Ganz offen und frei gesagt: Ich habe keine Lust mehr auf Zeitreisen! Ich habe keine Lust mehr ständig zwischen den Ansätzen, Konzepten und Projekten mit Fokus auf die Zusammenarbeit von Menschen (und Maschinen) in der Zukunft auf der einen Seite und der verstaubten sogenannten “Realität” in vielen Unternehmen auf der anderen Seite hin und her zu wandern. Ich bin es Leid zu hören, dass man das so uns so macht, und es halt „aus Gründen“ anders nicht geht. Und das die Grundsätze nichts anderes zulassen… und überhaupt, es halt so ist, wie es ist.
 
Hören Sie auf damit! Realisieren Sie, dass die Zukunft immer schneller zu unserer Gegenwart wird. Realisieren Sie, dass die Zeit auf stabile klare Konzepte für den Wandel zu warten kein zielführendes Konzept ist. Realisieren Sie bitte endlich, dass sie den neumodischen Scheiß tatsächlich jetzt mal starten müssen.
 
Und entschuldigen Sie, falls Sie sich angegriffen fühlen, obschon sie längst auf dem Weg sind. Ich musste das jetzt einfach mal klar schreiben.
 
Denn: Sie, wir müssen alle in und an der Zukunft arbeiten – unserer persönlichen und – sofern Aktionäre oder Eigentümer von Unternehmen oder Führungskräfte in einem Unternehmen unter den Lesern sind – an der organisationalen, gemeinsam Zukunft.
 
Die Krux ist: Zukunft sieht heute – anders als wir es gewohnt sind – immer schneller ganz anders aus. Sie wird immer schneller zur Gegenwart. Wir leben in einer Zeit der Übergangstechnologien, die uns immer neue Konstrukte und Ideen vor die Nase setzt. Dinge die es gestern noch nicht gab und die es morgen so nicht mehr geben wird. Und, Sch…. ja, wir müssen irgendwie heute schon lernen damit morgen zurecht zu kommen!

Es geht gar nicht um Technik!

Die Zukunft hat zwar ganz viel mit Technik zu tun – mehr noch hat sie aber mit uns Menschen zu tun. Es geht also um kompliziertes und komplexes. Es geht also um etwas, dass wir gut kennen, und etwas, mit dem wir gelernt haben umzugehen.
 
Kompliziertheit haben wir zum Beispiel in Unternehmen domestiziert. Vor zum Teil hunderten Jahren haben unserer Vorfahren Organisationsstrukturen geschaffen und diese mit wirksamen Filtern in Form von klar definierten Schnittstellen und Prozessen umgeben, s.d. von der komplexen Welt außerhalb der Systeme immer nur kompliziertes ankam. Kompliziertes, mit dem man umgehen konnte, indem man es plante, strukturierte und managte.
 
Das ist der Teil, mit dem wir gelernt haben umzugehen, spätestens als wir in die Schule kamen. Wir haben gelernt uns den Strukturen und Abläufen zu ergeben, auch wenn wir immer wussten, dass die Aufteilung in Fächer und Fachabteilungen mit dem echten Leben nichts zu tun hat. Ich zumindest kenne keine Situation im realen und Geschäfts-Leben, die sich durch EINE Abteilung, (oder EIN Schulfach) alleine bearbeiten oder erklären ließe. Immer müssen wir Dinge verknüpfen, die wir in Unternehmen zuvor fein säuberlich – und manchmal schwierig – getrennt haben.
 
Mit dem anderen, dem Komplexen, sind wir von klein auf aufgewachsen. Unser Umgang miteinander, mit einzelnen, mit Gruppen, mit Menschen die wir mögen und anderen die wir nicht mögen, unsere Kommunikation mit Worten, Gesten und Kulturelementen, bis hin zur Natur die uns umgibt – das alles ist komplex. Das ist nichts Neues für uns. Es ist unser ganz natürlicher Lebensraum
 
Doch etwas anderes in Neu. Neu ist, dass diese Komplexität sich jetzt einen Weg in diese schönen, einfach komplizierten Organisationen bahnt.

Was heißt das jetzt ?

Es heißt, dass plötzlich viele Unternehmensführer und -lenker zunehmend in und an Themen arbeiten müssen, an denen sie bislang (fast) nie schrauben mussten. Themen, die nie im Fokus standen. Themen die ungewohnt und neu sind. Themen wie Management Design, neue Entscheidungsstrukturen oder Transparenz oder Partizipation. Themen die tiefgehende Veränderung, Bewusstheit und neues Bewusstsein erfordern, die Persönlich(-keit) angreifen, die Unsicherheit schaffen, die damit in letzter Konsequenz auch krank machen können. Das auch, weil es bedeutet sich selbst klar zu machen, dass die Kontrolle entgleitet und dass man – nicht zuletzt – auch ein wenig dem Zufall Raum geben muss.
 
Es bedeutet für viele gestanden Manager – und das schreibe ich nicht um sie hier zu verunglimpfen, sondern ganz bewusst um Verständnis für deren Situation zu wecken – den SuperGAU. Die „Digitale Transformation“ wird – soweit dies absehbar ist – die sozialen Gefüge in Unternehmen in einem Maß über den Haufen werfen, wie keine andere Maßnahme, die heutige Manager in ihrem Arbeitsleben bislang erlebt haben. Was auf uns zukommt ist noch nie da gewesen. Gleichzeitige, weltweite, technische und unternehmenskulturelle Umwälzungen dieses Ausmaßes hat bislang nicht einmal Roland Emmerich in seinen Filmen thematisiert.
 
Es gilt „plötzlich“, jenseits der Kontrolle und Planung von Kennzahlen, neue Ideen und Konzepte zu grundsätzlichen Strukturen, zur Gestaltung von Unternehmen und derer Betriebssysteme zu verstehen, zu bewerten und darüber in einem Ausmaß und mit einer Konsequenz zu „entscheiden“, wie es die allermeisten nicht kennen. Woher auch?! Das was da gerade kommt konnte niemand irgendwo studieren oder lernen. Es ist Neu, Neu, Neu, Neu! Für alle!
 
Und damit herrscht zur Zeit vor allem eines vor: Überforderung mit der Situation, die von der Schockstarre bis zum Abwarten und Tee trinken viele Reaktionen auslöst.
 
Das nicht nur bei den Führungskräften und Investoren, sondern genauso bei den Mitarbeitern, denen noch ganz anders Angst und Bange wird, weil sich die Horrorstories zu später oder schlecht gemachter Transformationen schnell herumsprechen. Schneller jedenfalls aus die guten Nachrichten, die es zu dem Thema auch gibt.
 
Dabei – und das ist spannend – ist das Thema immer mehr im „Mainstream“ präsent. Brandeins widmet dem Bereich „Neue Arbeit“ ein (fast) komplettes Heft, die deutsche Bundesregierung hat als Diskussionsgrundlage ein Weißbuch zu „Arbeiten 4.0“ herausgebracht und immer wieder stellen Studien fest, wie wenige Unternehmen gut vorbereitet sind.
 
Auch an Universitäten ist „neues Arbeiten“ längst ein wichtiges Forschungsthema oder wird bei Veranstaltungen wie dem heute stattfindenden „LeadershipTag“ der Hochschule St. Gallen von einer der ständigen Top-40 im Personalwesen Prof. Dr. Heike Bruch unter dem Titel „Arbeitskultur 4.0 – Europäische Erfolgsmodelle und Trends“ in den Fokus gerückt.
 
Immer also, sprechen und schreiben immer mehr Menschen und Medien über diese (dennoch weiterhin) recht unbequeme Wahrheit.

Wie soll und kann man reagieren?

Ich gebe zu, ich habe oben nicht die gesamte Wahrheit über Komplexität geschrieben. Denn der Umgang mit komplexen Strukturen – mit immer mehr Wissen, Information und immer schnelleren Abläufen fordert nicht den Einzelnen. Er (er-)fordert Gemeinschaften und Teams. Er erfordert ein neues Verständnis für Zusammen&Arbeit. Eines, dass darauf beruht, dass wir das Gleiche wollen und uns in Strukturen zusammenfinden, die Vielfältigkeit leben und die Mehrdeutigkeit durch unterschiedliche Perspektiven „bearbeitbar“ machen. Kurzum, wir müssen weg von fachlichen Silos und eindimensionalen Ansätzen, mitten hinein in interdisziplinären Denken und Handeln.
 
Was wir „Neue Arbeit“ bezeichnen, der Versuch der Komplexität mit Agilität zu begegnen, baut im Kern darauf auf, dass Menschen sich erlauben ihre Situation Selbst&Bewusst zu betrachten. Er lebt davon, das wir aus den selbst gezimmerten goldenen Komfortzonenkäfigen ausbrechen, bevor diese untergehen. Er lebt davon, dass wir jenseits des 8 Stunden Arbeitstages (Lesen Sie bitte – vor allem als Wissensarbeiten „8 Stunden Arbeitstag“ nochmal ganz langsam und bewusst – ich muss dabei immer lachen…) in Präsenztempeln (die wir Büro nennen), uns eine neue, höhere Arbeits-, Lebensqualität und – ja, das vor allem auch – Führungsqualität erlauben.
 
Das Problem: Bei all den tollen, neuen, idealistischen Überlegungen fährt uns unser kollektives und kulturell verankertes Sicherheitsbedürfnis voll in die Parade. Es hält uns im und am „längst bewährten“ fest, ohne zu erlauben es in Frage zu stellen und vom dem Hohlweg abzubiegen.
 

„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ (Albert Einstein)

Also dann, Augen zu und durch oder wie? 

Wir könnten – und ganz ehrlich, ich glaube auf dem Trip sind wirklich viele – jetzt loslegen und mit den alten Mustern versuchen Neues zu erzeugen. Wir könnten die bekannten Change-Management Muster nutzen, um endlich ein klein wenig mehr Digitalisierung ins Unternehmen zu bringen – und dabei irgendwie auch den schlecht fassbaren sozialen Teil mit abfrühstücken. Wir könnten einfach mal vergessen, dass die alten Konzepte für den Umgang mit komplizierten Systemen gebaut waren und dass sie in komplexen Umfeldern zum Scheitern verurteilt sind.
 
Andererseits – Wer so vorgeht macht schließlich nach klassischer Denke nichts falsch, denn immerhin gelingen ja auch heute noch 20% der Change Projekte – das 80% nicht erfolgreich abgeschlossen werden, kann man ja nicht ahnen – zumal das eigene… ach, Sie wissen ja, was ich meine…. Die Karriere scheint jedenfalls gesichert! Ein Experiment zu wagen und Veränderung anders zu sehen und zu leben ist da – als bewusstes Wagnis – schließlich jenseits des gemeinhin akzeptablen.
 

Lieber mitten durch die Eisberge – schließlich galt das Schiff ja bislang als unsinkbar.

 
Ich würde es gerne anders formulieren – aber es fällt mir langsam nichts anderes mehr ein als

  1. Klar kann man das so machen, aber dann ist’s halt Ka..e.

und
2. auch wenn Sie diese „neue Art der Zusammenarbeit“ für großen, unausgegorenen, gefährlichen Mist halten – es ist der beste Mist den man mit Blick auf die Zukunft gerade tun kann.
 

„Einige der wichtigsten Innovationen entstehen nicht durch neue Technologien, sondern durch andere Arten zusammen zu arbeiten und Arbeit zu organisieren!“ (Thomas W. Malone, MIT)

Zum Schluss mal gute Nachrichten

Was mich selbst immer verblüfft ist, dass die meisten Unternehmen, die sich mit diesem „neuen Zeugs“ zu neuen Arbeitsformen aufgemacht haben, dies ohne die Hilfe von Beratern getan haben. Viele haben sich so auf den Weg gemacht – einfach, weil die klassische Beraterwelt ihnen keine adäquaten Angebote jenseits der Schubladenkonzepte machen konnte und weil sie andererseit feststellen mussten, dass sie ohne Veränderung so nicht erfolgreich weiterarbeiten konnten und wollten. Sie haben dabei ihre Scheuklappen abgelegt, sich umgeschaut und versucht gemeinsam Schritte zu identifizieren, die sie in eine gemeinsame Zukunft führen konnten. Oft aus der Krise geboren – manchmal (und das wünsche ich allen) aus einer zukunftsgerichteten Reflexion und Erkenntnis heraus.
 
Doch – nicht allen fällt das leicht, darum möchte ich auch meine Zunft der „Anti-Berater“, der professionellen Hofnarren und Impulsgeber hier (trotz der damit verbundenen Eigenwerbung) bewusst als „Lösungsansatz“ ins Feld führen.
 
Denn: Es gibt sie, die an der Entwicklung einer neuen Arbeitswelt tatsächlich (und schon fast verzweifel(n)t) interessieren „Anti-Berater“ neuen Typs, die wie die Bewohner eines wohlbekannten kleinen gallischen Dorfes mit dem Zaubertrank zeitgemäßer Konzepte zwar einzelne Organisationen zu „retten“ versuchen, aber sich dennoch auch immer wieder der Übermacht klassisch verhafteter und verharrender „Römer“ gegenüber sehen.
 
Sie wissen, sie können nur den wenigen helfen, die bereit sind sich aktiv auf den Weg in Richtung ihres Dorfes zu machen. Ihnen ist auch klar, dass der Zaubertrank nicht für alle geeignet ist und zudem immer wieder organisationsindividuell angepasst werden muss. Sie wissen, dass ihre Kraft nicht reicht, um den Wirtschaftsstandort in sinnvoller Zeit in seinem Tun und Treiben auf einen Status Quo zu heben, der es erlaubt gut vorbereitet in die weitere Zukunft zu blicken und zu starten. Dennoch – auch wenn es wenige sind – sie sind die unbeugsamen, die alles daran setzen, die Welt (im kleinen) zu verändern, um am Ende ein befreites, zukunftsfähiges Gallien vor sich zu haben.
 
Doch im Kern geht es nicht um einen Zaubertrank. Im Kern geht es „nur“ darum dass jeder – und ich meine wirklich jeder – sich klar macht, wie sein Job, seine/ihre Arbeit in 5 Jahren aussehen wird, wenn doch heute schon 3D-Drucker Häuser bauen, sich ganz neue Mobilitätskonzepte abzeichnen, Roboter auf einem „Bein“ Hindernisse überspringen und Software schon Vorstandsposten besetzt.
Das Neue wird uns alle im Job ein- und hoffentlich eben nicht überholen.
Es geht darum SELBST-BEWUSST zu SEIN und die eigenen Glaubenssätze und Haltungen in Bezug auf die eigene Arbeit und die persönliche Veränderungsbereitschaft, -fähigkeit, -befähigung und den -willen zu reflektieren.
Wenn Sie Zweifel haben, blicken Sie nur kurz auf ihr Smartphone. Das gab es vor 10 Jahren so nicht und es wird in (ich schätze mal) spätestens 5 Jahren in dieser Form verschwunden sein.
Die Halbwertzeit von technologischen Ideen verkürzt sich noch immer, immer weiter. Die Uhr tickt quasi schneller – zumindest schneller als wir alleine mithalten können.
Es ist tatsächlich Zeit den Sch…., der damit auf der sozialen und unternehmenskulturellen Ebene entsteht, anzusehen und ihn und vor allem uns mit ihm, zu verändern. Es ist Zeit die alten mentalen Modelle, die uns bestimmen anzuschauen. Es ist Zeit raus zu kommen und der Zukunft ins Gesicht zu sehen.
Und wie arbeiten Sie in 5 Jahren? 
 
P.S. Meine regelmäßigen Leser (auch in meinem Blog) wissen, dass die hier genutzen Ausdrucksweisen eher nicht meinem Standard entsprechen. Dafür entschuldige ich mich! Manchmal muss es einfach so aus mir raus, wie ich es fühle…