Manchmal sind es die kleinen Dinge, auf die wir achten sollten, weil sie großes bewirken, im positiven, wie im negativen. Oft genug sind es dabei Worte, Bilder und Taten, die rational und emotional einen Unterschied ausmachen. 
 
Für mich ist ein solches Wort „Fehlerkultur“. Wenn ich den Begriff höre, stellen sich mir automatisch die Nackenhaare hoch. Nicht, dass ich keine Fähler machen würde und deshalb darauf so heftig reagiere. Im Gegenteil, auch mir passieren zu oft Dinge, die ich gerne vermieden hätte. Einige sind Fehler, andere Irrtümer. Beide sind gut, denn sie helfen mir entweder meine Aufmerksamkeit zu schärfen oder sie gestatten mir, meine Annahmen zu überdenken und daraus zu lernen.
 
Was mich aber noch mehr auf die Palme bringt, als eine häufig fehlende Differenzierung und damit verpasste Chance zur Reflexion, ist, dass der Begriff allein schon schlecht gewählt ist.
 
Ich habe – ohne hier zu tief zu bohren – Wikipedia zu Hilfe genommen, um mehr über die unterschiedlichen Auslegungen des Begriffs zu erfahren. Siehe da, allein hier sind 4 stark unterschiedliche Interpretationen und damit auch Ansätze für „Fehlerstrategien“ aufgeführt: 

  • Pädagogen bezeichnen mit einer konstruktiven Fehlerkultur …  das Lernen aus Fehlern stattfindet.
  • Qualitätsmanager verstehen unter einer optimalen Fehlerkultur vor allem Fehlervermeidung….
  • Innovationsmanager hingegen streben nach Neuerungen und betrachten Fehler als Chance. Darum treten sie für eine starke Fehlerfreundlichkeit ein….
  • Vertreter der Lernenden Organisation sprechen demgegenüber vor allem von Fehleroffenheit und innovativem Lernen….“

 
Also, sucht euch etwas aus. 
 
Neben dieser „Unschärfe“, die der Begriff offenbar ohnehin mitbringt, irritiert mich jedoch ein ganz anderer Punkt noch deutlich mehr. Das Wort „Fehler“ ist, bei all den positiven Ableitungen die in den obigen Begriffsdefinitionen herangezogen werden, zunächst bei den meisten negativ besetzt. „Fehler“ sind für viele nichts, was positive Gefühle weckt. Früher konnten Fehler deutlich häufiger als heute tödlich sein. Die Schlange für einen Stock zu halten war (und ist) gefährlich. Dennoch, und auch, wenn die Zahl der ggf. tödlichen Begegnungen mit Schlangen in Mitteleuropa stark gesunken ist, haben Fehler weiterhin keinen guten Ruf. Vom Kindergarten bis in den Beruf sind Fehler, tief in unserem Bewusstsein und Unterbewusstsein, ganz einfach nur SCHLECHT.
 
Mit der Idee des „fail fast, fail often“, die ja oft genug mit einer „Fehlerkultur“ gleichsetzt wird, kommt eine weitere kritische Komponente hinzu. Die Wahrnehmung, ja manchmal eine gelebte und gepflegte Kultur der Kurzfristigkeit. Beim „schnell scheitern, oft scheitern“ geht es im Grundsatz darum, schnell Feedback zu erhalten, um so Folgefehler und die damit verbundene Ressourcenverschwendung oder ggf. schwerwiegende Folgen zu vermeiden. Idealerweise sind dabei redundante und modulare Einheiten am Start, deren fehlerbedingter Ausfall durch eine parallel arbeitende Einheit ausgeglichen werden kann. Im Scrum Kontext bedeutet „fail fast, fail often“ das Feedback zu nutzen, um per „inspect & adapt“ die Entwicklung anzupassen – allerdings oft auch ohne redundanten, modularen Ersatz bereitzuhaben.
In jedem Fall müssen Analysekompetenzen und Strukturen aufgebaut werden, um die Fehler zu erkennen. Vor allem aber braucht man Ruhe in der Analyse sowie Zeit und Raum für neue Iterationen. Wichtig ist also nicht die Geschwindigkeit, sondern die Offenheit sehr transparent und sichtbar zu scheitern UND daraus zu lernen. Wer dies vergisst, läuft Gefahr, dass kreatives oder kritisches Denken auf der Strecke bleibt und kein Raum bleibt, um zu vernünftigen, durchdachten Lösungen zu kommen.
 
Meine Alternative zur „Fehlerkultur“ ist „Lernkultur“. „Lernen“, so wie es wohl die meisten verstehen, erfordert Ruhe, Raum und Zeit. Es braucht Wiederholungen und, ja auch: Fehlschläge. Lernen bringt noch mehr, wenn es sich bei den Fehlschlägen nicht um Fehler handelt, also Ergebnisse, die nicht beabsichtigt waren oder fahrlässig geschehen sind, sondern um Irrtümer. Irrtümer entstehen, wenn wir Dinge durchdacht haben und die Ergebnisse am Ende eben doch nicht unseren Erwartungen entsprechen, wenn also eine der Grundannahmen falsch war und geändert werden muss, um zu einem besseren Ergebnis zu kommen. 
 
Mit dem Reflektieren, dem Nachdenken über Ursachen und Entwicklungen, mit einem Fokus jenseits der reinen Symptombetrachtung, mit den daraus ermöglichten Erfahrungen, werden aus Fehlschlägen Lernchancen. 
 
Gelingt es dieses Denken, dieses Selbstverständnis in Organisationen zu etablieren, entsteht eine Lernkultur, in der man negative, wie auch positive Erfahrungen teilt, um diese Erkenntnis in der Gruppe und für das Unternehmen zu nutzen.   
 
Manchmal sind es, wie das Wort „Fehlerkultur“, die kleinen Dinge auf die es zu achten lohnt, aus der Beob-Achtung heraus, großes in Gang zu bringen. Von diesen Worten gibt es viele in unserem Geschäftsalltag. Manche nehmen wir bereits bewusst wahr, andere haben ihren ursprünglichen Sinn längst eingebüßt und wie nutzen sie für Bullshit-Bingo. Einige kommen subtiler um die Ecke, wie etwas „Personalkosten“ oder „Humankapital“ und „Human Resources“. 
 
Gerade solche Ausdrücke fordern dazu auf, bewusster hinzuhören, bei Bildern hinzuschauen und bei dem was wir oder andere Tun, zu reflektieren. Wenn es uns gelingt, die Dinge zu erkennen führt dies mitunter schnell zu kleinen Veränderungen und dem, was (fast auch schon ein Bullshit-Bingo Begriff) wir „work-hacks“ nennen. Änderungen im Arbeitsalltag, die Zusammen.Arbeit einfacher und leichter machen.
 
Wenn du mehr darüber erfahren willst, wie man, zum Beispiel auch mit dem „CoRE-Wheel“, solche Themen an die Oberfläche holen kann, dann schick mir eine PN oder mail.
 
Wenn du tiefer in die Vor- und Nachteile, in die Ansätze und Hemmnisse im Kontext „Fehlerkultur“ eintauchen möchtest, dann hol dir die Zugangsdaten zu unserem nächsten, wieder interaktiven, freiKopfler-webinar am 20.11.19 um 15:00. Wir werden den Begriff und unsere Wahrnehmungen dazu unter die Lupe nehmen, ihn freier denken und sind insbesondere auf Deinen Input dazu gespannt.