Eigentlich eine banale Frage, deren Antwort wohl jedem klar ist. Wenn’s eh zu spät ist, brauche ich doch gar nicht mehr mit irgendwelchen Maßnahmen zu starten.
Die Unwetterkatastrophen, die unserer Region(en) gerade heimgesucht haben, zeigen ja, was „ein bisschen Wind“, in diesem Fall vor allem der veränderte Jetstream, bewirken kann. Die zunehmenden Dürren der letzten Jahre haben uns weniger schmerzlich getroffen als der viele Regen, Symptome der gleichen Entwicklung sind es ja dennoch.
Also, wir stecken mittendrin und was können wir denn überhaupt noch tun?
Noch sind viele fleißige Hände hier in der Region (ich lebe zwischen Erft und Ahr, an der Grenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, und damit an einer der großen bürokratischen Zuständigkeitsgrenzen…. ) unterwegs, um den direkt Betroffenen zu helfen, viele davon zunächst selbstorganisiert und selbstverantwortlich. Viele tun, was sie können, bringen ihre Ideen, Energie und Stärken ein, und tun auch Dinge, die vielleicht nicht zu 100% ihren Potenzialen entsprechen, die aber einfach getan werden müssen. Von allen Seiten hört man von Menschen, Freunden, Bekannten, Verwandten, die vieles oder alles verloren haben. Wie jede Überschwemmung, jedes Hochwasser, jede Naturgewalt, die uns aufzeigt, wie klein und hilflos wir Menschen in Anbetracht der Kräfte der Natur doch sind, ist die Solidarität überwältigend groß. Und sie ist enorm wichtig, weil die Situation den einzelnen immer überfordert und wir in der Gemeinschaft zu unserer/n Stärke/n zurückfinden.
Zugleich hört man immer öfter die Frage, wer die Verantwortung dafür trägt, dass die Warnungen, nicht ernst genommen wurden. Ehrlich – auch ich habe zwei Warnapps, auch ich habe die Warnungen gelesen, auch ich habe sie nicht in dem Maß Ernst genommen, wie es notwendig gewesen wäre, wenn das Unwetter nur 10 km weiter östlich seine Wassermassen abgeladen hätte – denn auch ich erhalte zu viele irrelevante Informationen und kann kaum mehr filtern, was tatsächlich Bedeutung für mich besitzt.
Hätte der Wind ein wenig mehr aus dem Westen geblasen, dann hätte ich abends nicht „nur“ im Garten unserer Nachbarn gestanden, um das Wasser abzupumpen und die Überflutung eines Kellers zu verhindern. Dann hätte ich, trotz „sicherer“ Hanglage, die Pumpe im eigenen Keller installieren müssen (so wie vor 9 Jahren, als wir das Wasser im Keller hatten). So hatten wir hier einfach nur ein Riesenglück.
Das wir (alle) die Zeichen und Warnungen nicht sehen können und wollen, liegt daran, dass wir bislang oft Glück hatten. Irgendwie ist es immer gut gegangen, irgendwie kam dann immer jemand und hat das schlimmste gerade noch verhindert und irgendwie war es dann alles doch nicht so schlimm. Dabei hätte gerade dieser Regen, das sieht man an der Erft, buchstäblich jeden treffen können und nicht nur diejenigen, die am Talgrund in der Nähe eines Baches leben.
Prof. Harald Lesch hat unserer Reaktion, unsere „Zurückhaltung“ beim Klimawandel mit einem Zahn verglichen, von dem man zwar weiß, dass er ein Fall für den Zahnarzt ist, man sich aber mit den kleinen und großen Schmerzen arrangiert, Tabletten nimmt, mal mit Cognac spült und sich ablenkt… bis, ja, bis der Zahn tatsächlich raus MUSS.
Das Ahrtal (das Beitragsbild zeigt Weinberge und den Ort Dernau vor dem Unwetter) ist leider ein gutes Beispiel für das, was – außer den unmittelbaren Folgen eines Unwetters – auf uns zukommen kann. Wer es nicht kennt, es ist ein schönes Tal, ein beliebtes Naherholungs- und Ausflugsziel, geprägt von Weinbau und Tourismus. Idyllisch gelegen, im Sommer und Herbst mit seinen Weinbergen wundervoll anzusehen, ein Wanderparadies mit immer ambitionierteren Winzern.
Seit einer Woche ist es eine Region die sich kurz- und mittelfristig neu erfinden muss. Die Infrastruktur ist teils vollkommen zerstört. Es gibt Orte in die keine Straße mehr führt und Behelfsstraßen = Schneisen durch den Wald, die erst noch gebaut bzw. stabilisiert werden müssen. Es ist fast unmöglich die Ahr zu überqueren. Es gibt ganz einfach keine Brücken mehr. Allein die Hochbrücke der A61 bietet noch eine Möglichkeit. Es ist nicht klar, wann Strom-, Wasser-, Abwasser- und Gasversorgung wieder funktioniert. Doch die großen Herausforderungen kommen erst noch, wenn Strom, Gas und Wasser wieder fließen.
Wovon wird die Region in Zukunft leben? Bis die Natur sich erholt hat, die Gegend wieder zum Wandern und zu Weinfesten einlädt, kann und wird es Jahre dauern. Die Eifel ist seit jeher eine strukturschwache Gegend, der Nürburgring etwa wurde vor 100 Jahren gebaut, um wenigstens ein paar Menschen zu beschäftigen und für die Rennen in die Region zu holen. Und jetzt das!
Die Frage wird sein, wer, was, wie wieder überhaupt aufbaut. Einige Restaurant- und Hotelbesitzer haben schon angekündigt nicht in einen Wiederaufbau zu investieren. Winzern fehlen die Geräte und Räume. Vielen Arbeitnehmern zukünftig ihre Aufgaben.
Wenn sich also das Wetter öfter mal von dieser „negativen Seite“ zeigt, wenn wir mehr Katastrophen sehen und die Welt in der wir leben sich tatsächlich verändert, wie werden wir dann leben und arbeiten?
Sicherlich lässt sich das nicht ohne weiteres verallgemeinern, zu denken geben sollte es uns allen dennoch, denn in der einen oder anderen Form kann es uns eben doch alle treffen. Welche Lehren lassen sich ziehen, welche Ursachen können behoben oder gelindert werden?
Was auf diesem Weg sicher wenig hilft ist, zu klären, wie die Warnkette verlaufen ist und wer zu langsam, zu schlecht, zu wenig nachdrücklich reagiert hat.
Was schon eher hilft ist, in ein paar Wochen, wenn die direkt Betroffenen sich an einem wirklich sicheren und lebenswerten Ort befinden, zu klären, wie wir in Zukunft auf solche Katastrophen reagieren. Wir brauchen eine Retrospektive aber keine Schuldzuweisung.
Wir brauchen Antworten auf Fragen, wie die Kommunikationsinfrastruktur autonomer und unabhängiger vom Stromnetz aufgestellt werden kann oder ob wir zentralere, dezentralere oder, und der Begriff fehlt mir bislang in der Debatte, agiler aufgestellte, anpassungsfähige Strukturen brauchen? Die beste Mischung aus zentralem Ressourcenüberblick zu -zugriff und dezentraler Bewertungen der Lage, Konzepte, die es zulassen, schnell, fokussiert, flexibel, vorausschauend, mit Überblick und auf Basis redundanter und modular einsetzbarer Ressourcen zu agieren.
Aber wir brauchen auch Antworten auf die Fragen welche Branchen und Berufe „Klimafest“ sind, was, wo langfristig machbar ist und wo sich die Aufgaben und Tätigkeiten verändern.
Das alles ist aber nichts im Vergleich zu der Frage, wie wir es jetzt noch, am Rande einer Klimazeitenwende schaffen, können, das bereits angerichtete so weit abzumildern, dass wir eine weiterhin menschenlebenswerte Welt ermöglichen?
Wo starten wir mit Nachdruck (!?) mehr Nachhaltigkeit, einen bewussteren Umgang mit Menschen und den Ressourcen der Natur? An welchen Stellen haben wir die besten Hebel in der Hand.
Wer meine Beiträge öfter liest, der kennt meine Antwort. Wenn wir etwas ändern wollen, können, wir nicht auf die Politik warten. Die reagiert IMMER NUR ex-post, wenn der Druck der Bevölkerung wirklich deutlich spürbar und unabänderlich ist (aber vielleicht kommen wir da ja gerade hin). Wer schneller, flexibler und damit nachhaltiger (re)agieren kann, das sind wir alle an unseren Arbeitsstellen. Arbeitgeber sind in diesem Kontext ganz wunderbare Organisationen, weil sie und mit dem Fokus etwas zu bewirken zusammenbringen. Die Frage, die wir uns in dem Zusammenhang nur stellen sollten ist: Bewirken wir hier gemeinsam auch etwas, dass nicht nur uns und dem Unternehmen, sondern auch der Gesellschaft und unserem Überleben als Menschheit dient?
Was ist unser Ziel, was unser Fokus? Was ist die Strategie? Was ist Nachhaltigkeit für uns und wie bringen wir sie in den Arbeitsalltag so ein, dass wir und unsere Kunden nicht mehr darüber nachdenken müssen, das Richtige zu tun? Wie können wir mit einfachen Lösungen helfen, das große komplexe Thema menschliches Überleben sicherzustellen. Und um nichts weniger geht es für uns! Wir Europäer haben in den vergangenen Jahrhunderten immer schon das Leben auf diesem Planeten entscheidend mit geprägt. Vielleicht gelingt es uns diesmal etwas wirklich rundum gutes damit zu bewirken. Vielleicht gelingt es uns Vorreiter zu werden und Beispiel zu geben.
Wer sich als Unternehmer und Unternehmenslenker fragt, warum er/sie hier vorauseilen soll, den/die kann ich beruhigen. Von „vorauseilen“ kann im Kontext Nachhaltigkeit und Klimaschutz kaum mehr die Rede sein. Viele kleine, aber auch wirklich große Unternehmen machen vor, was geht. Mein Lieblingsbeispiel ist „Patagonia“. Wer mehr dazu lesen möchte, einfach mal hier schauen (https://eu.patagonia.com/de/de/our-footprint/).
Was dabei wichtig ist: „Green washing“ hilft weder euch, noch dem Unternehmen, noch den Menschen. Fangt bitte wirklich ernsthaft an, im Kern des Denkens und Handelns. Bei euren Zielen und dem, was und wie ihr denkt, diese erreichen zu können. Vielfach tauchen bei dieser Betrachtung Denk- und Handlungsmuster auf die sich tief in das gegenseitige Verständnis und eure Arbeitsauffassung eingewoben haben. Wer klug ist, setzt direkt hier an, um mit relativ einfachen Mitteln sehr viel zu verändern. Also, auch hier ist es wie im „richtigen Leben“: Die besten Stellen um anzusetzen, sind nicht immer gleich sichtbar, aber es lohnt ungemein danach zu suchen. Und das im Idealfall bevor man dazu gezwungen wird.
Wer Impulse sucht, kann sich gerne das Gespräch mit mir suchen (www.guidobosbach.com)
Und die Unwetterfolgen?!
Eine gute Übersicht von Spendenkonten hat das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen zusammengestellt: https://www.dzi.de/wp-content/uploads/2021/07/DZI-Spenden-Info-Unwetterkatastrophe-im-Westen-Deutschlands-2.2docx.pdf
Aber auch in Sachsen, in Bayern und in Österreich gibt es zahlreiche Betroffene, denen geholfen werden kann, z.B. über die Feuerwehr Berchtesgaden e.V., Sparkasse Berchtesgadener Land
IBAN: DE79 7105 0000 0000 3575 33 / BIC: BYLADEM1BGL
Lasst uns einfach zusammen die Welt zum Besseren verändern!