Wenn einer eine Reise tut…. Dann schnappt er schonmal viele neue Eindrücke auf.
Wir waren die letzten Wochen in Südengland auf Tour. Zwischen Brexit, Stonehenge und dem Fastnet Race (einem der berühmtesten Segelregatten der Welt) gingen mir, wieder mal, ein paar Gedanken zur Zukunftsfähigkeit von Organisationen durch den Kopf.
 
In einem Land, in dem vor 4.500 Jahren Menschen zugleich kulturelle, wie auch technologische Höchstleitungen vollbracht haben, in dem vor über 800 Jahren mit der Magna Carta die Grundlage für noch heute als fortschrittlich wahrgenommene Landesverfassungen gelegt wurde, das zwischenzeitlich eine weltumspannende Größe entwickelt hatte, so dass die Sonne niemals unterging, das Traditionen nicht nur lebt, sondern sie zuweilen „atmet“ und das im Moment auf einen Schritt zusteuert, dessen Auswirkungen wohl niemand so recht vorauszusehen mag, habe ich mich unwillkürlich gefragt, wie es gelingen kann, sich eine Struktur und Form zu geben, die all das oder zumindest das, was auf einen positiven Ausgang hoffen lässt, ermöglicht. Aber Staaten haben, im Wortsinn, ihre eigenen Gesetze und Regeln. Selbst in Demokratien scheinen zuweilen Minderheiten den Ton anzugeben und Mehrheiten auszuhebeln. Darum denke ich lieber nur im (mir) vertrauteren Umfeld von Unternehmen.
 
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Manche Unternehmen sind (dabei fast) ein Abbild eines alten Staates, wie ich ihn oben beschrieben habe. Sie basieren auf alten Leistungen, haben Größe erlangt, ihre ganz spezifischen Regeln, Rituale und Kulturen etabliert, Stolz entwickelt, Traditionen aufgebaut, und sehen sich jetzt, entgegen aller gemachter Erfahrungen, Entwicklungen gegenüber gestellt, die vieles in Frage stellen und zugleich wenig Klarheit erlauben. In den Unternehmen macht sich zunehmend Unruhe breit. Querdenker, Rebellen, Wahr(heit)sager versuchen (sich) Raum für Neues zu schaffen, während andere versuchen das Bestehende irgendwie zu sichern. Zwischen ‚früher war alles besser‘ und ‚die Anforderungen der Zukunft lassen sich nicht mit dem Denken der Vergangenheit meistern‘ tut sich ein Spalt auf, der die innere Bindungsfähigkeit von Organisationen an ihre Grenzen bringt.

Früher, früher war alles besser…..

In klassischen Organisationen lebt, mit dem darin tief verankerten meritokratischen Managementverständnis, ein Kompetenzmodell, das diesen bislang enorme Erfolge beschert hat. Wissen, Erfahrung, Information waren die Hebel, die, in der Logik des Systems, gute Führungskraft hervorbrachten und die Entscheidungen und Abläufe verbesserten.
 
David Marquet, vormals Kapitän eines US Atom-U-Bootes, hat am eigenen Leib erfahren, wie trügerisch es sein kann, wenn die Position definiert, wer Recht hat. Nachdem er sich über ein Jahr auf ein neues Kommando vorbereitet hatte, dann aber doch kurzfristig ein anderes U-Boot zugeteilt bekam, das an einigen entscheidenden Stellen ‚anders‘ funktionierte, gab er auf einer der ersten Fahrten einen Befehl, der sich so nicht ausführen lies – schlicht, weil es die Funktion für dieses Schiff nicht gab. Was im anderen Kontext richtig gewesen wäre, war hier nicht anwendbar. Schlimmer noch: Die Befehls- und Organisationsstruktur erlaubte es den Mitgliedern der Mannschaft nicht zu widersprechen. Das alte Kompetenzmodell war, in diesem Fall urplötzlich, an seine Grenzen gekommen.

Morgen wird (alles) anders.

Die Herausforderung, der sich Organisationen heute stellen müssen ist, die Vielfalt, das Durcheinander, die Unsicherheit alter und neuer Markt-, Wettbewerbs- und Umfeldstrukturen, die Multidimensionalität von Lösungen, Wissen, Informationen und, nicht zuletzt, Kulturen in sich aufzunehmen und geeignet abzubilden. Die eine, richtige Lösung gibt es weder als massentaugliches Produkt, noch als Organisationsform. Die Frage, die sich Organisationsgestalter daher heute stellen (sollten), ist:

  • Welche Struktur passt zu uns UND zur Zukunft?
  • Was denkt den bisherigen Bedarf von Kunden, Partnern und Mitarbeitern ab UND erlaubt zugleich sich an neue Anforderungen schnell und flexibel anzupassen?
  • Was gibt Mitarbeitern Sicherheit UND Freiraum?
  • Wie schafft man Stabilität UND Adaptionsfähigkeit?

 
Die wenigsten etablierten Organisationsmodelle beinhalten die dazu notwendigen Rahmenbedingungen in einem Maß, dass es erlaubt, sie 1:1 weiterzuführen. In fast allen Unternehmen stehen daher, oft zusätzlich und gleichzeitig zu markt- und kommunikationsbedingten Veränderungen im Kontext Digitalisierung und Agilität, Restrukturierungen an. Mehr und intensiver als diese in vielen Unternehmen ohnehin seit Jahren an der Tagesordnung stehen.
 
Die Kunst besteht darin, diese Schritte noch bewusster und noch größer zu machen, als bisher. Sie besteht darin, nicht nur agile Mini-Organisationen zu testen, sondern das Fundament so um- und auszugestalten, dass die jeweils passende Organisationsform für jede Einheit genutzt werden kann. So wie Scrum nicht die für jedes Team ultimativ richtige agile Arbeitshaltung ist, so wie jede Gruppe sich sukzessive und bewusst beobachtend dem annähern muss, was sich im Zusammenspiel als optimal herausstellt, so sollte eine Basisorganisation und eine organisationelle Basis aufgebaut werden, die Freiheit und Sicherheit vereinigt, die Stabilität und Anpassungsfähigkeit schafft und die auf die Anforderungen der Zukunft eingestellt ist.
 
Herauskommen wird in vielen Fällen (mindestens) eine bimodale Struktur, eine, die klassische Elemente genauso enthält wie progressive Netzwerkstrukturen. Eine die vieles zulässt und wenig einschränkt und in der dennoch oder gerade deshalb, optimale Zusammenarbeit möglich ist. Dies vor allem, weil den Beteiligten klar und bewusst ist, warum an welcher Stelle, welches Modell und welche Strukturform genutzt wird.
 
Um diese Basis zu schaffen braucht es viel Bewusstheit für die aktuellen Veränderungen Offenheit für neue Wege. Es braucht dabei vor allem die Beteiligung aller, die sich für die Zukunft des Unternehmens und ihres Arbeitsplatzes interessieren. Daher ist dieser Blogbeitrag nicht nur als Zustandsbeschreibung und Weckruf gedacht, sondern er ist auch als Hinweis (und Wunsch) an alle gerichtet, die irgendwo, in welchem Unternehmen auch immer, arbeiten. Wenn euch an eurer Arbeit liegt, bringt euch ein, wenn euch eure Arbeit stinkt, sprecht darüber, bringt euch ein und schafft so die Basis für Verbesserung. Neue, zukunftsfähige Organisationen zu gestalten ist mehr den je ein Gemeinschaftswerk! 
 
Im CoRE Modell sind es 5 Themen, auf die der Fokus der Aufmerksamkeit gelenkt wird, um Organisationen zeitgemäß aufzustellen. Es handelt sich um ‚Strategie & Prozesse‘, ‚Beteiligung‘, ‚Struktur‘ und ‚Sicherheit’, die gemeinsam die Grundlage dafür bilden, dass gemeinsame ‚Wertschöpfung‘ auf einem neuen Niveau erzielt werden kann.
 
Daher meine Anregung, mein Impuls an euch: Geht mit offenen Augen durch eure Organisation und schaut in dieser 5 Fokusbereichen, was sich verbessern lässt, um optimale Zusammenarbeit zu gestalten. Denn um nichts mehr und nichts weniger geht es, wenn Organisationen sich für die Zukunft (neu) aufstellen. Erstes Ziel ist, alles aus dem Weg zu räumen, was gute Zusammenarbeit verhindert und dann mit neuem Wissen und neuen Erkenntnissen zielführendere Strukturen aufzubauen.
 
Mit Blick (zurück) in den Urlaub: Es war ein ganz besonderes Erlebnis beim Fastnet-Race die Hochseeyachten im Hafen und dann kurz nach dem Start zu beobachten, zu wissen, dass jedes einzelne Mitglied der Crews, ob an Bord oder an Land, darauf aus war, das Beste für das Team zu geben, zu sehen, wie die Boote wortwörtlich durchs Wasser flogen (Hydrofoils machen’s möglich und bedürfen zugleich eines anderen Bewegungsmusters und einer anderen Schwerpunktverteilung – einer anderen Organisation – an Bord) und dann (allerdings nur noch per app) mitzuverfolgen, wie die ersten beiden Mannschaften nach 608 Seemeilen (1126 km) etwas über 28 Stunden mit einem Abstand von nur 58 Sekunden ins Ziel kamen.
 
Zugleich war es ein Trauerspiel am Radio zu hören welche Ideen Boris Johnson für den Brexit propagierte und von britischen Freunden immer wieder zu hören, welche Befürchtungen sie für das weitere Wohl des Landes hegen und wie hilflos und jeden Einflusses beraubt sie dies mit ansehen müssen.
 
Ohne Frage: Wohl jeder, den ich kenne, wäre lieber Teil der Hochleistungsteams, die sich für den Erfolg einsetzen, als sich als Spielball einer Politik wahrzunehmen, die fern ab von jeder Einflussmöglichkeit der Logik vieler entzieht.
 
Wer Lust hat das Thema ‘Organisation’ aus dieser und anderen Perspektiven zu reflektieren, ist herzlich eingeladen, an unserem freiKopfler-Webinar „Organisation frei denken“ am 22. August von 16:00 – 17:00 teilzunehmen.
Wer mehr zu CoRE erfahren möchte ist ebenso herzlich eingeladen, hier reinzuschnuppern.
Wer Begleitung und Beratung für die Entwicklung der eigenen Organisation sucht, ist ebenso eingeladen, sich zu melden.