Die meisten, die es wagen ihren Kopf vom Arbeitsalltag zu erheben, zucken zusammen und ducken sich wieder weg. Zu unklar, zu wenig erkennbar, sind die prognostizierten Auswirkungen, die die Digitalisierung und die Veränderungen der Arbeitswelt mit sich bringen. Zu prägnant ist das „muss“, zu wenig sichtbar sind die Chancen.
 
Während die Mitarbeiter auf den „unteren Ebenen“ eine grundsätzliche Angst um ihren, in vielfältiger Weise durch Automatisierung und künstliche Intelligenz bedrohten Arbeitsplatz plagt, plagen „die da oben“  und die „im Sandwich“ zusätzlich andere Sorgen.
 
Gerade die Ebene der zugleich weisungsempfangenden und weisungsbefugten Führungskräfte, deren Aufgabe und Rolle es bislang war Arbeit zu verteilen, Leistung zu kontrollieren und Kommunikation aufrecht zu erhalten, tun sich schwer damit persönlich befriedigende Entwicklungswege raus aus der Push-Rolle hinein in das zu sehen, was mit „Leadership“ umrissen wird. Kein Wunder, schließlich bedeutet der Wechsel von „push“ zu „pull“, vom Druck zum Sog, eine Umkehrung der Logik, die zuweilen tief in die Selbstsicht eingreift.
 

Was wollen wir eigentlich mit und von der Arbeit? 

Um Lösungs- und Entwicklungsrichtungen zu identifizieren lohnt ein kurzer Blick darauf, was Arbeit eigentlich ist, wozu sie dient und was wir durch sie erwarten.
 
Die erste Antwort, die wir seit Menschengedenken mit uns herumtragen ist, dass Arbeit dem Broterwerb dient. Dies ist auch heute für viele in prekären Arbeitssituationen der Antrieb, die knappe Ressource Lebenszeit Tag für Tag mit Dingen zu verbringen, die weit weg sind von der Erfüllung „großer sinnerfüllter Sehnsüchte“. Gerade am „unteren“ Bildungs- und Kompetenzspektrum reicht heute ein Job kaum mehr, um den Lebensunterhalt, insbesondere für Familien, lebenswürdig zu gestalten.
 
Auch im Bereich der besser gestellten ist Arbeit, das zeigt Gallup jedes Jahr, deutlich mehr Last als Lust. Vom „ora et labora“, über die protestantischen Arbeitsethik, bis in die Gegenwart unserer Sozialisierung – beginnend in Kindergarten und Schule – durchzieht die Pflicht zu arbeiten unsere Wahrnehmung. Dabei kann Arbeit durchaus auch etwas Positives bedeuten. Arbeit kann (und sollte) dazu dienen (können), Zufriedenheit zu geben, Selbstbestätigung zu erhalten und persönlichen und gemeinsamen Erfolg zu bewirken. Arbeit kann den Sinn in der Fokus rücken, und sie muss dies, wenn wir in die Zukunft blicken, immer mehr.
Die „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“ Logik der Sparkassenwerbung greift insbesondere für die „neuen“ Generationen, also die, die in der Fülle der Möglichkeiten statt im Mangel aufgewachsen sind, deutlich zu kurz.
Andererseits erfüllt Arbeit wichtige Aufgaben: Sie dient aus Unternehmenssicht dazu erfolgreich zu sein, die Vision umzusetzen und damit als Organisation überlebensfähig zu bleiben. Um dies zu tun, gibt sie aus Sicht der Mitarbeiter diesen Raum, um den Erfolg bestmöglich zu genieren. Aus der persönlichen Sicht der ihre Kompetenz einbringenden bedeutet „Arbeit“ schließlich im gemeinschaftlichen Erfolg den persönlichen erleben zu können.
 
Interessanterweise scheint der Zweck der Unternehmenssysteme mit dieser Logik zumeist nicht (mehr) kongruent zu sein, sonst könnte die ZEIT mit anderen Artikeln als diesem hier punkten.
 

Warum, wo und wie findet Arbeit in der Zukunft statt? 

Arbeit wird in vielen Bereichen „agiler“, um mit den Entwicklungen der Umwelt klar zu kommen. Mittelfristig wird als zusätzliche Herausforderung sichtbar, dass Agilität zwar hilft die kurzfristigen Probleme zu lösen, es aber mittel- bis langfristig notwendig sein wird, den Fokus auf einen kongruenten Sinn (neu) zu etablieren.
 
Gerade hier kommen – auch in der Zukunft – weiterhin Führungskräfte und „Leader“ ins Spiel.
 
Doch was ist „Arbeit“ in der Zukunft eigentlich? In einer Zukunft, von der alle sagen, dass sie digitaler wird, die mehr Automatisierung bis hin zur intensiven Vernetzung mit künstlicher Intelligenz mit sich bringen wird?
 
Soviel sich in diesem Bereich derzeit bewegt, und so unterschiedlich die Auswirkungen je nach Branche, Umfeld und Organisationsstruktur sein werden, so klar ist, dass es um zwei Bereiche gehen wird. Zum einen wird sich die Art der Wertschöpfung jenseits künstlicher Fähigkeiten durch Menschen verändern. Wir werden neue Technologien immer wieder anders nutzen können (und müssen), um unsere Effektivität und Effizienz zu erhöhen. Menschen werden sich dabei fraglos in vielen Bereichen auf neue Rollen einlassen und einstellen müssen und können. Wo Maschinen schneller, besser, vernetzter, kostengünstiger agieren können, werden wir uns zurückziehen. In anderen Bereichen werden wir selbst – durch die Nutzung der neuen Möglichkeiten – schneller, besser, vernetzter, kostengünstiger und effektiver sein.
Der andere große Bereich ist der des sozialen Friedens. Wir sind bis heute so sozialisiert, dass ohne „feste“ Arbeit zu sein, als Makel aufgenommen wird. Wir werden Wege finden (müssen), um mittelfristig Beschäftigung zu schaffen – und gleichzeitig ist es dringend an der Zeit unsere Glaubenssätze neu zu konfigurieren.
 

Arbeit vs. Leistung vs. Wirkung

Die Zukunft wird mit sich bringen, dass wir, so wenig Zeit dazu auch ist, unser Gesamtverständnis von Arbeit neu verankern müssen. Bis heute setzen wir – von Industrieunternehmen bis zur Wissensarbeit in Präsenztempeln – die Verrichtung von Arbeit mit der dafür aufgebrachten Zeit gleich und werden für die so verbrachte Lebenszeit entlohnt. Arbeitsverträge beziehen sich vor allem auf geschuldete Arbeitszeit, nicht auf geschuldete Arbeitsleistung.
 
Anderseits geht es Unternehmen ja gar nicht darum, dass jemand seinen Arbeitsplatz / Schreibtisch möglichst lange belegt, sondern es geht um erbrachte Leistung. Um dies zu messen fehlen jedoch in den meisten Bereichen bis heute geeignete Instrumentarien – was im Kontext von Zielvereinbarungen oft sichtbar wird.
Denkt man weiter, so kann es zukünftig allerdings nicht mehr um „Leistung“ gehen. Die tatsächliche – nicht die augenscheinliche – Wirkung einer Aktivität wird es sein, worauf wir schauen werden. Denn die Wirkung, die Veränderung am System, die Verbesserung von Produkten, die Vereinfachung von Abläufen, all das sind Elemente der (auch heute schon) erfolgsrelevanten Ergebnissen von „Arbeit“.
 

„Zweck und Ziel der Organisation ist es, die Stärken der Menschen produktiv zu machen und ihre Schwächen unwesentlich.“ Peter F. Drucker

 

Die Führungskraft – morgen

Heute wird vielfach propagiert, dass Führungskräfte zu Leader „werden“ sollen. Was für ein Blödsinn. Das Problem, dass ich dabei sehe ist weniger die intellektuelle Kompetenz von etablierten Führungskräften, sich etwas Neues anzueignen, als das Verständnis, dass man „Leader“ so einfach wird. Eine viel zitierte Aussage von Harald Schirmer drückt es prägnant aus: „Leader haben Follower“.
Kann man eine Führungskraft auf einen Posten befördern, so entzieht sich Leadership diesem Vorgehen. Man kann keine „Follower“ zuweisen. Man kann versuchen, Menschen zu überzeugen, durch Kompetenz, durch Einfühlungsvermögen, durch aktive Unterstützung, durch Ehrlichkeit, Vertrauen, Offenheit, Transparenz und vor allem durch Respekt. (Nein, vergleichen Sie das bitte jetzt nicht mit der Stellenbeschreibung einer Führungskraft). Zuweisen kann man sie nicht.
Dennoch – auch in jeder Führungskraft steckt ein potenzieller Leader.
Am Beginn der Suche nach dem Leader in sich steht, aus meiner Sicht, individuell zu ergründen, wo der Kern der persönlichen Zielsetzung liegt? Zu erkennen, was zufrieden macht, was begeistert und wie man mich sich und anderen umgeht. Die Aussage „Führung ist Selbstführung“ gewinnt im Kontext (zusätzlichen) Leaderships immens an Bedeutung. Leadership beginnt mit Selbst(er)kenntnis! Vor allem: Wer sich selbst erkannt hat, kann mit den aufkommenden Verlustängsten besser umgehen und den Mut schöpfen sich aus der angestammten Position heraus in eine neue Rolle zu bewegen.
 

Die ganz alte, neue Rolle

Früher (und in wenigen Bereichen heute noch) gab der Meister sein Wissen an seine Gesellen und Lehrlinge weiter, um seine Gefolgschaft ebenfalls zu neuer Meisterschaft zu führen und sich so mittelfristig die Arbeit zu erleichtern. Er war der „Ermöglicher“ von persönlicher Erkenntnis, neuer Erfahrung, erworbenem Wissen und individueller Kompetenz. Er wollte, als guter Meister, Wirkungsbefähigung vermitteln. Ein noch heute noch sehnsuchtsvolles Ziel.
 
Der alte Meister ist die Blaupause heutiger Leader in Führungsposition. Der Leader in der digitalen Zeit kann sich auf vielfältige Art für das Unternehmen und die Kollegen einbringen. Vor allem gibt er Raum für Ideen und Experimente. Er hat insbesondere eine wichtige Rolle, wenn es um die Veränderungen in Richtung einer neuen Arbeitswelt geht. Und, um mit Frithjof Bergmann zu sprechen, er hat die Aufgabe die Kollegen auf Augenhöhe dabei zu unterstützen, das zu tun was sie wirklich, wirklich wollen, denn vor allem dann sind sie wirklich, wirklich gut darin, nur dann sind sie wirklich, wirklich zufrieden, können sich wirklich, wirklich persönlich weiter entwickeln und wirklich, wirklich etwas für das Unternehmen bewirken.
 

Auch hier BMAx

BMAx 3Doch, nicht jede Struktur braucht zwangsläufig Leader. Nicht jede Führungskraft muss sich mental in andere (neue) Gefilde aufmachen.
Wie in der Gesamtstruktur jeder Organisation geht es darum zunächst zu erkennen, was die Struktur und „die Mannschaft“ braucht. Je weiter sich Unternehmen in Organisationsmodell von der Bürokratie in Richtung agilen Handelns (und darüber hinaus) entwickelt, desto mehr Leadership muss gefordert und gefördert werden. In bürokratischen Strukturen wird es weiter darum gehen, das Zusammenspiel zu gestalten, in offeneren Räumen ist die Aufgabe, das Zusammenwirken zu ermöglichen.
 

Den eigenen Weg finden

Die Frage welche Position, welche Rolle man in Zukunft einnehmen will ist damit eine, die man an  die jetzigen Führungskräfte und die Unternehmen stellen muss. Für die Führungskräfte bedeutet es zu reflektieren, was man will und was man kann. Ob man die Empathie, emotionale Reife und Intelligenz mitbringt anderen, manchmal auch uneigennützig, Entwicklungsräume zu eröffnen. Es bedeutet sich die Frage zu stellen, ob man sich selbst als Leader akzeptieren würde und wer von den Kollegen und, vor allem „warum“ das sonst tun sollte. Und es bedeutet zu klären was man selbst tun kann, um das „we“ im „me“ zu identifizieren und lebendig werden zu lassen, bzw. sich andererseits zu fragen, ob einem das Unternehmen im Grunde am A… vorbeigeht, solange die Kohle stimmt. Dann allerdings sollten Sie die Rolle als Leader überdenken, denn sie macht auch ihre Haltung und diese Zielsetzung sichtbar.
 
Gleiches gilt, insbesondere in der Organisationslogik von Bürokratie über Meritokratie, Adhoc-kratie zum neuen „x“, für Unternehmen. Sie sollten möglichst zeitnah für sich klären in welchem Bereich sie sich befinden, was ihr Umfeld von Ihnen erwartet und braucht und wohin sie sich entwickeln sollten, können und wollen. Mit einem Blick auf die nächsten frei bis fünf Jahre lassen sich hier heute die Weichen stellen, die langfristig ein nachhaltig besseres Wirtschaften mit allen relevanten Ressourcen erlauben. Dazu gehört auch, jetzt zu beginnen ein Umfeld von Menschen aus allen Stakeholdergruppen aufzubauen, die das Unternehmen auf vielfältige Art auf dem Weg unterstützen können und wollen. In den nächsten Jahren wird, soweit absehbar, die Bedeutung von motivierten, sinnorientierten und -fokussierten, oft fluiden Unterstützernetzwerken wachsen, die aus Partnern bestehen, die vor allem auch Zufriedenheit in der Zusammenarbeit suchen. Diejenigen die nicht in dieses Schema passen, sollten Sie, als Unternehmen, schnellstmöglich loswerden.
 

LebensArbeitsZeit

Der Kern der Rolle als morgiger Leader ist Lebens-Arbeits-Zeit sinnhaltiger und wert-voller zu gestalten. So pathetisch es klingt, sollte (IHMO) der Anspruch sein, Menschen mehr Leben bei der Arbeit zu ermöglichen. Zufriedenheit und vorausschauendes Handeln sind das Rüstzeug, um Handlungsfähigkeit in einer dynamischen und mit Komplexität angefüllten Zeit zu erzeugen.
 
Zeitgemäß an der eigenen Zukunft und der, der Organisation zu arbeiten heißt, statt Zeit mit Planung zu verschwenden, sich umfassend und bestmöglich auf das Absehbare vorzubereiten, um im geeigneten Moment das Richtige tun zu können.
 
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