächst mehr um die kleinen als die großen Ziele, aber beides muss harmonieren und aufeinander aufbauen. Allerdings verändert die Krise auch die Qualität, den Inhalt und die Tragkraft von Zielen. Zunächst ist es wichtig, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um mit dem in den nächsten Monaten erwartbaren umzugehen. Ganz pragmatisch, ohne Firlefanz und groß gesteckte Wachstumsziele. Es geht darum ein stabiles Fundament zu finden. Einfach nur das. Nichts mehr.
 
Doch Sicherheit hat zwei Aspekte: Kontrolle und Handlungs(frei)raum. Die einen (Mitarbeiter, Führungskräfte und Unternehmen) fühlen sich wohl, wenn sie wissen, dass ein sinnvolles Maß an Kontrolle herrscht, wenn klar ist, was kommt, was zu tun ist und welche Folgen dies hat – in Krisenzeiten ist dies für viele um so wichtiger – andere brauchen Handlungsspielraum, um sich nicht in Dinge und Lösungen hineingedrängt zu fühlen, die ihnen nicht entsprechen. Mehr denn je ist es damit jetzt eine wichtige Führungsaufgabe, dies zu erkennen und mit den unterschiedlichen Mitarbeitern und Teams entsprechend umzugehen. Individuelle und situative Führung (auf Distanz) hat jetzt einen ganz besonders hohen Stellenwert!
 
Wenn die einen rufen, dass Agilität die Lösung für die Herausforderungen ist, so haben sie Recht, aber sie bringen damit andere zusätzlich in die Überforderung. Wenn andere rufen, dass klare Anweisungen jetzt das Mittel der Stunde sind, so führt dies ebenso zu Ablehnung und Widerstand. Ein gesundes Mittelmaß ist nicht leicht zu finden, aber (auch) von besonderer Bedeutung!

Wie findet man jetzt den besten Weg?

Wenn das kurzfristige Überleben sichergestellt ist, sollte einer der ersten Schritte einen zukunftsgerichteten Unternehmensführung sein, die verschiedenen Szenarien der weiteren Entwicklung durchzudenken. Wie hat sich das Verhalten der Kunden und Märkte ggf. verändert? Welcher Bedarf besteht für die eigenen Angebote, jetzt, während und nach der Krise? Welche mittelfristigen Zielsetzungen sind realistisch und wie sieht die Strategie aus, diese zu erreichen? Hier, auch das ist nicht neu, sollten jetzt umso dringlicher als bisher, die Mitarbeiter intensiv mit einbezogen werden. Denn sie haben (auch) die Veränderungen in der Krise erlebt, sie kennen die Märkte und Möglichkeiten, und sie haben in den letzten Wochen wahrscheinlich neue Erfahrungen gesammelt, die bedeutsam sein könnten.
 
Die zweite Frage ist, wie diese Ziele erreicht werden können. Auch hier sind die neuen Erfahrungen relevant. Jedes Unternehmen funktioniert nach seinem eigenen, aus Kultur, der Zielsetzung und den Strukturen und Prozessen zusammengeschmiedeten Betriebssystem. Es definiert die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit und bringt explizite und implizite Verhaltens- und Handlungsweisen mit sich. Die Frage, die sich viele Unternehmen, in denen es auch vor der Krise schon knirschte und knackte, jetzt um so dringlicher stellen sollten, ist: Ist unser Betriebssystem geeignet, mit den aktuellen und kommenden und wahrscheinlich in dieser Form neuen Herausforderungen bestmöglich umzugehen? Welche Optionen und Alternativen gibt es, die uns jetzt mehr Möglichkeiten, Sicherheiten und Stabilität bieten? Hat sich die Art, wie miteinander gearbeitet wird verändert? Was davon bietet auch zukünftig Vorteile, was Nachteile?
 
Dies sind Fragestellungen, für die bislang auch die klügsten und fortschrittlichsten Unternehmensführer zu wenig Zeit hatten. Sie sind jetzt dennoch wichtiger denn je, denn an den alten Mustern festzuhalten kann, bzw. wird sich in vielen Fällen als fatal erweisen. Die neuen Muster und Gewohnheiten zurückzudrehen, insbesondere, wenn sie jetzt über mehr als 3 – 4 Wochen angewendet werden (müssen), kann sonst später für viel Wirbel und Unmut sorgen.
 

3 Tipps um Klarheit zu gewinnen:

  1. Beantwortet die Reflexionsfragen (s.o.)
  2. Macht euch bewusst, auf welchem Fundament euer Betriebssystem aufbaut. Betrachtet dazu das etablierte Menschenbild und das genutzte Managementmodell (meine Toolempfehlung: managementmodeldesign.net).
  3. Führt eine Statusanalyse der im aktuellen Betriebssystem befindlichen Potenziale und Hemmnisse durch (Meine Toolempfehlung: Agile Scan (siehe: “Free Agile Scan“)

 
Der Unterschied zwischen der Arbeit vor der Krise und der Arbeit in der Krise wird an den Prozessen und Strukturen am augenscheinlichsten, die schnell „geopfert“ werden konnten. Welche Statusreports und Projektberichte werden zurzeit noch geschrieben und welchen echten Wert haben sie? Welche Meetings konnten ausfallen oder auf unbestimmte Zeit verschoben werden? Welche Entscheidungen wurden jetzt auf anderen Wegen getroffen?
 
All dies sind Indikatoren, für ungesunde Gewohnheiten und Muster, die sich tief in das gelebte Management- und Organisationsverhalten eingeschlichen haben. All das sind Indikatoren für die Bereiche, die jetzt, als quasi positive Folge der Krise, genauer betrachtet, analysiert und dann sinnvoll verändert und angepasst werden können. All das sind Ansatzpunkte für eine Runde „ausmisten“, eine bewusste Analyse der mehr und weniger hilfreichen Prozesse, Projekte und Strukturen.

Als Führungskraft in der Krise lernen

Das betrifft Organisationen genauso, wie auch individuelle Führungsgewohnheiten. An welchen Stellen hat sich die Art, wie geführt wird und Führung wahrgenommen wird verändert? Was ist leichter und einfacher geworden, was ist schwieriger? Wer hat Führungs- und Entscheidungsaufgaben übernommen, wer kam damit zurecht, wer hatte seine Probleme?
 
Führungskräftecoaching kann jetzt, trotz Unwägbarkeiten, hier schnelle und zielgerichtete Unterstützung bedeuten. (Toolempfehlung: Als Basis für ein Coaching gibt es ein brandneues Angebot von AgilityInsights: „MyFlowScan“)
 
Aus Führungssicht ist „loslassen“ an vielen Stellen ein kaum verzichtbarer Ansatz. Sei es, weil die Arbeit plötzlich an 10 oder 20 unterschiedlichen Orten stattfindet, sei es, weil die Folgen nicht mehr abseh- und planbar sind. Wer weiß schon, wie unser Arbeitsleben nach Ostern aussehen wird oder im Mai oder nach dem Sommer? Wo nichts mehr planbar ist, ist es wie gesagt wichtig, den Rahmen, das Betriebssystem zu kennen, in dem sich Dinge entwickeln können, sollen und dürfen. Das betrifft formale Rahmen genauso, wie finanzielle und sozial. Doch innerhalb dieses Rahmens ist dann loslassen die einzige Option, die es erlaubt weiterzugehen. Weder der Blick zurück, noch der Blick nach vorne liefert Gewissheit für das was kommen kann.
 
Krisenzeiten sind Zeiten, in denen sich Mut und Zusammenhalt (meist) besonders positiv auswirken. Als Führungskraft bedeutet das, den Mut zu haben, den „powerful people“, den Menschen, die es mit in der Hand haben, die Zukunft aktiv und positiv mitzugestalten, Raum zu geben. Offen und transparent. Sie sind die Mitarbeiter und Kollegen, die 80% der neuen Bewegung ausmachen. Sie sind es die in kleinen Teams zusammengebracht werden sollten, die freien agierten und entscheiden können sollten.

Fazit

Wie in Unternehmen (zusammen)gearbeitet wird, unterscheidet sich zum Teil stark von dem, was vor 3 Wochen der Normalzustand war. Nach der Eingewöhnungsphase, für die wir ja noch mindestens knapp zwei Wochen Zeit haben, werden die ein paar Wehwehchen aufgespürt und die ersten Probleme gelöst sein. Es werden sich neue Prozesse, Handlungs- und Kommunikationsmuster etablieren. Muster, die teilweise auch weiterhin richtungsweisend sein werden.
 
Doch, um nach der Krise nicht in eine neue zu rutschen, sollte jetzt damit begonnen werden, bewusst die Folgen und Konsequenzen zu betrachten und zu schauen, ob die Art der Zusammenarbeit, nach all dem Erlebten und neue gelernten, nicht eine andere sein kann und sollte. Es ist jetzt Zeit das Betriebssystem einer genauen Prüfung zu unterziehen, um sicher und gestärkt aus der Krise hervorzugehen.
 
Auch mein Geschäft läuft derzeit “anders” als zuvor. Alle „on-site“ Termine, Vorträge und Workshops sind abgesagt. Aber die meisten meiner Angebote funktionieren auch online, insbesondere das Mentoring, Coaching und alle Arten von tiefergehenden Analysen.
Um meine Kunden nicht noch mehr zu belasten, ihnen aber dennoch die Chance zu geben, jetzt an den Dingen zu arbeiten, biete ich an einen Teil der Investition für einen gemeinsam vereinbarten Zeitraum zu stunden. Es gibt aus meiner Sicht keinen Grund zu warten.

Raus aus den Krisen – hin zu mehr Mensch(lichkeit im Management)

Transformation weitergedacht: Im „Ecosystem“ zu mehr „powerful people“

Nach einigen Schwächen im letzten Jahr war Wien in der letzten Woche wieder spannender.
Nein, nicht die Stadt an sich – die ist nett, aber aus meiner „Landei“ Sicht doch auch immer irgendwie gleich. Nein, ich meine das Global Peter Drucker Forum, dem ich (inzwischen schon in alter Tradition) wieder per Livestream beigewohnt habe. Auch, wenn das bedeutet auf das Netzwerken vor Ort zu verzichten, so hilft mir die Teilnahme „aus der Distanz“ bei Veranstaltungen, die so voller wertvoller Impulse stecken, diese direkt in mein Denken, meine Wahrnehmungen und meine Weiterentwicklung einfließen zu lassen.
 
Was wäre wohl, wenn eine solche Veranstaltung in einem reinen Onlineformat abgehalten und das Netzwerken auch auf diesem Weg möglich wäre. (Ich bin da gespannt, was die VR-Konferenztechnik uns in den nächsten Jahren beschert.)
Aber das ist hier nicht mein Thema. Ecosysteme sind es. Organisations-Ecosysteme um genau zu sein.
 
Wer den Gedanken und Impulsen der Beobachter (und Vordenker) zur Weiterentwicklung von Organisationen folgt, erkennt, wie sehr Unternehmen unter den neuen Gegebenheiten der Wirtschaft leiden und wie schwer es den meisten (dennoch) fällt, ihr Handeln zu verändern. Oft wird noch immer versucht, die „Probleme“ einer sich stark verändernden Umwelt mit den Logiken alten Denkens zu überwinden. Ergebnis ist der immer wieder scheiternde Versuch, die alten Systeme weiter zu optimieren, meist durch „Gesund(?)“schrumpfen von Unternehmen (siehe ganz aktuell Audi) und/oder eine Verlagerung des Fokus von den Stakeholder zu den Kunden.
 
Noch immer fehlt der Mut zum nächsten, vielfach längst fälligen große87n Schritt, der Verlagerung des Fokus von einzelnen Stakeholdergruppen hin, zu allen Menschen. Zu den Kunden und Investoren, aber auch den (festen, temporären und freien) Mitarbeitern und Führungskräften aller Ebenen und zu damit zu den Netzwerken und vielen kleinen „Ecosystems“, die in ihrem ZusammenWirken die Leistungen der Unternehmen erst ermöglichen.
 
Die Herausforderung ist, dass Organisationen, die sich als Öko-/Ecosystem verstehen, ganz anders agieren und denken, als klassisch operierende Unternehmen. Sie haben erkannt, dass die es andere Leitplanken und Ansätze braucht, damit es den Menschen gelingen kann, in dem neuen Umfeld ihre Wirkung für die Organisation zu entfalten.
 
Sie brauchen einen Rahmen, der es Ihnen ermöglicht, ihre Fähigkeiten zu erkennen, zu nutzen, zu bündeln und einzubringen. Und genau hier lohnt es, genauer auf das Thema Ökosysteme einzugehen – wobei ich hier im Kontext von Organisationen, zur klareren Abgrenzung, den englischen Begriff „Ecosystem“ verwende.
 
Ökosysteme sind, sofern sie ohne massiven Eingriff von außen ihr Equilibrium, ihren Gleichgewichtszustand finden können, enorm robust und zugleich anpassungsfähig, obwohl – oder gerade weil – sie mit Komplexität und Dynamiken hervorragend umgehen können. Ist dann noch der Zugang zu den notwendigen Ressourcen gesichert, kann das Ökosystem seine – nach innen oder außen gerichtete – Wirkung erzeugen. (Und, ja, Ich vereinfache hier teilweise die Wirkzusammenhänge).

Worum geht es konkret? 

Wie und was sind diese Organisations-Ecosysteme?

Grundsätzlich gibt es drei wesentliche Eigenschaften von Ökosystemen, die auch hier Anwendung finden können ins Bild passen:

  • Ökosysteme sind offen – Sie interagieren mit internen und externen Mitgliedern und anderen Ökosystemen und gehen teilweise nahtlos ineinander über.Mitglieder / (Teil)Organisationen können mit einem und/oder mehreren Ökosystemen interagieren und diese wechseln. Ressourcen, wie z.B. Energie, werden zwischen den Ökosystemen ausgetauscht.
  • Ökosysteme sind dynamisch – Ökosysteme können sich an verändernde Rahmenbedingungen anpassen, seien dies interne oder externe, weil ihre Mitglieder frei entscheiden können, wie sie reagieren. Sie können sich neu organisieren, ihre Kompetenzen bündeln oder vertiefen. Sie können sich neu vernetzen und so Einheiten bilden, die besser angepasst agieren können. Dazu besitzen sie hohe Freiheitsgrade innerhalb eines klaren und dennoch flexiblen Rahmens.
  • Ökosysteme sind komplex – Die Einflussfaktoren und Mitglieder aus dem inneren und äußeren der Ökosysteme stehen in ständiger Wechselwirkung zueinander und sorgen für ein komplexes Geflecht an Interaktionen. Sie gewinnen damit die Fähigkeit, komplex aus komplexe Herausforderungen zu reagieren.

Ich unterscheide bei diesen Ecosysteme drei Ausprägungen.
Typ 1) In Beispielen wie Apple, Amazon, Facebook, Alibaba, Uber und Airbnb nutzen die Unternehmen intensiv Partnerschaften mit externen Unternehmen, etwa Händlern, Fahrern, Vermietern oder Softwareentwicklern („Anbieter“), um über ihren Mehrwert für diese einzelnen Anbieter, z.B. in Form einer großen, leicht zugänglichen, im wesentlichen gleichberechtigten, einheitlichen technischen Plattform, etwa eines Marktplatzes, ihre eigenen Produkte und Plattformen aufzuwerten.

Typ 2)
in Beispielen wie Buurtzorg und vielen Unternehmen ist die gemeinsame Plattform eher eine Haltung und ein gemeinsames Ziel, dass durch wenige technologische Werkzeuge, z.B. zur Kommunikation unterstützt wird. Hier arbeiten Teams mit ähnlichen Zielsetzungen aber unterschiedlichen Methoden und Kunden an denselben Dingen und profitieren von der Plattform, indem diese Austausch und die Weiterentwicklung ermöglicht und zentrale, leicht u vereinheitlichende Aufgaben übernimmt und die Teams damit unterstützt.
Dazu existiert (für mich) noch eine dritte Ausprägung, die der „individuellen Ecosysteme“ (Typ 3). Sie sind, was uns alle umgibt. Die „Plattform“, die wir nutzen, um zu lernen, uns persönlich weiterzuentwickeln. Unsere Netzwerke, Impulsgeber, Vorbilder und die zwar theoretisch für viele verfügbar sind (und damit einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt bieten) aber individuell genutzt werden.
Diese drei Ausprägungen können aufeinander aufbauen. Wenn die individuellen Ecosysteme als kleinste Einheiten miteinander interagieren, können sie an gemeinsamen Themen arbeiten und hier große Leistung erzielen. Teilweise können diese Zusammenschlüsse (aka Organisationen, Typ 2) dann mit Hilfe von technologischen Plattformen (Typ 1) ihre Wirkung weiter verstärken.

Einblicke in die Insights und Ausblicke aus Wien

Martin Reeves, Chairman des BCG Henderson Institute, schreibt dazu als sein „Take away“ aus Wien: (Auszüge aus „The State of the Ecosystem“)
„2. […] 70% der weltweit größten Unternehmen sind heute auf digitalen Plattformen aufgebaut (Anmerkung: dies sind u.a. Amazon, Alibaba, Uber, AirBnb, Google, Facebook, Apple) die eine koordinierte Bereitstellung komplexer kundenspezifischer Angebote durch eine große Anzahl von Unternehmen ermöglichen. 
3.  Abgesehen von Ökosystemen als breite Metapher verweist der Begriff auf eine spezifische Governance-Form, die es einer dynamischen Unternehmensgruppe ermöglicht, den Kunden ein koordiniertes Angebot zu unterbreiten. Ökosysteme kombinieren einen Teil der Flexibilität des offenen Marktes mit einem Teil der Koordination des vertikal integrierten Unternehmens oder der stabilen, linearen Lieferkette. 
4.  Ökosysteme sind kein Allheilmittel, sondern eine bedingte Wahl, je nach Unternehmensmerkmalen und -ansprüchen. Ökosysteme erfordern ein modulares Angebot, so dass mehrere Unternehmen zu ihrer Bereitstellung beitragen können, und sind wertvoll, wenn eine gewisse Koordination erforderlich ist, sei es durch gemeinsame Standards, Schnittstellen oder anderweitig. 
5.  Während es einige vordigitale Präzedenzfälle wie Tupperware oder MasterCard gibt, hat die digitale Technologie den rasanten Aufstieg der Ökosysteme vorangetrieben, indem sie die Koordination hoher Komplexität zu niedrigen Kosten und mit großer Reichweite ermöglicht. 
6.  Geschäftsökosysteme benötigen dynamische und flexible interne Strukturen und keine statischen, klassischen Hierarchien. Es wird viel experimentiert, um die richtige Form für das interne Ökosystem zu finden, von den Mikro-Geschäftseinheiten von Haier über Alibaba’s Self Tuning Enterprise bis hin zu den agilen Strukturen von Tencent und anderen.
7.  Eine erfolgreiche Implementierung von Ökosystemen erfordert ein anderes Denken als eine klassische produktzentrierte Organisation. Die Analyseeinheit wird zum multilateralen Ökosystem und nicht zum Einzelunternehmen. Die Wertsteigerung wird durch die Betonung der gegenseitigen Wertschöpfung ergänzt. Stabilität weicht der Dynamik und Planung dem Experimentieren und Entstehen. Wir könnten diesen unterschiedlichen Ansatz bezeichnen, biologisches Denken im Gegensatz zu mechanischem Denken. […]“
Solche Ecosysteme sind entsprechend eine der derzeit wohl besten Lösungen für die aktuellen Probleme. Aber, wie setzt man sie in Unternehmen um, die weniger eine technologische also eine logische Plattform zur Zusammenarbeit bereitstellen?
Dazu lohnt es, das denken in zentralen Plattformen zu erweitern und dem Fokus anders zu setzen.
Jos de Blok hat in Wien einen kleinen Einblick in den Status von Buurtzorg gegeben. In einem Teil seiner kurzen Präsentation benutzte er eine konzentrische Darstellung der Strukturen der Organisation. Im Zentrum stehen für Buurtzorg die Patienten, um die herum sich deren Netzwerk aus Nachbarn und Angehörigen aufspannt. Sie umgibt das Buurtzorgteam, das wiederum vom formalen Netzwerk mit weiteren Ressourcen umgeben wird. Eine Darstellung, die mich angeregt hat, eine allgemeinere Sicht auf die Organisations-Ecoysteme in denen wir (zukünftig) arbeiten könnten zu entwickeln. Denn sie sind der natürlichste Ausgang zu einfach.besserer.ZusammenArbeit.
Unternehmens Ecosystem V1 quer

 
Managementmodelle Übersicht EcosystemsIch schreibe: „…(zukünftig) arbeiten könnten…“ weil wir uns mit den alten Strukturen an vielen Stellen im Weg stehen. Sie stehen für Eingriffe in ein (zuvor wahrscheinlich) funktionsfähiges Ökosystem, die die Rahmenparameter so verändert haben, dass im Ergebnisse viele Organisationssysteme dem Kollaps immer näher kommen. Dieser Eingriff in Form 100 Jahre alter Managementprinzipien und Büro- und Meritokratie ähnelt der Einfuhr von zwei Dutzend wilden Kaninchen nach Australien vor mehr als 140 Jahren. Dieses als Fleisch- und Felllieferant geplante Jagdwild hat sich zu einer katastrophalen Plage mit mehrere Milliarden Individuen entwickelt und über den gesamten Kontinent aus gebreitet.
 
Um ein solches Ökosystem wieder in einen angepassteren, aus sich heraus leistungsstärkeren Zustand zu entwickeln, sollte man zunächst verstehen, wie das Zielszenario aussehen kann. Was muss ein Organisations-Ecosystem, als Struktur leisten, um sowohl mit Komplexität und Dynamiken umzugehen, als auch daraus Stabilität aufzubauen. Eine Struktur, die sich fähig erweist, in einer VUCA Welt optimale Performance zu leisten und bestmögliche ZusammenArbeit zu ermöglichen?
Unternehmens Ecosystem V1 Ausschnitt quadratisch

So wie mein „Typ 2“ auf den „Typ 3“ aufbaut, stellt sie (zwangsläufig) den Mensch, zunächst unabhängig von der Rolle als z.B. Kunden oder Mitarbeiter in den Fokus. Um diesen Fokuspunkt herum, bilden Sphären mit soziale und fachliche Interaktion den Rahmen in dem sowohl persönlich-individuelle, wie auch gemeinsame Weiterentwicklung ermöglicht wird und für die die Organisationen einen stabilen Rahmen bildet.
 
Die organisationale / formale Ebene bildet den (kulturellen) Rahmen, indem Parameter, ethische und moralische Normen und Regeln vereinbart – nicht vorgegeben (!) – werden. Sie bestimmt über die Qualität, Ausrichtung und Ausgestaltung dieser „Rules“ die „Roles & Relationships“. Sie befähigt durch diese Richtlinien und schafft (und kontrolliert damit auch) den Zugang zu weiteren externen Ressourcen. Wenn ein organisationaler Rahmen es neuen Talenten es schwer macht, sich auf das miteinander im Innern einzulassen, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, diese schnell wieder zu verlieren.
 
Sie umgibt die Ebene der fachlichen Interaktion, des direkten Austauschs, über das, was an Kompetenzen, Fähigkeiten, Informationen und Wissen vorhanden ist.
 
Damit dieser fachliche Austausch aber überhaupt seinen Weg findet, braucht es die sozialen Beziehungen, die animieren und ermöglichen sich gegenseitig zu unterstützen. Vertrauen, Verlässlichkeit und psychologische Sicherheit, kurz gute Gefühle, sind hier wichtige Bausteine. Wobei – eine Binsenweisheit – die informellen und informalen Netzwerke hier mindestens so wichtig sind, wie die formalen.
 
Schließlich – damit der Mensch dann tatsächlich wirken kann, braucht er in und aus diesem, ihn/sie umgebenden Ecosystem die Klassiker zeitgemäßen Umgangs miteinander: Respekt, Bewusstsein für ein klares, gemeinsames Ziel und Raum, Ressourcen, Zuspruch, Ermutigung und Ermächtigung, kurz echtes, ernst gemeinstes „Empowerment“. Es braucht, wie einer der Teilnehmer in Wien es ausdrückte „Purpose, the human touch in a digitized world.“
 
Werden diese Ebenen zusammengebracht, so sind die das Fundament für das was Ecosysteme brauchen, um langfristig und nachhaltig erfolgreich zu sein: Möglichst viele „powerful people“, also Menschen, die sich einbringen können, wollen und Raum haben, dies zu tun.
 
Doch, was bremst uns dabei, diesen Raum für diese „powerful people“ zu gestalten. Fast am Ende der zwei Tage in Wien wurde dazu das Auditorium befragt. Fast 70% fanden sich bei den Antwortoptionen „unflexible Strukturen und Kulturen“ sowie der mangelnden „Fähigkeit, das alte und neue in der Organisation gleichzeitig zu leben“ zusammen. Diese notwendige Dualität und dazu notwendige Ambidextrie sind Aufgaben, die das Management auf der äußeren Schale sicherstellen muss, um die dann tief im Innern, im „Leadership“ umsetzen zu können. Damit passen auch die beiden Topantworten beim Voting zur Abschlußfrage nach den wichtigsten Bausteinen für die erfolgreiche Transformation ins Bild: Raum für mehr „Leadership“ (sic!) und der stärkere Fokus auf die Entwicklung von Zusammenarbeit.
 
Es kann also jeder daran arbeiten sich sein eigenes (kleines) „Typ 3“ Ecosystem im Unternehmen und außerhalb aufzubauen. Jeder kann versuchen sich, neben den Strukturen der Organisation, ein stabiles, tragfähiges informelles Netzwerk aufbauen, dass sozialen Rückhalt, psychologische Sicherheit und die Chance der Weiterentwicklung fachlicher Kompetenzen ermöglicht. Jeder kann so einen wachsenden Beitrag für das eigene und (idealerweise) das gemeinsame Weiterkommen leisten. Gerade die beiden großen Business Netzwerke, Linkedin und XING sind noch immer gut dafür geeignet. Sie erlauben, im kleinen (und großen), sich Strukturen aufzubauen, die nachhaltig und langfristig (individuellen und persönlichen) Erfolg erleichtern. Sie erlauben die drohenden Gefahren zu minimieren.
 
Dazu passt schließlich noch eine Analogie, die in Wien ebenfalls genutzt wurde: Die guten alten Seeungeheuer. Sie waren es, die in den Zeiten, als der Globus weniger erforscht und viele Küsten und Landmassen noch unentdeckt waren, immer wieder sehr illustren Hinweis gegeben und damit bewusst gemacht haben, welche lebensbedrohlichen Gefahren bei der Überfahrt lauern.
 
Und auch den Weg hin zur Schaffung von Ecosystem-Organisationen, zu Systemstruktutren, die einen natürlichen Umgang mit den großen Herausforderungen vieler Unternehmen nutzen und meistern können, weil sie die dynamischen Fähigkeiten dazu tief verinnerlicht haben, scheint aus der aktuellen Perspektive vieler Top-Manager mit großen Gefahren belastet. Die „neuen“ Seeungeheuer scheinen überall zu lauern. Doch, wie damals, hilft es, gut ausgestattete Expeditionen loszusenden, mit cross-funktionalen Teams, die selbstverantwortlich entscheiden und den entdeckten Raum nutzen können, um hier Fortschritte zu machen.
 

Mein Fazit

Es wird Zeit, Organisation zeitgemäßer zu denken, Ecosysteme zu gestalten, die „powerful people“ mehr Raum geben, um die gemeinsamen Ziele umzusetzen. Und auch um selbst mehr Wirkung, Kraft und Energie aufzubauen, um zu den „powerful people“ dazuzugehören, können individuelle Ecosystems helfen, sich hier zu positionieren. Die „powerful people“ sind, was zukünftig Leadership und den USP von Unternehmen ausmacht.
 
Dies ist sicherlich ein Weg, der schwerer fällt, als alles beim alten zu belassen, aber sicherlich auch ein Weg, um mit einer deutlich höheren Chance als Unternehmen noch lange im Markt aktiv bleiben zu können.
 
Ein erster Schritt auf dem Weg ist, den Status und die Entwicklungschancen der eigenen Organisation besser zu verstehen. Wenn du Interesse hast, dies in deiner Organisation zu tun, dann melde dich einfach per PN oder mail bei mir.

Raus aus den Krisen – hin zu mehr Mensch(lichkeit im Management)

Wir sind Management!

>>>> Denk- und Handlungsimpuls

Managementmodelle gehen den meisten ja hinten irgendwo vorbei. So richtig interessiert sich eigentlich niemand dafür, nach welchen Grundsätzen und Prinzipien ein Unternehmen geführt wird – solange es irgendwie funktioniert. Das ist verständlich – schließlich müssen wir ja auch im Straßenverkehr nicht wissen, warum wir die Dinge tun, die wir dort tun. Wenn aber jemand auf die Idee kommt, die Dinge anders anzugehen, etwa, weil sie dann einfacher oder erfolgreicher sein könnten, dann kann es durchaus sinnvoll sein, sich doch einmal mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Auch wenns zunächst dröge klingt.
 
Ich versuche daher (dennoch) heute mal euch das Thema etwas näherzubringen – sicherlich nicht in ganzer Tiefe, aber dafür hoffentlich auch nicht ganz so langweilig 😉
 
Denn spannend und lohnend ist es, wenn man das Ganze ein bisschen besser versteht, schließlich ermöglicht es euch, dann doch den einen oder anderen Hebel selbst anzusetzen und ein paar Dinge zu verbessern.
 
Das wäre, nebenbei bemerkt, auch im Straßenverkehr möglich, wie Hermann Arnold in „Wir sind Chef“ am Thema „links vor rechts“ statt „rechts vor links“ wunderbar anschaulich erläutert (Mit „links vor rechts“ könnten wir den Schilderwald an den Straßen deutlich lichten… – aber vielleicht kommt das ja noch). Den entsprechenden Buchauszug findet ihr hier.

Jeder nutzt es, keiner kennt es – das eigene Managementmodell

Was aber bringt es euch, wenn ihr euch jetzt hier mit Managementmodellen befasst. Ich mache das ja nun, weil es mich interessiert, es zu den Themen und meinem Angebotsportfolio im Kontext „einfach.besser.zusammen.arbeiten“gehört und ich es aufgrund des notwendigen multiperspektivischen Ansatzes und der Komplexität einfach mag es im Dialog mit Führungskräften zu vertiefen. Aber, was bringt euch das?
 
Ich glaube viel, denn es kann eure tägliche Arbeit enorm erleichtern, wenn es (euch) gelingt, nicht nur bei euch, sondern auch bei anderen Verständnis dafür zu wecken, Dinge dann auch entsprechend zu bewegen und Zusammen.Arbeit auf ein neues Niveau zu heben. Dafür möchte Argumentationshilfe geben. Denn, wenn wir schon alle unsere Lebenszeit (in gewissen Phasen) vornehmlich mit Arbeit verbringen, dann doch bitte so, dass sie aus gemeinsamer UND persönlicher Sicht Sicherheit, Perspektiven oder wenigstens maximale Zufriedenheit bietet, oder? Das (be)trifft zwar die Chefs „ganz oben“ ganz besonders, aber „wir“ alle sind ja mittendrin, in der Arbeit, in den Unternehmen (mich bei meiner Arbeit vor Ort eingeschlossen), denn jeder ist Einflussgeber und damit Teil der Organisation, womit jeder mindestens Betroffener und zunehmend auch (möglicher) Gestalter ist. Warum das so ist – dazu komme ich gleich.

Bureau-, Merito-, Adhoc-, Virtue-, Valuecracy oder doch alles crazy?

So, jetzt aber: Wozu gibt es überhaupt Managementmodelle?
 
Wie alle Modelle sollen auch Managementmodelle helfen, die Welt, wie sie ist oder wie sie sein könnte, zu erklären. Sie sind eine Navigationshilfe, um im Dickicht der Strukturen und Wege nicht vollständig die Richtung zu verlieren.
 
Der Klassiker unter den Managementmodellen ist das, was wir mittlerweile mit einem deutlich negativen Beigeschmack wahrnehmen: Bürokratie, die „Herrschaft der Verwaltung“. Dabei war diese einmal als durchaus zielführender Ansatz der „rationalen Herrschaftsführung“ entstanden. Damals, als (lange) nach dem Absolutismus in Frankreich mit einer Phase der Bürokratie, die ersten größeren Betriebe entstanden und Kommunikation nicht nur zwischenmenschlich schwierig war, sondern auch ohne unsere digitalen Hilfsmittel stattfinden musste. Damals waren die Effizienzsteigerung, die Trennung von Amt und Person und damit die Regelgebundenheit und Rationalität, die Neutralität und die Arbeitsteilung so überragende Vorteile, dass die Bürokratie ihre bekannte Erfolgsgeschichte geschrieben hat – auch wenn sie diese Vorteile heute kaum mehr ausspielen kann.
 
Nach der Bürokratie, als die Unternehmen größer und komplizierter wurden, brach die Zeit der Meritokratie, der „Herrschaft als Belohnung für Verdienste“ an. Wer einen guten Job machte, wer sein Wissen einbringen konnte, erntete seine Meriten, seine „Verdienste“ in Form von Belohnungen, wie Beförderungen, mehr Einfluss und mehr Macht. Auch das war gut und richtig fürs Unternehmen, wurden doch so Menschen mit wertvollem Wissen und besonderen Fähigkeiten und Kompetenzen stärker ans Unternehmen gebunden. Meritokratie war und ist das Idealmodell für die Zusammen.Arbeit in mittel- und langfristig planbaren „linear“ funktionierenden Umfeldern. Also lange einfach (und) super.
 
Doch dann kam das Internet, mehr Geschwindigkeit, mehr Dynamik, mehr Interaktion, irgendwie mehr von allem und damit zu viel für Meritokratie. Denn wenn Entscheidungen schneller getroffen werden (müssen), wenn das Wissen (die „alte Macht“) verteilter und veränderlicher ist, wenn wir die Köpfe zusammenstecken müssen, damit wir mit all dem umgehen müssen, dann sind meritiokratische Strukturen mit ihren kleinen Fürstentümern und Silos eher hinder- als förderlich.
 
Mit der Erkenntnis, dass Meritokratie zwar in entsprechenden Umfeldern und Märkten gut funktioniert, diese Umfelder in denen die Digitalisierung an Bedeutung gewann, allerdings immer weniger vorhanden sind, wuchs sehr schnell der Bedarf, anders miteinander zu interagieren.
 
Jetzt war es auf einmal gefragt, statt reaktiv zu steuern, tatsächlich Wirkung im Markt zu erzielen. Schnell und gezielt handeln zu können, Engagement Raum zu geben, war plötzlich wichtiger, als das (strikte) einhalten von Plänen und Zielen. Auf der Jagd nach den Möglichkeiten war und ist es wichtig anpassungsfähig und flexibel, kurz agil, zu sein. Die Adhocracy war geboren, die „Herrschaft der handlungs- & engagementgeleiteten Strategie“ (wie ich es übersetzen würde).

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Dabei ist dieser Wechsel vom Steuerungsfokus zum „Wirkungsfokus“einer der größten Paradigmenwechsel, den es meiner Ansicht nach in diesem Kontext jemals gab. Doch, da dieser Paradigmenwechsel so schnell kam und teils unbemerkt Fuß fasste, überrascht er noch heute viele Führungskräfte und Managementsystemgestalter.
 
Damit sind wir angelangt, wo die (mir bekannte) Literatur zum Thema endet. Doch wir sind noch nicht am Ende der aktuellen Entwicklungen angekommen, weshalb ich den Blick hier weiten möchte.
 
Schon vor zwei Jahren habe ich mir Gedanken zu dem Thema gemacht (siehe auch obige Grafik) und erkannt, dass nach der schnellen ‚Reaktionsherrschaft‘ wohl wieder etwas Entspannteres, weil produktives Fahrwasser auf uns wartet. Der Grund ist ganz einfach: Wenn man die agilen Konzepte so weit verstanden und internalisiert hat, dass sie einem aus dem Bauch heraus gelingen, was in einigen der fortschrittlichen Unternehmen „schon“ der Fall ist, dann kann und sollte man beginnen, wieder vorausschauender zu handeln. Damit wächst die Wahrnehmung von Sicherheit und die Resilienz, damit wiederum wird Kommunikation nach innen und außen vereinfacht und es entsteht (wieder) Raum um sinnfokussierter zu agieren. Ich habe diese Art der Herrschaft der Wirkung damals „Virtuecracy“ genannt. In diesem Model sind Selbstverantwortung und Selbstorganisation natürlich(e) Wege, um Zusammen.Arbeit zu organisieren und die Nutzung der Ressourcen zu optimieren. Effizienz und Effektivität sind die Folge. An sich, also ein durchaus erstrebenswerter, weil gemeinhin erfolgreicherer zustand, wenn auch für so manchen mit einer ‚Niederlage‘ des Egos verbunden, zumindest, wenn dieses auf den absoluten individuellen Machterhalt über (hierarchisch) übertragenen Status, statt auch wechselseitige Anerkennung und (vom Umfeld) zugesprochenen Status einhergeht.
 
Doch, jetzt, nach nur zwei Jahren, erkenne ich eine neue Tendenz, auf die es zu achten und ggf. zu reagieren lohnt. Nicht nur, aber getrieben von einer erstarkenden Wahrnehmung des Klimawandels (und da ist es vollkommen egal, ob er menschengemacht oder natürlich ist, denn am Ende ist unsere Existenzgrundlage in jedem Fall gefährdet und wir sollten alle Veränderungsbremsen nutzen derer wir habhaft werden können – meine Meinung) wird „Nachhaltigkeit“ ein immer wichtigerer Aspekt des Wirtschaftens, Führens und damit der Gestaltung von Unternehmen – mithin des Managements. Die, nicht nur wert-, sondern „werteorientierte“ Organisation der Zukunft, wie auch der Untertitel des ‚Change Congresses‘ in Berlin Anfang November lautet, ist anders strukturiert und funktioniert nach anderen Parametern und Regeln als das, was wir heute kennen. Bei der „Valuecracy“ (als meinem Namensvorschlag für das Modell), also der „Herrschaft der Werte“ spielen ethische Grundsätze eine größere Rolle und wollen mit ökonomischen Notwendigkeiten besser in Einklang gebracht werden. Alle drei Elemente starker Nachhaltigkeit, das Soziale, das Ökologische und das Ökonomische sind hier stärker miteinander integriert statt, dass sie gegeneinander ausgespielt werden.

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Die so entstehenden Netzwerkorganisationen und Organisationsnetzwerke werden sich entsprechend mit immer höhere Standards geben und sie werden damit und mit der damit verbundenen klaren Positionierung im Markt, immer festere Kundenbeziehungen gewinnen. Aus Sicht dieser, meist eben auch im Kontext Nachhaltigkeit stärker sensibilisierter Stakeholder, eine glasklare win-win-Situation.

Was bringt’s? Viel!

So – und wie hilft euch das jetzt….
 
Ihr – wir alle – stecken halt immer mittendrin in den Strukturen und Modellen. Damit sind wir Opfer und Täter zugleich. Wir sind Regelbefolger, Regelbrecher und Regelwächter, je nachdem, wie weit wir im Konsens mit den Vorgaben und Biases/mentalen Modellen in der Organisation klarkommen und leben wollen. Wir sind aber zugleich immer (stärker) auch Regelgestalter – WIR SIND MANGEMENT! Denn die Kernaufgabe der Institution ‚Management‘ ist es, die Regeln, Parameter und Rahmenbedingungen, soweit möglich, zu gestalten, inklusive der großen Orientierungspunkte, wie Vision und den Eckpunkten von Kultur. Und da wächst mit der Veränderung der Managementmodelle die Bedeutung und der Einfluss jedes einzelnen.
 
Doch, um dies zu tun, um Management (aus)zu-leben und das System zu verändern – sei es von innen oder von außen – muss man es und seine Implikationen verstehen. Sonst läuft man Gefahr am falschen Ende anzusetzen.
 
Was immer ihr also in eurer Organisation startet, wenn ihr, mit oder ohne Zustimmung, an der Zukunft arbeitet (wie meine Befragung am Anfang des Jahres ergeben hatte, sehen ja nur 39%, dass das ‚Top-Management‘ aktiv an der Gestaltung der Zukunft der Unternehmen arbeitet, wogegen 70% der Mitarbeiter dies tun – siehe „Gemeinsam ist das neue Top-down“), dann bedenkt, in welcher Struktur ihr euch befindet. Nach meinen Erfahrungen lassen sich die Stufen nicht überspringen, vor allem, weil es die Organisation und die Menschen überfordern würde, zu große Selbstentwicklungsschritte zu schnell zu gehen. Wir sind halt alle nur Menschen. Darum, macht euch klar, wo die Organisation steht, BEVOR ihr versucht sie zu bewegen.

So – und jetzt ganz konkret

Konkret bedeutet das, und ich lasse hier mal den Schritt von der Bürokratie in die Meritokratie weg, den sind eh alle heutigen Organisationen schon mehr oder weniger gegangen:
 
Auf dem Weg von der Meritokratie zur Adhocracy ist einer der wesentlichen Veränderungsschritte der Wechsel von mittel- bis langfristigen Strategien zu kleinen, interaktiven, strategisch in die richtige Richtung weisenden Schritten. Aus detailliert geplanten Projekten werden z.B. kurze Entwicklungsschleifen, inklusive internen und externen Feedback- und Reflexionsrunden, um die Weiterentwicklung der Ideen und die Nutzung der Ressourcen optimal miteinander zu verzahnen. Kurz: agiles arbeiten (mit einer ‚agil-kompatiblen’ Führung und Restorganisation)
 
Auf diesem Schritt, und da kommt der Wandel vom Fokus auf die Steuerung zum Fokus auf Wirkung zum Tragen, müssen wesentliche Rahmenbedingungen neu definiert und allgemeingültig vereinbart werden. Sonst kommt es zu Unklarheiten und Abhängigkeiten, die niemand will. Es entsteht Chaos, wo „nur Komplexität“ sein sollte. Das wirkt sich insbesondere auf die Entscheidungsprozesse und die Kommunikation aus. Wichtig ist, dass aus Lippenbekenntnissen und agilen Insellösungen eine tragfähige Basis wird, die gemeinsam gelebt wird. Wenn konsequent (vor)gelebt wird, was beabsichtigtes Verhalten ist, wenn Dialoge, Bilder, Symbole und Rituale genutzt werden, um das Denken und die Emotionen mit zu bewegen, dann können sich die Veränderungen auch positiv verankern. Dann entsteht nicht nur ein neues Modell, sondern eine neue Unternehmens(um)welt mit neuen Perspektiven und Chancen.
 
Das letztgeschriebene gilt natürlich ebenso beim Schritt von der Adhocracy zur Virtuecracy. Hier werden aus den reaktiven Iterationen der Adhocracy, die notwendig waren, um einen neuen Wissens-, Kompetenz- und Erfahrungsschatz aufzubauen und um wieder näher an den Kunden heranzurücken (weshalb z.B. der Ruf nach Kundenfokus, Design Thinking etc. hier so laut ist), stärker vorausschauende, gestalterische Interventionen, die es dem Unternehmen wieder leichter machen, sich auf Entwicklungen vorzubereiten. Wir sehen das heute schon in vielen Startups, die Innovationstools und -ansätze wie MVP (Minimum Viable Product) und Lean Startup oder Effectuation nutzen. Es geht darum, mit und aus jedem Schritt zu lernen, aber die Kurzfristigkeit der Adhocracy ist einer verstärkten Nutzung und Einbindung von langfristiger verfügbaren Wissens- und Netzwerkressourcen gewichen.
 
Der aus meiner Sicht nächste und bis auf weiteres letzte Schritte ist der von der Virtuecracy zur Valuecracy, bei der noch stärker globales, ethisches Denken antizipiert wird, um es mit Hilfe von vorausschauend gestaltenden Iterationen in die Entwicklung des Unternehmens und seiner Produkte einzubauen. Es ist ein großer Schritt, den ich bislang nur bei wenigen Unternehmen erkenne, vorneweg allerdings (mal wieder) z.B. Buurtzorg oder Premium Cola.
 
Diese Entwicklungen beinhalten alle auch eine Entwicklung der Organisationsstrukturen von klassischen Matrixstrukturen über agilen, zu offenen und schließlich wertefokussierenden Netzwerken. Damit ändert sich auf dem Weg vieles, z.B. wird die Innen- und Außenkommunikation über alle verfügbaren Audio-, Video- und Emotio-Kanäle, genauso, wie die persönliche und individuelle Vernetzung über Fach- und Organisationsgrenzen hinweg immer bedeutsamer.
 
Eine große Herausforderung bei alledem ist, die Mixtur der Modelle auszuhalten. Der Versuch Interkompatibilität zu gewährleisten, ist für sich schon eine Herausforderung und erfordert viel Verständnis bei allen Beteiligten. Allerdings sehe ich bei Unternehmen die schon ‚ganz oben‘ angekommen sind, geboren aus deren Selbstverständnis von Toleranz und Respekt, dass es leichter fällt sich mit den anderen auseinanderzusetzen.
 
Das eigene Managementmodell auf diesen Entwicklungen vorzubereiten und die Schritte nach und nach anzugehen, ist auch selbst eine Form von Innovation – und aus meiner Sicht eine der wichtigsten, denn sie öffnet die Organisation für die „normale“ Innovation. Eine, das aber nur nebenbei, denn es würde jetzt hier wirklich den Rahmen sprengen, die mit der sich verändernden Rolle und dem Selbstverständnis der CxO’s sehr intensiv korreliert. Immerhin nehmen immer mehr Unternehmen zumindest diese „normale“ Innovation immer ernster. Rita McGrath und Alex Osterwalder, haben sich dazu in einem sehenswerten Video unterhalten.
 
Nicht zuletzt: Das Ganze ist keine exklusive Nummer für Konzerne oder den großen Mittelstand. Virtuecracy und Valuecracy sind auch und gerade in kleinen Unternehmen schon heute Thema, einfach, weil es sich dort natürlich auch leichter umsetzen lässt, eine entsprechende Denkweise in der Top-Führung vorausgesetzt. Am Ende sind es Entwicklungen, die tatsächlich alle, alle Unternehmen und alle darin Mitwirkenden sehr direkt, konkret und immer intensiver angeht. Also, wartet nicht, schaut euch um und fangt an die Schritte zu gehen!
 
So – wer soviel darüber schreibt, den hat natürlich auch selbst darin (s)ein Thema gefunden. Natürlich ist all das Teil der Entwicklungen, um einfach.besser.zusammen.zu.arbeiten.
Entsprechend sind organisationale Standortbestimmungen wichtige Elemente in meinem Portfolio. Dabei sind sehr unterschiedliche Perspektiven und damit Tools notwendig, um die Bandbreite an Themenstellungen und Anforderungen abzudecken. Das one-size-fits-all Werkzeug kenne zumindest ich noch nicht, weshalb ich auch einige selbst (mit) entworfen haben. Im Kontext Managementmodelle ist das ganz konkret der ManagementModelCanvas(den auch Alex Osterwalder kennt und als gute Ergänzung zum Business Model Canvas sieht) und eine Online Evaluation zum Status des Managementmodells (in dem Valuecracy allerdings noch fehlt). Wer sich dafür interessiert, bitte einfach per PN oder mail bei mir melden.
 
(S)einen Veränderungsweg ohne eine Standortbestimmung zu starten oder zu versäumen auf dem Weg dafür auch mal innezuhalten, ist aus meiner Sicht, als starte man die Navigation im Auto, ließe die Routenplanung machen und führe los, ohne zu wissen, wo das Auto steht und in welchem Zustand es sich befindet. Kann man machen, macht aber beim Autofahren interessanterweise niemand, der tatsächlich sicher und „in time & budget“ ankommen will. Beim Thema genutztes Managementmodell und dessen bewusster Weiterentwicklung sieht dies leider bislang ganz anders aus.

Raus aus den Krisen – hin zu mehr Mensch(lichkeit im Management)

Transformation mit (oder ohne den) „Birkenstock-Effekt“

“Zögern ist der Lohn der Angst, Hast, die Quittung für das Zögern. Bedachte Schritte sind es, die Angst, Zögern und Hast überwinden helfen.”
 
Immer mehr Unternehmen sind in der Dauertransformationswelt angekommen. Die kontinuierliche Weiterentwicklung egal, ob man es „loop approach“, der „Company rebuilding“, oder wie ich, es „Corporate CoRecreation“ nennt, es geht (idealerweise) gemeinsam, immer schneller, immer weiter. Soweit zur Theorie.
 
In der Praxis sind wir von diesem aktuellen Idealbild – selbst in der Filterblase, die sich hier versammelt hat, weil wir den Wert erkannt zu haben glauben – zum Großteil und im Wortsinn ‚furchterregend‘ weil entfernt. Wenn meine Umfragen (LINK) auch nur im Ansatz die Tendenz richtig widerspiegeln, ist der Weg noch immer extrem weit und teilweise nicht einmal ein Anfang gemacht.

Manager sind auch nur Menschen

Wie schon immer fühlt sich die Gegenwart unsicherer, schneller, dynamischer und komplexer an, als die schon gemeisterte Vergangenheit. Die gewohnte Verlässlichkeit der Zukunft hat uns im Stich gelassen. Planungen sind kaum mehr möglich, Vorbereitungen schwer zu treffen, weil wir den zukünftigen eigenen Weg nicht mehr gut genug abschätzen können. Die Zukunft erscheint strahlend wie eine Supernova und zugleich gefährlich wie ein schwarzes Loch.
 
Obendrein erwarten „alle“ von „ihren“ Top-Führungskräften, dass sie die Gegenwart UND Zukunft des Unternehmens sicherstellen, die Sicherheit erhöhen, Zuversicht vermitteln und Stabilität schaffen. Da fühlt sich so mancher wie im Spagat auf einem Hochseil, allerdings ohne das Bewusstsein dieses Metier zu beherrschen und mit ausreichend Mut und Zuversicht auf dem Seil agieren zu können. Schlimmer: Wer genau hinschaut, erkennt, dass an dem Mensch, der trotz allem den Spagat voll- und vorführt, alle diejenigen hängen, die sich in Bezug auf ihre persönliche Zukunft darauf verlassen (müssen), mitgetragen zu werden.
 
Kein Wunder, wenn man da etwas Verhalten agiert. Manager sind schließlich auch nur Menschen.

Was hat das alles mit dem „Birkenstock Effekt“ zu tun?

Nein, es geht hier nicht darum Sandalen des gleichnamigen Schuhherstellers zu benutzen, um auf dem Seil besser voranzukommen. Dennoch sind diese Namensgeber für den Effekt, der sich einstellt, wenn man beginnt das Seil (natürlich im übertragenen Sinn) in den Blick zu nehmen.
 
Die Bezeichnung stammt von meinem sehr geschätzten Kollegen Lukas Michel, der damit eine immer wieder auftretenden Entwicklung auf dem Weg in die Zukunft von Unternehmen bezeichnet, deren Auswirkungen man sich schon im Vorfeld bewusst machen sollte. (Insbesondere nutzt und erklärt es den Effekt immer in seinen sehenswerten Webwaren zum „Agilen Paradigmenwechsel“.)
 
Ein Transformationsbereich, dass heute in den meisten Organisationen zum (Change)Alltag gehört ganz natürlich Dauerthema werden muss ist… (Bitte einen gähnend langweiligen Trommelwirbel vorstellen) ganz klar: die Digitalisierung, Automatisierung bis hin zur Nutzung von AI, AR, VR und Big Data (d.h. den richtigen Fragen, um die Daten auch sinnvoll zu nutzen).
 
Wer sich damit befasst hat weiß, nach und mit der Digitalisierung verändern sich Strukturen und Prozesse, kurzum nicht nur das Betriebssystem in den Computern und Maschinen bekommt ein update, sondern das Betriebssystem des Unternehmens, die Regeln und Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit werden dabei, bewusst und (oft auch) unbewusst überarbeitet und an vielen Stellen neu definiert. Mit diesem Betriebssystem, dem für optimale Zusammenarbeit, wandelt sich die Kultur, dieses Gebilde aus Vorgaben (eben diesen Regeln und Rahmenbedingungen), der Exekutive (der „Führung“ die einerseits die Regelkonformität durchsetzen soll und andererseits den Menschen gegenüber steht) und den Menschen in der Organisation mit all ihren persönlichen Ansichten, Befindlichkeiten und Gewohnheiten.
 
Das Lösung(buzz)wort und -ansatz, um mit all dem umzugehen, ist „agiles Management“. Also Führung, die bereit und (be)fähig(t) ist, Anpassungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten zu antizipieren & erkennen und diese ins Unternehmen einzubringen. Doch das ist deutlich leichter gesagt (und geschrieben) als getan. Auf dem Weg dahin lauert so manche Stolperfalle, wie etwa eben jener „Birkenstock Effekt“.

Der kleine, große Schritt vom „Veränderer” zum „Befähiger“

Die Entwicklung, die Unternehmen auf dem Weg zu „mehr digital“ und damit „neuer Kultur“ und eben auch mehr „agiler Zusammenarbeit“ beschreiten, hat Lukas in 6 Stufen einer „agilen Reife“ differenziert. Nicht nach Lust, Laune, sondern, weil in den Analysen, die wir im Netzwerk von AGILITYINSIGHTS durchführen, immer wieder die gleich Muster auftreten.
 
Mit Blick auf das im Unternehmen (er)lebbare und gelebte flexible, kommunikative, zielgerichtete und anpassungsfähige (= agile) Miteinander, lassen sich immer wieder signifikante Unterschiede in Bezug auf den agilen Reifegrad, ausgedrückt in Parametern wie den Erfolg, dynamische Fähigkeiten, dem benutzen Managementmodell, der Art der Entscheidungsfindung sowie weiterer relevanter Aspekte und insbesondere die Korrelation zum faktischen Geschäftsergebnis identifizieren.
 
Auf dem Weg von „Widerspenstigen“ zu den „Pionieren“ einer neu gestalteten, systematisch verstandenen Zusammenarbeit, wird bei vielen der so untersuchten Unternehmen, eine markante Abweichung zwischen der Entwicklung der agilen Fähigkeiten und der Geschäftsergebnisse sichtbar – eben der „Birkenstock-Effekt“. Gerade, wenn der Wandel von der Kundenzentrierung der „Veränderer“ hin zur Menschenzentrierung der „Befähiger“ stattfindet, wenn es also nicht nur um die Kunden, sondern um die Menschen, die mit dem Unternehmen in Beziehung stehen, ganz allgemein geht, d.h. auch um Mitarbeiter, Investoren und alle anderen direkten Stakeholder, in diesem so kritischen Moment der Neuorientierung, wenn alle wie gebannt eine Performancesteigerung erwarten, fallen plötzlich die Geschäftsergebnisse.

Birkenstock Effekt

©2019 AGILITYINSIGHTS – Auszug aus dem Webinar “Der agile Paradigmenwechsel”

Was läuft da falsch?

Keine Frage, der Schritt weg von der absoluten Kundenzentrierung, der oft auch damit verbunden ist, neue Kennzahlen für die Zusammenarbeit zu finden und zu etablieren, der Schritt, der es erfordert, Prozesse und Strukturen neu zu denken, der Schritt, der für viele (auch und gerade für Führungskräfte) bedeutet sich nur zu orientieren, ist mit Aufwand verbunden.
 
Spannend, ist, dass er normalerweise nicht zu Umsatzeinbußen führt – auch wenn man sich augenscheinlich weniger um den Kunden kümmert (was in dieser Form ja gar nicht zutrifft – im Gegenteil!). Doch steigen in diesem Moment oft die (Transformations)Kosten in sehr subtilen Randbereichen.

Warum?

Was es zu bedenken gilt: Diese ersten Schritte gehen viele Unternehmen entweder (fast) alleine, in dem sie ausprobieren, was die Chefs und die Führungsetage im Austausch mit anderen, oder beim Stöbern in Büchern und Blogs an guten Ideen mitgenommen haben oder sie werden von Beratungskollegen, mit Wucht durch den Prozess geschoben – etwas, dass ich gerade aus größeren Unternehmen immer wieder höre. Fast immer als Klagelied und bislang nie als Jubelruf.
 
Im ersten Fall, wenn das Unternehmen viel alleine probiert, besteht die Gefahr in Dinge zu investieren, die zwar woanders zu funktionieren scheinen, aber für die eigene Organisation nicht passen. Nicht überall ist das „von oben“ angeregte “Du“ hilfreich, nicht immer sind es die Kickertische. Feelgood Manager brauchen genauso ein Umfeld, indem sie akzeptiert werden und etwas bewegen können, wie Sofas nicht überall geeignet sind, um die Kommunikation zu fördern. In der Spitze sind es dann die Obstteller und „Ökosandalen“ die helfen sollen, besser miteinander auszukommen. Kurz, es wird viel ausprobiert, ohne dass diese Maßnahmen sich tatsächlich auch positiv auswirken. In der Wahrnehmung, dass die Entwicklung noch nicht messbar ist, fehlt manchmal eben auch ein wenig Augenmaß gekoppelt mit gesundem Menschenverstand und gesundem Menschengefühl.
(Disclaimer: Während ich hier sitze und schreibe, habe ich auch solche Sandalen an 😉 )
 
Im zweiten Fall und ohne ins Bashing abzudriften: Wenn die Beraterkollegen hereingeholt werden, um das „XYZ“-Modell im Unternehmen zu etablieren (für XYZ denkt ihr euch bitte den aktuellen Trend, von ROWE, über Holokratie, Spotify und das was gerade sonst irgendwo aufpoppt), wenn die Tagessätze und auch die Erwartungen aller Beteiligten hoch sind, die Ergebnisse sind….. es nicht immer. Hier tragen (aus meiner bescheidenen Sicht) am Ende leider alle gemeinsam die Kosten, auch wenn es das einfacher macht, die Schuld auf den/die Berater zu schieben.

Von Ökosandalen und Sicherheitsschuhen

Andererseits: Natürlich muss es gerade in dieser Phase darum gehen, die bestehenden und altbewährten(?) Prozesse und Strukturen dahingehend zu reflektieren, wie sehr sie tatsächlich(!) zur Wertschöpfung beitragen oder inwieweit sie eine gute Zusammenarbeit eher behindern. Sicherheitsschuhe sind in bestimmten Bereichen einfach ein Muss, auch wenn Ökosandalen bequemer erscheinen.
 
Da kann es angebracht sein, mehr oder größere Kaffeeküchen einzurichten, es kann aber auch helfen Kaffeemaschinen abzubauen, damit die Kollegen sich öfter treffen. Es kann helfen, alle Hierarchien abzubauen, aber manchmal brauchen die Mitarbeiter mehr statt weniger führende Unterstützung. Und diese Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Diese Missinterpretationen der Schritte auf dem „richtigen Weges“ sind es, die große Teile des Effektes verursachen.
 
Ein sehr kritischer und bewusster Blick kann zwar nicht unbedingt den Effekt verhindern, er kann aber dafür sorgen, gerade wenn diese Themen offen diskutiert werden können, dass deutlich sensibler mit den Investitionen umgegangen wird. Agilität entsteht nicht durch die Gießkanne vermeintlicher Mitarbeitergoodies und eine optimale Zusammenarbeit hat nichts mit Sofaecken zu tun. Hier geht es viel mehr um die richtigen Herausforderungen und einen (selbst)bewussten Umgang mit Fähigkeiten und Befähigungen.
 
Und: Der Birkenstock-Effekt ist eine Gefahr für die Transformation, den er gießt Öl ins Feuer der Kritiker. Es lohnt auf dem Weg umfassend, systematisch, gemeinsam und bewusst zu betrachten, was auf der Ursachenebene die Situation verbessert, was als Placebo hilft Dinge zu akzeptieren und welche Symptome gar nicht erst bearbeitet werden sollten.
 
Ich wünsche euch jedenfalls auf dem Weg gutes Gelingen und die für euer Vorhaben optimale Unterstützung. Eine Aufgabe, die ich in ausgewählten Fällen auch selbst immer mal gerne übernehme. Denn am Ende spornt (auch mich) nichts mehr an, als das Leuchten in den Augen der Menschen, wenn Zusammenarbeit tatsächlich, leichter, einfacher und rundum erfolgreicher funktioniert.
 

Es wird Zeit für Fragen

Wenn früher, in einer nur komplizierten Welt die Zeit für Antworten war, dann ist heute, in einem stetig komplexeren, sozialen, technologischen, demographischen und gesellschaftlichen Umfeld jetzt die Zeit für Fragen gekommen. Denn die jeweils richtigen Fragen zu stellen, wird immer wichtiger, um zu guten Antworten zu kommen.
 
Einige der Fragen, mit denen sich Unternehmen heute befassen sollten, sind:

  • Wie geben wir den Menschen Freiheit und Raum, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln und einzubringen?
  • Wie schaffen wir den Rahmen für leistungsstarke Teams?
  • Wie gehen wir mit Leistung um, um unser Potenzial voll auszuschöpfen?
  • Wie sollten wir Arbeit gestalten, um die richtigen Talente zu gewinnen und zu halten?
  • Wie identifizieren wir überhaupt die Talente, die wir brauchen?
  • Wie können wir die Qualität und Geschwindigkeit bei unserer Entscheidungsfindung verbessern?
  • Wie organisieren wir uns, um eine qualitativ hochwertige Zusammenarbeit zu gewährleisten?
  • Wie können wir unsere Fähigkeiten nutzen, um bestmöglichen Lösung für unsere Kunden zu gestalten?
  • Wie können wir Prozesse und Strukturen auf weiter zunehmende Komplexität und Dynamik einstellen?
  • Wie können wir den ganzen Ballast abwerfen, der uns tagtäglich bremst?

 
Die Kernfrage, die sich jeder immer wieder jeden Tag stellen sollte, bleibt aber: Was hält mich ganz persönlich davon ab, den die beste mögliche Arbeit abzuliefern, die mir möglich ist? (Und wen brauche ich zur Unterstützung, um das optimale Arbeitsumfeld für mich zu schaffen?)
 
Eine erste Antwort ist offensichtlich: Die bisher genutzten Strukturen, Prozesse und Organisationsformen sind keine Lösung mehr. Sie waren die richtigen Ansätze in einer Zeit die kompliziert, aber eben nicht komplex war.
 
Jedoch, einen neuen, anderen Weg zu gehen ist schwierig, denn er erfordert ein fundamentales Umdenken, dass es in den letzten 100 Jahren in diesem Kontext nur in Ausnahmefällen gab.
 
Dennoch: Wenn die Dinge nur gedacht werden, dann könnten im Ergebnis Unternehmen häufiger werden, die ihre Organisationsform so wählen, dass ihren Mitarbeitern geholfen wird, ihre Ziele zu erreichen, Kunden zu begeistern und die Verantwortung für die Steigerung der Geschäftsergebnisse zu übernehmen und dazu das Unternehmen mitzugestalten.
 
Unternehmen, die auf nachhaltige Wirkung, statt kurzfristiger Erfolge und funktionsübergreifende Teams setzen, Unternehmen die ohne den ungeliebten Ballast einfach leichter agieren können. Unternehmen, die bei all dem und vor allem anderen, gelernt haben, welchen unglaublich positiven Effekt es hat ein positives Menschenbild und aufrichtige Menschlichkeit als Kernelement ihres Wertekanons zu besitzen.
 
Ich denke, es ist Zeit für mehr Fragen und klarere Antworten.