Der „Shareholder Value“, der Fokus auf den Investor als wichtigstem beteiligten am Unternehmen, versagt mit zunehmender Geschwindigkeit und massiven Auswirkungen als vorherrschende Unternehmensdoktrin. Grund ist die mangelnde Systemik- und Komplexitätskonformität und die u.a. der Digitalisierung geschuldete realitätsferne heutiger Börsenhandelssysteme. (1)
Der „Stakeholder Value“ als Nachfolgephilosophie hat Schwierigkeiten sich in den Unternehmen durchzusetzen, obwohl er Komponenten beinhaltet, die die Systeme aus dem Unternehmensumfeld deutlich stärker mit einbinden.
Gleichzeitig wächst die Notwendigkeit Unternehmen gerade auch im Kontext der mit ihnen in Beziehung stehenden Systeme zu betrachten, um mittelfristig mit der systemisch bedingt wachsenden Komplexität umgehen zu können.
Dazu hier eine kurze Betrachtung bestehender und etwaiger zukünftiger Modelle.
Shareholder Value (Fokus auf den Investor)
Zeithorizont: Seit 1986
Der starke Fokus auf den „Shareholder Value“ und den Nutzen von FinanzKPI, um den Wertbeitrag von Prozessen, Strukturen und vor allem Projekten und Produkten zu messen, beherrscht seit 30 Jahren das Börsen- und damit das Finanz- und Welt(wirtschafts)geschehen. Alfred Rappaports Fokussierung auf den Investor als herausragenden Beteiligten am Unternehmen stammt aus einer Zeit der langfristigen Investitionen, die ohne Algorithmen und Handelssysteme der heutigen Form funktionierte.
Die zunehmende Notwendigkeit systemtheoretischer Perspektiven (Umwelt, Gesellschaft) sowie der durch digitale Handelssysteme ausgehebelte direkte Kontakt zu der Masse der Investoren, sowie der immer kürzer werdende Investitionshorizont, überfordert das Modell.
„Stakeholder Value“ (Ausdehnung der Fokus auf alle Stakeholder)
Seit ca. 2000
Der Gedanke des Stakeholder Value ist bislang nur in wenigen Unternehmen vollends angekommen. Er besitzt Vorteile gegenüber dem Vorgängermodell, kann sich aber aufgrund des nicht direkt erkennbaren und in Zahlen fassbaren Nutzens gerade bei den nach (Finanz-)KPI geführten (Groß-)Unternehmen nicht durchsetzen.
Damit nehmen viele Unternehmen die Chance auf einen langsamen Entwicklungsprozesshin zu einem zukunftsweisenderen, weil systemik- und komplexitätskonformeren Modell nicht wahr.
Bis 2020 werden wir in einer Krise verharren, die vor allem durch die mangelnde Fähigkeit ausgelöst wird, mit den Folgen der Digitalisierung bewusst umzugehen (2). Der zunehmende Wunsch der Gesellschaft nach Transparenz, echter Partizipation, das größere Selbstbewusstsein der Stakeholder und das Bewusstsein, dass die bisherigen Systeme zunehmend versagen, sind einige der Auslöser. Diese Krise hat bereits begonnen, ist umfassend und bringt viele Unternehmen, Staaten und Gesellschaften an den Rand ihrer Überlebensfähigkeit. Andererseits ist sie notwendiges Übel, um die für den Wandel notwendigen Kräfte und den Willen dazu zu entwickeln.
„Network benefit“ (Fokus auf Vorteil (gemeinsamer) Netzwerke – Physische, virtuelle und Personennetzwerke)
Zeithorizont: 2020 – 2030
Der Aufbau funktionierender Arbeits- und Kontaktnetzwerke beschäftigt die Menschen weltweit auf individueller, wie auch organisationaler Ebene. In beiden Bereichen bietet das Verständnis und das Handeln im Sinne eines kooperativen „network benefit“ wesentliche Vorteile, insbesondere bei dem Versuch die vorhandenen Ressourcen sinnvoll zu nutzen und möglichst vielen Menschen das Angebot machen zu können einer zufriedenstellenden Arbeit nachzugehen.
„Human benefit“ (Fokus auf den Menschen innerhalb und außerhalb des Unternehmens)
Zeithorizont: ab 2030 – 2040
Nach dem Fokus auf Netzwerke – und damit insbesondere auch dem Aufbau großer, weltumspannender Echtzeit Produktions-, Kollaborations- und Kommunikationsnetzwerke, inklusive der Übermittlung von Emotionen, werden wir den Nutzen weniger in der Optimierung der Ressourcennutzung, als in der weiteren Verbesserung der Lebensbedingungen aller Menschen sehen, auch z.B. um neue Kriege zu vermeiden. Wir können Emotionen in Echtzeit messen und damit in lokalem, regionalem und globalem Kontext visualisieren. Diese weiter intensivierte Kommunikation hat für deutlich größere Transparenz in Bezug auf die Lebenssituationen geführt.
„Environmental benefit“ (Fokus auf das Überleben der gesamten (Um-)Welt)
Zeithorizont: ab 2040
Wir haben verstanden, dass die Komplexität der Zusammenhänge aller Systeme auf dem Planeten Erde ein erneutes Umdenken erfordert. Der Mensch als Zielsetzung reicht nicht mehr aus. Wir verstehen, erkennen und (vielleicht) erstmalig umsetzen können, dass wir alle mechanischen, biologischen und digitalen Systeme im Gesamtkontext betrachten müssen. Dies umzusetzen wird ein gemeinsames Vorgehen aller (Organisations-)Strukturen erfordern.
 
P.S.: Ich nehme im Text technologische Entwicklungen vorweg, die noch nicht absehbar aber durchaus denkbar sind.
Was denken Sie? Wo geht die Reise hin?


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Diesen Blogartikel habe ich am 11.01.2016 zuerst auf LinkedIn Pulse veröffentlicht.
Quellen:
(1) Malik, Fredmund (2015): Navigieren in Zeiten des Umbruchs. Die Welt neu denken und gestalten. Frankfurt am Main: Campus.
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(2) Eddie Obeng. TED Vortrag zu „World after midnight“
https://www.ted.com/talks/eddie_obeng_smart_failure_for_a_fast_changing_world?language=de
Bildquelle: pixabay.com