Donald Trump ist nicht nur ein Narzisst, sondern auch ein Meister der Verdrängung. Seit Wochen negiert er die Möglichkeit die Wahlen verloren zu haben – aus welchen politischen und persönlichen Gründen auch immer. Die Angst vor einer Niederlage, den eigenen Erwartungen nicht entsprochen zu haben, verhindert es, dass er den Realitäten in Angesicht des drohenden Niedergangs ins Auge blickt. Das hat nicht nur Auswirkungen auf ihn. Es wird wahrscheinlich die Spaltung der Gesellschaft weiter vorantreiben, die Kultur vergiften, die Auswirkungen der Pandemie verstärken und sich nachteilig auf die ökonomische, wie wohl auch ökologische und vor allem soziale Zukunft auswirken. Es ist lose-lose-lose Verhalten. Doch Trump steht damit nicht wirklich alleine da. Leider nehme ich auch in einer (zu) großen Zahl von Unternehmen wahr, dass es gegeben erscheint, insbesondere die „großen“ Veränderungsthemen auszusitzen, statt die Notwendigkeit eines Wandels anzuerkennen. Warum auch, noch sind viele Erfolgsgeschichten präsent und, wer wechselt schon das Pferd, solange es noch laufen kann? Aus der Sicht der Unternehmens- und Entscheidungsspitze gibt es ohnehin genug Themen, um die es sich zu kümmern gilt. Aufgerieben zwischen Firefighting und Strategieentwicklung, zwischen Kunden und Geschäftspartnern, zwischen Kosten und Investitionsentscheidungen, mit stetig wachsendem Erfolgs- und Handlungsdruck und abnehmenden Möglichkeiten sich zu fokussieren bleibt schlicht zu wenig freien Raum. Zudem belastet der stetige „kleine“ Change das Unternehmen ohnehin genug. Wer mit offenen Augen die Entwicklungen innerhalb und außerhalb vieler Unternehmen betrachtet stellt fest, dass der Veränderungsdruck an einer Stelle wächst, die für viele ein blinder Fleck zu sein scheint. Er ist so fundamental und umfassend, dass er zu mächtig erscheint, um real zu sein. Zugleich nagt er an den Grundfesten und ist in der Lage das Unternehmen ernsthaft zu gefährden.  Ein Veränderungsdruck, dem man nicht begegnen kann, indem man Kosten senkt, die Digitalisierung vorantreibt oder neue Geschäftsmodelle entwirft. Es geht nicht um das, was das Unternehmen macht oder wie man die Ergebnisse der Arbeit verkauft. Es geht darum, wie es gelingen kann gemeinsam, mit voller Kraft, an einem Seil in die gleiche Richtung zu ziehen, ohne sich gegenseitig zu behindern oder von Regeln und Strukturen behindert zu werden. Eine Veränderung, die weit mehr bewirkt an gute Zahlen, sondern die in einem guten Miteinander UND guten Zahlen resultiert, dabei aber auch das (eigene) Führungsverständnis, die (eigene) Führungsrollen und -struktur mit betrifft.  Und: Die Gefährdungslage nimmt sukzessive weiter zu. Ursache ist, dass entscheidende System immer weiter auseinander driften, sie sind nicht mehr synchronisiert. Schlimmer noch, sie haben sich so weit auseinander entwickelt, dass sie kaum mehr zueinander passen und die Inkompatibilitäten wachsen. Auf der einen Seite steht die Umwelt, das äußere System vieler Unternehmen, die jeden Tag globaler, technisierter, vieldeutiger, unsicherer, undurchsichtiger, dynamischer und anspruchsvoller wird. Auf der anderen Seite, das innere System der Unternehmen, die Regeln und Routinen, die Führung und Kultur, die die Art und den Erfolg der (Zusammen)Arbeit bestimmt. Es passt, je mehr es auf Planbarkeit, Struktur, Bürokratie, Zielvorgaben, Kontrolle und Weisung setzt, nicht mehr zu den Anforderungen von außen.   Natürlich spüren die Unternehmen, und vor allem die Menschen darin, dass die Dinge nicht mehr so rund laufen, sie reagieren darauf, indem sie das Regelwerk umgehen und sich neue Strukturen schaffen. Sie reagieren, indem sie das alte innere System nicht mehr für voll nehmen, doch selten reagieren sie, indem sie es offen sagen. Lieber wird das Theater weiter mitgespielt, lieber wird versucht den Anforderungen zu entsprechen, Reports zu schreiben, Entscheidungen ihren Weg schleichen zu lassen, auch wenn sie zu lange dauern und fachlich falsche Resultate liefern. Doch es gibt zum Glück oftmals Gegenbewegungen. Mitarbeiter:innen, die tun, was getan werden muss, damit der Laden noch halbwegs rund läuft. So manches Unternehmen wäre schon längst untergegangen, wenn sich die Mitarbeiter nicht so intensiv die Störungen und Behinderungen aus den Strukturen und Regelwerken umgehen und überwinden würden.  So wird „nur“ Energie und Potenzial verschwendet, so werden Prozesse und Strukturen bedient, damit diese etwas zu tun haben, es wird aus dem Vollen geschöpft, wo längst nichts mehr voll ist. So mancher objektiver, analysegestützter Blick offenbart da sehr skurile Handlungsmuster. (So soll es Unternehmen geben, die Agilität und Selbstverantwortung fördern und dennoch den jährlichen Zielvereinbarungswahnsinn beibehalten. Oder Unternehmen die Teams animieren innovativ zu sein, aber im Regelprozess über neue Projekte und die Ressourcen Top-down entscheiden. Es war halt immer so.  Doch diese Inkompatibilität lässt sich zum Glück beheben. Schön wäre es natürlich, das äußere System, die Unternehmensumwelt, wieder in seinen alten Zustand zurückzuversetzen. In sehr eng begrenzten Bereichen kann das gelingen, nämlich dann, wenn die abhängigen Kunden nur mit den Dingen beliefert werden, die unverändert schon lange erfolgreich waren. So mancher Monopolist, einzelne Verwaltungen und viele Drogendealer mögen sich dies leisten können, die Vielzahl der Unternehmen kann es nicht! Die andere Option ist, das innere System anzupassen, seine Adaptionsfähigkeit zu erhöhen, seine Strukturen von Ballast und Behinderungen zu befreien und Bürokratie zurückzufahren. So schön dies aus Sicht der, vom Theaterspielen überlasteten Mitarbeiter klingt, es hat seinen Preis! Der Preis ist ein Wandel, der an den Fundamenten rüttelt und die Gewohnheiten und Sichtweisen der Unternehmensspitze und Führungskräfte betrifft. Es ist ein Wandel, der unbedingt das ‚oben‘ mit einschießt, bei dem tatsächlich alle in einem Boot sitzen und der idealerweise sogar dort, ganz ‚oben‘, seinen Ursprung nimmt.   Eine solche Veränderung anzugehen ist schon ohne direkte, persönliche Betroffenheit für alle Beteiligten eine schwierige Entscheidung. Nur die ganz mutigen, und, ich behaupte, die ganz klugen Spitzenkräfte, trauen sich, einen solchen Schritt zu wagen. Die Entscheidung über einen Wechsel des Managementsystems- und -verständnisses ist, da wir die Zeit noch immer nicht zurückdrehen können, essenziell und auch zunehmend existenziell. Es ist eine Entscheidung, die Ruhe und Fokus braucht und eine, die nur ganz oben getroffen werden kann. Wer sich fragt, ob der Druck wirklich so groß ist, hier ein paar Fragen, die zur ersten Reflexion anregen können: 
  • Unterstützt das bestehende ‚innere System‘ die wachsenden Anforderungen des ‚äußeren Systems‘ an das Unternehmen (noch immer) (optimal)? 
  • Können die bestehenden Möglichkeiten und Potenziale zurzeit wirklich voll genutzt werden? 
  • Wie leicht fällt den Mitarbeitern, sich zu engagieren? Haben sie Raum frei zu handeln und zu entscheiden, haben sie Zugriff auf die dazu notwendigen Ressourcen?
  • Was steht der ggf. notwendigen Flexibilität des Unternehmens im Weg? 
  • Wie klar sind allen die Ziele und der Zugewinn an persönlichen Möglichkeiten, die Erfolge mit sich bringen? 
  • Wie viel Energie und Engagement ist zurzeit vorhanden? Wie viel könnte zusätzlich verfügbar sein?
  • Gibt es individuelle oder gem einsame ‚Flow’-Momente? 
  • Welche Konsequenzen hat es, wenn nicht versucht wird, das innere System wieder mit dem äußeren kompatibel zu machen?
Als Entscheidungshilfe kann es dienen, klar zu machen, wie man Leistung – sowohl als Managementleistung, wie auch als Unternehmensleistung – definieren kann. Ich mag die kurze, prägnante ‚inner game‘ Form des: „Leistung = Potenziale – Störungen“. Wer Leistung erhöhen will, dem steht zur Wahl die Potenziale zu erhöhen, die Störungen zu vermindern oder beides gleichzeitig zu tun. Macht man sich auf dieser Basis klart, wohin die Zukunft steuert, muss die Entscheidung mindestens lauten, das bestehende Managementsystem einer umfassenden Prüfung auf seine Zukunftsfähigkeit hin zu unterziehen. Wie gesagt, glücklicherweise gerät dieses Thema im Kielwasser der Agilitätsdiskussion immer mehr in den Mainstream. Es erhält die Öffentlichkeit, die notwendig ist, um die Bereitschaft für mutige Schritte zu erhöhen. Doch in dieser Wahrnehmung hetzen einige Unternehmen auch überstürzt in diese Entwicklung. Sie überspringen die Selbstreflexion und den so wichtigen Schritt einer objektiven Analyse, um gleich das Erfolgsmodell eines anderen Unternehmens zu kopieren. Natürlich ist es verführerisch und einfacher, wohldokumentierte Ansätze wie Holocracy oder das Vorgehen von Spotify nachzuahmen. Nur ist zu erwarten, dass viele dabei – wie schon zu oft geschehen – mit dem ‚Lehrbuch in der Hand‘ scheitern, weil das eigene Unternehmen eben doch so ganz andere Menschen und Probleme hat, als die Copy&paste Vorlage. Wer heute und zukünftig erfolgreich sein will, muss selbst klug handeln, die eigene Situation und die eigenen Möglichkeiten evaluieren und selbst daraus ableiten, welche Schritte als nächstes sinnvoll erscheinen.  Es geht darum einen eigenen Weg zu entdecken, gerne inspiriert durch den Erfolg anderer, gerne auch mit dem Zwischenziel erfolgversprechende Ideen auszuprobieren. Am Ende sollte aber immer das Ziel stehen, auf dem Weg den eigenen, besten Weg zu gehen und auf diesem Weg immer mehr zu lernen. Ist das eine Lösung für Trump? Wohl kaum. Er steht sich vor allem selbst im Weg. Ich halte ihn nicht für in der Lage, seinen Management- und Führungsstil in der Art zu öffnen. Wir werden sehen, wohin das führt.