Demographie – Damoklesschwert oder geheimer Treibstoff

Welche Richtung die demographische Entwicklung in Deutschland (-A-CH) in den nächsten 10 Jahren nehmen wird – insbesondere, was die „Arbeitsbevölkerung“ betrifft, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Die Geburtenrate sinkt und wir werden immer älter. Die Alterspyramide verschlankt sich.
Ultimative Sicherheit besteht, dass die nächsten 3.653 Tage (bzw. ca. 2.200 Arbeitstage) bereits ihren Schatten vorauswerfen, nicht nur auf nationaler und internationaler Ebene, sondern auch „in der Region“.

dempgraphie-statistik

Quelle: Statistisches Bundesamt, Berechnungen BIB, Interpolation 2025: Guido Bosbach


Ein Blick in die Statistik zeigt, dass in 10 Jahren der Bevölkerungsanteil der 20 bis 65-jährigen -also von denjenigen, die heute in der Masse die sog. Arbeitsbevölkerung stellen – um ca. 10% des heutigen Stands zurückgehen wird (konkret von von 56% auf ca. 51% der Bevölkerung).
Gleichzeitig bleibt der Anteil der unter 20-jährigen im wesentlichen stabil. Das heißt: Der Anteil der Alten – denen ich eine schöne und lange Lebenszeit wünsche – steigt in dieser Zeit bereits um 5%.
So fern und abstrakt diese Zahlen sind, sie werden aus Sicht mittelfristig orientierter Wirtschaft leider bitter. Denn wir sind damit global betrachtet in der Gegenbewegung zu einem fast globalen Jugendtrend. Gerade in den Schwellenländern – auch gerne nach den „big 5“ BRICS genannt (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) – sieht der Entwicklungstrend gerade ganz anders aus. Hier rücken viele Junge nach, die Märkte wachsen rasant, der Reichtum mehrt sich und die Unabhängigkeit von den, in mehrfacher Hinsicht „alten“, Industrienationen wächst. Knapp 5 Milliarden der in 2025 erwarteten 8 Milliarden Menschen auf unserem kleinen Planeten werden allein in Asien erwartet.
Und – oh Wunder – auch die Jugend dort ist aus technologischer Sicht uns alten Säcken hier meilenweit voraus. Die „alten Säcke“ meine ich natürlich nicht persönlich, mithin liegt aber Altersmedian in Deutschland bei ca. 46 Jahren (da liege ich noch drüber), in Indien dagegen bei 27. Und Facebook, Twitter, whatsapp und Co. sorgen auch für die Dauer-Online Kommunikation in den Händen junger, interessierter und engagierter Menschen, die auch auf diesem Weg neue Ideen und Innovationen entwickeln. Noch sind die USA hier führend, aber, wie lange noch?
Aber genug der Zahlen und der Klagen. Denn – es liegt an uns, ob wir uns in unser Schicksal fügen, oder etwas draus machen. Als Land der Dichter, Denker und Ingenieure haben wir es in der Hand unsere Erfahrung, kombiniert mit einem offenen und freien Blick auf neue Technologien, für echte Innovation zu nutzen.

Wie können wir der Demographie „begegnen“?

Wir könnten uns natürlich jetzt auf dem demographischen Loch ausruhen. Denn auch bei uns wird die Zahl der prekären, d.h. einfachen und damit extrem unsicheren Arbeitsverhältnisse durch die Nutzung autonomer Systeme und Automatisierung weiter schrumpfen. Nicht nur das die Taxen und LKW’s der Zukunft selbst fahren. Ganze Logistikzentren kommen schon heute fast ohne menschliche Arbeitskraft aus. Der Weg ist buchstäblich kurz vom vollautomatischen Logistikzentrum auf den autonom fahrenden LKW, der auch am Zielort automatisch entladen wird. Aber auch im Bereich der Müllentsorgung fuhren früher 6 Personen auf dem Fahrzeug mit – heute sind es oft nur noch 2 und es ist eine Frage der Zeit, wann auch diese autonom fahren.
Nur – auf diesem Weg ist dann keine einfache Arbeit mehr für uns Menschen. Alles keine Utopie, sondern nur konsequent die Technik von heute in kleinen Schritten weiter gedacht.
Doch was tun dann diese Mitten aus dem Berufsleben gerissenen Arbeitskräfte? Höherqualifizierung? Doch wohin „höher“?
Dennoch werden wir vereinzelt weiter Arbeitskräfte für (zu oft) unterbezahlte Tätigkeiten händeringend suchen, z.B. im immer dominanteren Bereich der Pflege und im frühkindlichen Erziehungsbereich (bis auch hier technische Unterstützung nicht mehr so weltfremd klingt).
Es geht leider noch weiter: Im Bereich der etwas anspruchsvolleren Tätigkeiten, die man gerne als „Sachbearbeitung“ bezeichnet, sieht es nicht wirklich besser aus. Automatisierungstechnik ist auch hier auf dem Weg (und hat zuweilen) schon Routineaufgaben übernommen. Jobs wie den des Datentypisten mag sich heute schon keiner mehr vorstellen, und wo früher diktiert wurde spricht man heute seinen Text direkt in den Rechner. Und warum Reisebuchungen und oder öffentliche Verwaltungen kompliziert sein sollten, werden sich Viele nicht erst in 5 Jahren fragen. Und wo früher Scharen von Anwälten Aktenordner und Kommentare zu Gesetzgebungen analysiert haben erledigt Software diese Aufgaben heute schon – schneller und besser.
In vielen Bereichen entlastet uns die Technologie und schafft damit Raum und Zeit anderes zu tun, vor allem in den Bereichen in denen ein hohes Maß an Problemlösungskompetenz und Kreativität gefragt ist.

Ein Webteppich von Lösungsansätzen

Aus der Perspektive des nicht aufzuhaltenden demographischen Wandels (denn auch Szenarien mit erhöhter Zuwanderung hochqualifizierter Fachkräfte bringen uns keinen Deut heraus aus diesem Dilemma), bleiben uns ein paar wenige Optionen, die vor allem gemeinsam Wirkung zeigen können.
Einer der aus meiner Sicht wichtigsten Punkte: „Weiterbildung“ bzw. „lebenslanges Lernen“. Wer glaubt dass nach dem Ende der Ausbildung das Ende des Lernen gekommen ist, wird immer schneller feststellen, dass dieses Ende, das freie Ende des Katapults raus aus dem Berufsleben darstellt. Wir müssen – jeder einzelne und auch im Rahmen jeder Organisation und darüber hinaus – lernen das Lernen zu einem immerwährenden Teil unserer Auseinandersetzung mit unserem Leben machen.
Dazu kommt einer der Megatrends: die „Silver Society“ wir werden nicht nur älter, wir altern auch anders. Gerade in Bezug auf den Wandel kann das bedeuten, auch länger im Beruf zu bleiben. Mit Blick auf das Rentensystem (in D) würde dies der Rente wohl gut tun.
Auf diesem Weg des langsamer, aber länger älter werdens, werden sich immer wieder die Aufgaben und Rollen – und damit die Arbeitsbeschreibungen verändern. Manchmal schneller, als wir nachsteuern können. Eine gewisse Offenheit seitens der Arbeitenden wie auch auf Seiten der Organisationen für solche„individual-„ oder „Mosaikkarrieren“ kann da manchem helfen, geeignete Mitarbeiter zu finden.
An der Stelle bringt sich ein weiterer Megatrend in die Argumentation ein: „Mobilität“ – die weiter um sich greifende Bereitschaft (nicht nur einen neuen Generation) sich räumlich zu verändern. Wobei diese oftmals mit der Anforderung an den Arbeitgeber verbunden ist orts- und zeitunabhängiger zu arbeiten. Hier braucht es mehr Offenheit auf Seiten der Organisationen, um diese jungen Potenziale für sich zu gewinnen. Und es braucht schnelle Investition in ebenso schnelle Infrastruktur, um hier nicht regional abgehängt zu werden.
Diese „neue“ mobilere Generation bringt dabei, wie zuvor schon so viele „neue“ Generationen auch neue Denkweisen mit und verändern so sukzessive die Gesellschaft. Ob dies neue Ökonomien sind, wie Shareconomy, Sinnwirtschaft oder auch „nur“ der bewusstere Umgang mit der Tatsache, dass wir heute aus Sicht der verfügbaren Ressourcen weltweit ca. 1,5 Planeten verbrauchen – und damit langfristig mehr als nur „auf Pump“ leben.
Um dies alles unter einen Hut zu bekommen, die so entstehende Komplexität meistern und die Dynamik aushalten zu können ist es ratsam die Struktur von Organisationen zu hinterfragen. Wie Gary Hamel, einer der US-amerikanischen Vordenker neuer Organisationsformen es so treffend ausdrückt: Wir arbeiten mit Technologien des 21. Jahrhunderts, Managementprozessen des 20 Jahrhunderts und Führungsgrundsätzen des 19. Jahrhunderts“. Zeitreisen aller Orten. Und vor allem Zeitreisen, die uns daran hindern die Zukunft zu gestalten.
Neue Organisationsformen könnten hier die Lösung sein, um die Potenziale und Energien der Mitarbeiter besser zu Tage treten zu lassen.
Um dies alles anzugehen braucht es allerdings vor allem Eins: den Mut um den Wandel aktiv zu gestalten. Denn der Kopf im Sand verhindert nicht nur einen klaren Blick – er vermindert auch die Sauerstoffversorgung im Gehirn.
Wir verändern uns – da sind die nächsten 10 Jahre nur kurz, aber der (entscheidende) Anfang. Wir tun gut daran uns auf neue (Gedanken-)Modelle einzulassen und zu reflektieren welchen Nutzen wir daraus ziehen können. Sonst stehen wir eines Tages da und stellen fest, dass die vermeintliche Trumpfkarte „alte Industrienation“ doch der Schwarze Peter war.