>>>> Reflexionsimpuls & konkrete Fragestellungen

 
Der Virus zwingt uns neue Distanz auf. Wir sind aktuell gehalten, analog, face2face, möglichst wenig in Kontakt zu gehen. „Social distancing“ hat seinen Weg in unseren Wortschatz gefunden. Damit verändert sich auch unser Umgang miteinander und unser Verständnis für uns selbst. Der Virus macht dick, weil wir uns weniger bewegen. Er macht einsam und steigert die häusliche Gewalt. Er hat Folgen, die wir im Vorfeld zwar erkennen konnten, die wir aber in ihrer Konsequenz dennoch nicht wahrhaben wollten.
 
Gleiches, nur auf anderer Ebene geschieht auch mit den Distanzen im Arbeitsleben. Wir lernen als Mitarbeiter, als Führungskräfte, als Geschäftsführer, dass wir mit anderen Distanzen untereinander und zu Geschäftspartnern und teilweise auch Geschäftsprozessen und Entscheidungswegen leben müssen und leben können! Zusammenarbeit hat sich in kürzester Zeit signifikant verändert. Eine Herausforderung, die wir in der großen Mehrheit gemeistert zu haben scheinen.
 
Die Frage bleibt, wie sich die Dinge entwickeln, wenn die Krise ein Ende findet, wenn wir gelernt haben mit der Gefahr besser umzugehen und zu leben, sie einzugrenzen und wenn das Virus, seine Folgen und unser Umgang mit ihm in unserem Alltag angekommen ist.
 
Um uns darauf vorzubereiten, können wir mit einer einfachen Frage starten: Haben wir in der Krise unser Verhalten – im Umgang miteinander, mit Kunden und Geschäftspartnern, soweit verändert, dass wir dies beibehalten wollen und können, oder nicht?
 
Wenn nicht, können wir anschließend so weitermachen wie zuvor, wenn doch, dann brauchen wir die Weitsicht und Kompetenz damit umzugehen.
 
Nur ein Beispiel: Die Kommunikation ist anders als zuvor, sei es untereinander oder mit Kunden. Letztere mussten und wollten auf digitale Angebot, mindestens aber Bestellmöglichkeiten ausweichen. Gerade im B2C wo digital der Weg war global und regional einzukaufen, sind nun auch lokale digitale Angebote gefragt. Im B2B sind Lieferketten weggebrochen, einige Partnerunternehmen werden vermutlich den Belastungen nicht standhalten können. Die Lehre wird sein, Partnerschaften zu suchen, die Redundanzen und Modularität erlauben und die eine einfache digitale Interaktion ermöglichen.
 
Das klingt einfach und ist logisch. Wenn es dann aber darum geht, die Themen im eigenen Unternehmen anzugehen, stoßen wir auf die gleichen alten Herausforderungen, wie bei allen Veränderungsprozessen zuvor. Im ‚Außen’ waren und sind wir immer besser, als dabei uns selbst an die Nase zu fassen.

Zwangslage oder Chance?

Wenn Veränderungen so plötzlich, dynamisch und unvermittelt über uns einbrechen sind, gerade bei Führungskräften, aber idealerweise ebenso bei Mitarbeitern, einige Fähigkeiten und Kompetenzen besonders gefordert und gefragt. Es sind Themen wie der Identifikationsgrad mit dem Unternehmen, das Maß an gegenseitigem Vertrauen, Flexibilität und Klarheit in der Kommunikation mit dem geeigneten Maß an Offenheit und Transparenz. Es gilt auf dem schmalen Grat zwischen Sicherheit, Stabilität und Gewohnheit, auf der einen Seite, und Bereitschaft ungewohntes und unbequemes gemeinsam auszuprobieren, zu balancieren. Das Verlassen der Komfortzone ist nicht mehr Chance, sondern Notwendigkeit. Das ist wichtig, um Produkte schnell und gezielt anzupassen, Möglichkeiten zu nutzen und Innovation da voranzutreiben, wo sie unter den veränderten Rahmenbedingungen sinnvoll umgesetzt und marktwirksam eingesetzt werden können.
 
Die große Gefahr besteht, nach dem Ende der Zusatzbelastung, wieder alles unreflektiert auf der Zustand vor der Krise zurückdrehen zu wollen und dabei viel produktive Energie und „positive Spirit“ zu verlieren.
 
Eine paar krisenbedingte Notwendigkeiten kennt man ohnehin schon aus dem „New Work-“ und „Agilitätskontext“. In der Krise wird leichter, schneller und konsequenter delegiert, statt die gewohnten Entscheidungsprozesse einzuhalten. Bürokratische Prozesse werden vereinfacht, Vertrauen ersetzt (vorerst) die Kontrolle, Home Office die Präsenzpflicht, crossfunktionale Kommunikation bricht die Silos auf, Selbstorganisation kompensiert fehlenden Zugang zur Hierarchie, Selbstverantwortung und breiter gefasste Kommunikation muss die kaum mögliche enge Führung ausgleichen, aktive Beteiligung und das Einbringen konstruktiver Ideen wird als zielführender erkannt, als das Abarbeiten von Vorgaben. Kurz: Autonomie ersetzt vielfach Abhängigkeiten und Flexibilität und Anpassungsfähigkeit zählen mehr und retten mehr, als der bester Plan. All dies sind Auswirkungen der Krise und die Symptome, die wir heute erkennen können.
 
All das entsteht zwar vielerorts zurzeit ganz automatisch, naturgegeben ist es alles dennoch nicht – und wie gesagt, die Gefahr besteht, dies bewusst oder unbewusst am Ende wieder zurückzudrehen und die darin eingewobenen Vorteile nicht zu nutzen. Vorteile, die gerade beim Wiedereinstiege in das „normale Leben“ für einige Unternehmen überlebenswichtig sein werden.

Der neue, alte Ruf nach “Kultur”

Nie war daher der Ruf nach einer bewussten Betrachtung der Kultur, der Regeln und Routinen, der Führungswerkzeuge, der Zielsetzungen und des Verständnissen von Menschenbildern, Fähigkeiten und Kompetenzen wichtiger als heute, jetzt und vor allem VOR der Rückkehr in eine Zeit ohne Dauerkrise, Kontaktsperre und Bewegungseinschränkungen.
 
Martin Reeves von der Boston Consulting Group hat ein paar Eigenschaften langlebiger Unternehmen, also insbesondere auch von Unternehmen, die solche und ähnliche Krisen bereits (mehrfach) überstanden haben, analysiert und u.a. in einem TED Talk veröffentlicht. Sie alle vereint, dass sie mindestens 3 der folgenden Elemente tief in das Betriebssystem der Zusammenarbeit, den Nukleus von Kultur und Interaktion, mit internen und externen Partnern aufgenommen haben: Sie etablieren bewusst Redundanzen, schaffen modulare Strukturen, die sich ergänzen und ggf. ersetzen können. Sie agieren vorausschauend und durchdenken sich neu entwickelnde Szenarien ganz bewusst. Sie schaffen Netzwerke,binden Partner aktiv ein und sind so bereit, sich immer wieder auf neue Gegebenheiten einzulassen. Last, but n not least setzen auf Diversität in Bezug auf Produkte, Angebote, Partner und Mitarbeiter.
 
Um sich so aufzustellen, braucht es keine umfassenden Restrukturierungsmaßnahmen. Das würde ohnehin viele Unternehmen in der aktuellen Situation vollends auseinanderreißen. Es braucht stattdessen ein klares Bewusstsein bezüglich der kurz- mittel- und langfristigen Zielsetzungen, zu den Fähigkeiten, Kompetenzen und der darin jeweils erreichten Perfektion und Reife, es braucht ein offenes, bewusstes Menschenbild, weit gefasste, aber klare und nachvollziehbare Regeln, Routinen und Rahmenbedingungen, sowie eine belastbare Kommunikation mit der Möglichkeit in den bilateralen oder multilateralen Dialog, auch zu kritischen Themen zu gehen.
 
Um dieses Bewusstsein aufzubauen, kann es helfen mit ein paar einfachen Fragen zu starten:

  • Sind die kurzfristige Zielsetzung bis zum Ende der Krise, die mittelfristige nach der Krise und die langfristige wirklich jedem zu 100% klar und bewusst? Sind diese handlungsleitend formuliert, sodass jeder, auch aus dem Home Office heraus, auf dieser Basis Entscheidungen im Sinne des Unternehmens und der Zielsetzungen treffen kann? Gerade in sich schnell verändernden Umfeldern ist dies enorm wichtig!
  • Passen die Fähigkeiten und die Ressourcenverfügbarkeit zu diesen Zielen?Entspricht die Qualität und die quantitative Verfügbarkeit dieser Fähigkeiten und Ressourcen den aktuellen Notwendigkeiten? Müssen kurzfristig Fähigkeiten hinzugewonnen oder Ressourcen beschafft werden? Sind diese Fähigkeiten und Ressourcen für einen sinnvollen Investitionsbetrag erhältlich? Welche Alternativen gibt es?
  • Wie positiv / negativ ist das in der Kultur eingebettete Menschenbild? Wie werden Kunden, Kollegen, Geschäftspartner wahrgenommen? Erlaubt das Menschenbild eine vertrauensvolle und intensivere Interaktion?
  • Unterstützen die Regeln und Routinen die in der Krise notwendigen und hilfreichen Maßnahmen oder behindern sie diese? Welche neuen Regeln und Routinen sollten nach der Krise weiter etabliert bleiben? Was sollte jetzt noch kurzfristig geändert werden? Wer sammelt Änderungswünsche und trägt die Erfahrungen zusammen?
  • Welchen äußeren und inneren Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit im Unternehmen, aka „das Betriebssystem“, haben sich durch die Krise verändert?Welche werden sich wahrscheinlich auch mittel- und langfristig nicht wieder ändern?
  • Ist die aktuelle Kommunikation untereinander ausreichend? Was ist anders als zuvor? Wieviel Transparenz ist nötig, wieviel wird als ausreichend empfunden? Wenn mittelfristig mehr Kommunikation und Beteiligung notwendig ist, um die ambitionierten Ziele zu erreichen, wie kann und sollte diese dann sichergestellt werden?
  • Wieviel Feedback ist derzeit möglich, wieviel ist sinnvoll, um die Kollegen bei der angespannten Lage nicht noch mehr zu verunsichern? Ist Feedforward, also die Extrapolation der Erfahrungen mit Blick auf die Zukunft, ein passendes und mögliches Konzept für die Organisation? Welche Themen und Erfahrungen sollten dabei unbedingt strukturiert erfasst und in die Zukunft mitgenommen werden?

 
Diese Fragen nur als erster Aufschlagpunkt auf eurem Weg in die hoffentlich erfolgreiche Zeit nach der Krise.
Sicherlich lässt sich dies alles jetzt nicht noch kurzfristig, zusätzlich zu den Versuchen, die Krise zu bewältigen, etablieren. Es ist ein Entwicklungsprozess, der seine Zeit braucht.Aber, gerade auch mit Blick auf die Krise, ist jeder Tag des Abwartens, ein Tag an dem die ersten Früchte der Entwicklung erst später zur Verfügung stehen. Es lohnt jetzt den Kopf zu heben, einen Schritt zurückzutreten und über dem Gesamtbild eine neue Perspektive zu suchen oder zu bedenken, was Larry Fink, der CEO von BlackRock, dem weltweit größten unabhängigen Vermögensverwalter es schreibt: “Wenn wir diese Krise überstanden haben, wird die Welt eine andere sein. Die Psychologie der Anleger wird sich verändern. Das Geschäftsleben wird sich verändern. Der Konsum wird sich verändern. […] Die Welt wird diese Krise überstehen. Die Wirtschaft wird sich erholen. Und jenen Anlegern, die ihre Augen nicht auf den wackeligen Boden unter unseren Füßen richten, sondern auf den Horizont, bieten sich an den Märkten jetzt enorme Chancen.“ Link zum Schreiben von Larry Fink.
 

Fazit

Wir müssen jetzt, während des social (und business) distancing, die Distanz zu den Kollegen, den Kunden und den Geschäftspartnern kurz- und mittelfristig vollkommen neu justieren. Dazu hilft es sich klarzumachen, welche Abstände sinnvoll und notwendig sind. Das Betriebssystem der Organisation ist der Schlüsselfaktor, damit dies gelingt. 
 
Um Unternehmen jetzt, auch bei gegebenenfalls knappen Kassen, hohen Belastungen und unsicheren Aussichten, optimal unterstützen zu können, habe ich eine paar CORONA-Specials in mein Angebot aufgenommen: