Viel wurde und wird über den „Flow“ gesprochen. Diesen sehr persönlichen, aber eben auch sehr wirksamen mentalen Zustand höchster Konzentration und Leistungsfähigkeit. Sicherlich nichts, was man ständig anstreben sollte, weil die Gefahr besteht ausgelaugt im Burnout zu landen. Aber etwas, das im Wechsel zwischen der so entstehenden produktiven Energie und einer immer wieder auch aktiv initiierten Erholungsphase für maximale Wirkung sorgt – und damit einfach Zufriedenheit und Spaß bedeutet.
Für den „persönlichen Flow“ gibt es einige Rahmenparameter, die man bewusst erschaffen kann, um diesen Zustand leichter zu erreichen. 17 dieser Trigger hat Steven Kotler hat in seinem Buch „The Rise Of Superman“ zusammengestellt.
Doch das mit dem Superman ist so eine Sache. War der Held (der Arbeit) früher ein Einzelkämpfer, der tatsächlich supermanhafte Züge annehmen wollte/sollte/konnte, so leben wir inzwischen in einer Arbeitswelt, in der niemand mehr ohne eine tragfähige und unterstützende Organisation –oder zumindest mittels eines stabilen Netzwerks– alleine die Welt retten kann. Heute sind die vielen einzelnen Supermänner der Vergangenheit, die Wirkungen einzelner Top-Performer, längst durch Hochleistungsteams ersetzt worden. Gruppen von Individuen, die gemeinsam deutlich mehr erreichen (können), als jeder für sich alleine. Und auch für die Gestaltung und Führung von Hochleistungsteams gibt es inzwischen hunderte von Anleitungen – nicht nur von mir 😉
Was bleibt, ist die Frage nach den grundlegenden Parametern, die in Organisationen dazu beitragen, dass Hochleistung nicht die Ausnahme bleibt, sondern zur Regel werden kann. Das „Hochleistungsteam von Hochleistungsteams“ braucht in Teilen andere Regeln, Strukturen und Verhaltensmuster, als klassische und/oder traditionelle Unternehmen sie zumeist bieten.
Doch was ist es, dass Organisationen befähigt, Hochleistungsorganisationen zu werden – ohne im kollektiven Burnout zu landen? Welche Rahmenbedingungen lassen sich beeinflussen, damit der Raum entsteht, den die Teams und die Menschen darin füllen können, um der Organisation soviel Leben, Mut und Energie einzuflößen, dass Weiterentwicklung, Innovation, MehrWert und eine höhere Relevanz entsteht UND dazu die Menschen entspannter und vielleicht auch zeitlich weniger arbeiten (können)? Was schafft die Grundlage für eine fast übersprudelnde produktive Energie und gibt Raum für Ruhe, Erholung und den Aufbau von Resilienz?
Ohne hier die Themen aufzuwärmen, die ich im Kontext CoRE (Corporate Reframing & Evolution) schon mehrfach beschrieben habe und die –quasi als Basis schonmal wichtige Parameter für gute Zusammenarbeit liefern– geht es mir hier um die Ebene, die darauf aufbauend organisationalen Flow erzeugen.
Drei Fokusbereiche des organisatoinalen Flows
Ich sehe drei Bereiche, in denen angesetzt werden muss:
- Das direkte persönliche Umfeld der Mitwirkenden
- Das Regelwerk der Zusammenarbeit, dass heißt, der strukturelle Rahmen, die Prozesse, die mentalen Modelle und sozialen und ethischen Normen
- (Darauf aufbauend und im systemischen Zusammenspiel:) Die Kultur und tief verinnerlichten Annahmen und mentalen Modelle
Wichtig ist dabei, sich klar zu machen, dass der letzte Punkt, die Kultur, Kernelement des Regelwerks jeder (organisationalen) Gesellschaft ist und damit ganz besondere Beachtung benötigt. Denn „die Kultur“ entsteht auf Basis der Regeln und Annahmen, die die Menschen im Unternehmen für wichtig (und teilweise für selbstverständlich) halten. Sie verändert sich durch diejenigen, die sich an ihr reiben und die Dinge neu und anders denken, sehen und damit „neu“ handeln.
Arbeitet man an den ersten beiden Punkten, so arbeitet man damit immer auch am dritten. Also bitte achtsam bleiben!
Aber nun konkret zu den ersten beiden Punkten. Beide liegen im Wesentlichen in der Hand derjenigen, die primär die Regel in der Organisation bestimmen: also bei der Top-Führungsriege UND bei den wichtigsten Influencern und Multiplikatoren. Diese Meinungsmacher dürfen –gerade in sich verändernden Strukturen– niemals unberücksichtigt bleiben und sollten immer einbezogen werden!
Was brauchen die Menschen (bzgl. des ersten Punktes), um sich zu einer Hochleistungsorganisation zusammenzufinden? Die einfache Antwort: Klarheit in Bezug darauf, was sie tun können und sollen, Passung dieser Aufgaben zu ihren Kompetenzen und damit eine gewisse Wahlfreiheit in dem, was sie tun. Sie brauchen Vertrauen in ihre Fähigkeiten, immer auch eine Herausforderung oder ein attraktives Ziel(bild) und unmittelbares, ehrliches, konkretes Feedback. (Wer mich kennt: Das „inner game“ nach Tim Gallwey muss stimmen).
Zum zweiten Punkt: was muss das Regelwerk bieten, damit Die Organisation die Chance hat, in den Flow zu kommen:
- Ganz banal: sie darf den Menschen nicht im Weg stehen – was sie oft genug tut! Sie braucht Hindernissfreiheit – nebenbei bemerkt: das meint nicht Hierarchiefreiheit. Das heißt, zum Beispiel so wenig Bürokratie wie möglich und so viel und einfache Unterstützung und Zugang zu Ressourcen wie nötig.
- Zugleich muss sie am Puls der Zeit bleiben und Raum geben –im Kleinen wie im Großen– um das eigene Arbeitsumfeld und die Services und Produkte weiter- und Innovationen entwickeln zu können.
- Sie muss positive Spannung erzeugen, was dramatischer klingt als es ist. Es geht darum, das Erlebte, das Erreichte und das vielleicht Kommende als echte persönliche Bereicherung erleben zu können. Dazu gehören kleine und große Belohnungen, Wertschätzung und das Gefühl psychologischer Sicherheit.
- Starke Beziehungen und intensive Zusammenarbeit – auch mit Menschen und Bereichen, die den eigenen Horizont erweitern. Das ist fachliches und soziales Wachstum in jedem und gemeinsam für alle.
- Und ja, das Ziel muss spannend sein und lohnen. Wobei es an dieser Stelle zwei (und mehr) durchaus unterschiedliche Ansätze zu bedienen gilt: Manche suchen den Wettbewerb und wollen und brauchen das Gefühl „gesiegt” zu haben. Manche brauchen das Streben nach dem großen Ziel und das Gefühl selbst und als Gemeinschaft wichtiger Schritte in die richtige Richtung gegangen zu sein.
- Und zum Schluss noch so ein –gerade im Kontext der Agilität– immer wieder intensiv diskutierter und selbstverständlicher Punkt: Klarheit und Relevanz der Kommunikation. Nicht zu viel, aber vor allem nicht zu wenig. Ausgewogenheit in Offenheit und Transparenz. Ohne zu verwirren oder zu belasten.
Der dritte, der oben genannten Punkte, ergibt sich dann und braucht –das sei vorausgeschickt (und ist vielen sicherlich klar)– stetige Achtsam- und Aufmerksamkeit. Kultur lebt. Um sie zu verstehen und zu bewegen, sollte man gut Zuhören und in aktive, ergebnisoffene Dialoge einsteigen können.
Die Punkte anzugehen ist kein Hexenwerk, allerdings braucht es ein klares Commitment der Top-Führung, das sich dazu selbst und (vor allem) ganz vorne mit auf den Weg machen muss. Wer das Thema delegieren möchte, sollte es besser gar nicht erst angehen.
Lieber klein anfangen?
Wenn ihr erstmal klein beginnen wollt, um zu lernen, was passieren kann, dann startet mit folgenden Themen:
- Klärt, wo ihr steht, welche kleinen und großen Hindernisse euch bei der Arbeit im Weg stehen und beseitigt sie so weit es geht (oft helfen klassische workhacks oder neue kleine Dienstwege).
- Nutzt den so entstehenden Freiraum, um euch mit all den neuen Entwicklungen vertraut zu machen, die es in eurem Arbeits(um)feld gibt. Ich kenne noch immer keine Branche und keinen Bereich, der sich in den nächsten fünf Jahren nicht wesentlich verändern wird.
- Nehmt die Trends und Impulse auf, um euch spannende Ziele zu setzen. Solche, die ihr erreichen könnt, aber bitte nicht die „low hanging fruits“, denn die haben andere bis dahin längst geerntet.
- Nehmt euch immer wieder Zeit zu reflektieren, wie weit ihr auf dem Weg schon gekommen seid oder was ihr noch tun müsst. Retrospektiven und Reviews haben nicht umsonst die Welt agilen Arbeitens erobert.
- (mein altes Credo:) Vernetzt euch! Jeder einzelne, ihr als Team, als Abteilung, als Unternehmen! Findet Gleichgesinnte und (vor allem auch) Andersdenkende und versucht einander besser zu verstehen.
- Tauscht euch über eure Erfahrungen, euer Wissen und eure Erfolge aus. Redet, teilt, lernt! Wissen ist und bleibt Macht. Und diese Macht ist heute und in Zukunft mehr denn je verteilt auf viele!
Ich weiß: dies alles als Organisation anzufangen und durchzuhalten braucht Arbeit und (meist) externe Unterstützung –und ja, klar– davon leben hunderte Berater und auch ich. Lohnt der Aufwand also oder geht es nur darum eine neue Sau durchs Dorf zu treiben?
Meine Frage dazu ist: Könnt und wollt ihr es euch leisten, noch ein, zwei, drei Jahre abzuwarten? Wie, glaubt ihr, werden die erfolgreich(st)en Unternehmen des nächsten Jahrzehnts in eurer Branche agieren? Wie werden sie sich aufstellen? Werden sie versuchen, die Art, wie sie daran arbeiten optimale Leistungen zu erbringen, mit den heutigen Mitteln oder denen von gestern schaffen? Was werden sie nutzen (können)?
Schon heute sind einige der am schnellsten wachsenden und erfolgreichsten Unternehmen in den verschiedensten Branchen nur deshalb so gut, weil sie sich als Hochleistungsorganisation verstehen und in diesem Kontext stetig an sich arbeiten. Andererseits kenne ich (leider) immer mehr Unternehmen, die jetzt (schon) merken, dass sie spät dran sind… Sie hätten die Utopie schon früher zur Chance machen sollen.
Schaut euch am besten einfach mal selbst bei euren Mitbewerbern und Partnern um. Sind die vielleicht aktiver als ihr?
Starten ohne Commitment und Rückendeckung? Geht auch… irgendwie
Das Thema –wie ich es hier beschreibe– muss vor allem von der Führungsriege mitgetragen werden. Was könnt ihr als „einfacher Mitarbeiter“ oder als Sandwich-Führungskraft tun, wenn ihr nicht einfach selbst das gesamte Regelwerk des Unternehmens verändern könnt?
Ihr könnt damit starten, euch Hochleistungsumgebungen im Kleinen zu schaffen. Zwar haben solche Insellösungen dann nicht dieselbe Wirkung wie ganze Organisationen, die sich den Wandel zutrauen. Zwar treten dann immer wieder auch Probleme auf, weil Abhängigkeiten da sind oder auch Neid entsteht. Themen, die in HLO (HochLeistungsOrganisationen) natürlich nicht mehr auftreten. Aber besser arbeiten und euch besser fühlen könnt ihr auch so. Wenn ihr dann noch so viel Aufmerksamkeit erregen könnt, dass ihr für andere als Impulsgeber und Beispiel fungieren könnt: umso besser!
Meine Top sechs Themen/Tipps für den Start im ganz Kleinen:
- Nutzt eure Diversität, d.h. auch: Versteht, wie unterschiedlich ihr seid! Sprecht miteinander über die Talente, die ihr jenseits des Jobs besitzt und die ihr in neuer Kombination vielleicht doch bei der Arbeit nutzen könntet.
- Benennt eure persönlichen, individuellen Ziel und sucht aktiv nach dem gemeinsamen Ziel! Lasst es so groß sein, dass es euch tragen kann und so zielgerichtet, dass ihr die Richtung kennt. Macht klar, wem es am meisten nutzt, dieses Ziel zu erreichen und nehmt Kontakt zu diesen Menschen auf, um genau zu verstehen, was sie brauchen und wie ihr es ihnen geben könnt.
- Findet euch rund um dieses Ziel und teilt euch so auf, dass jeder in seinen Erfahrungen, mit seinen Fähigkeiten und durch die Zusammenarbeit wachsen und Neues erlernen kann! Macht es euch so leicht wie möglich und steckt eure Energie in das Meistern immer neuer, spannender Herausforderungen.
- Findet Zeiten der Ruhe und Entspannung und nutzt sie gemeinsam! Geht ganz unvermittelt alle mal Kaffee trinken. Plant eine gemeinsame Aktivität. Seid verrückt und traut euch die gewohnten Normen zu sprengen.
- Lasst jeden eine eigene klare Rolle übernehmen! Gebt Autonomie in der Ausgestaltung und ehrliches Feedback dazu und schafft so Gelegenheit einen individuellen Beitrag zum Gesamterfolg zu leisten und den eigenen Wirkungsraum finden. Damit wird klar, wer das Thema führt und es ist klar, von wem alle anderen lernen können dieses Thema in Zukunft auch zu übernehmen. Wechselt euch in der Führung immer wieder ab, sodass immer die maximale Kompetenz führt. So können alle optimal partizipieren, lernen, wachsen, erfolgreich sein.
- Agiert bewusst ganz bewusst!
P.S.: Natürlich gibt es gute Hilfsmittel, um auf diesem Weg zu unterstützen. Hätte ich nicht auch solche, wäre ich schlecht in meinem Job. Was ich empfehlen kann sind:
- Eine Übung namens „remove the obstacles“ oder „kill a stupid rule“ (oder eine der vielen ähnlichen, die darauf abzielen –meist bürokratische– Störquellen und Hemmnisse zu beseitigen. Sie helfen euch, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie viel und welchen Ballast ihr mit euch rumschleppt.
- Der CoRE-Canvas öffnet die Augen in Bezug auf all die oft als sekundär wahrgenommenen Themen, die aber zugleich im Kern guter Zusammenarbeit liegen und einfach (&) gut funktionieren müssen.
- Der Management-Model-Canvas hilft dir (als Teil der Führungsriege) zu erkennen, wie das Regelwerk der Organisation aussieht. Worauf es beruht und wie ihr daran arbeiten könnt –ganz direkt und konkret– Ansätze zu identifizieren, um es zu entschlacken und zu optimieren.
- Und schließlich gibt es das Rundum-All-Inclusive Paket, das mit dem Agile Shift beginnt und von der Analyse (mit einigen Benchmarks) bis zu Workshops und einer langfristigen Begleitung alles (auch die oben genannten Tools) beinhaltet was Sicherheit gibt, um den Weg zu gehen. Fundierter kann man das Thema nicht angehen.