Warum die Arbeits-Klimakatastrophe weitergeht und wie uns kluge und klare Regeln helfen können.

Ganz kurz

Die meisten Unternehmen sind daran interessiert, den Komplexitätsgrad möglichst zu verringern und führen dazu neue Arbeitsmethoden ein. Einige dieser Methoden funktionieren dann besser, wenn das „Mindset“ der Anwender „stimmt“. Um den Erfolg dieser Methoden zu gewährleisten, wird versucht, die Mindsets zu beeinflussen. Doch dieser Schritt kann auch nach hinten losgehen. Gelebte Mindsets sind auch immer Individualität und mehr Individualität verstärkt die Komplexität, statt sie zu verringern. 

Ein ergänzender oder auch alternativer Ansatz ist, zunächst auf die Grundstrukturen der Modelle zu schauen, auf denen das komplexe System „Organisation“ aufbaut. Oftmals hilft es hier, mit klügeren und klareren Regeln, Normen, Annahmen und Strukturen ein Fundament zu schaffen, dass dabei hilft die neuen Methoden erfolgreich zu nutzen.

Etwas länger

Es scheint egal zu sein, um welches Organisations-, Unternehmens-, Führungsentwicklungsthema es geht, immer taucht irgendwo, oft schon am Anfang, der Begriff „Mindset“ auf. Mindsets sollen verändert, angepasst, reflektiert werden, sie sollen agiler, wachstumsorientierter, positiver sein.

Das klingt für mich ein wenig, wie das Greenwashing bei CO2 Emissionen oder unser allgemeines wegducken, wenn es darum geht selbst aktiv zu werden, um den Klimawandel mit vielen kleinen Schritten zu bremsen. Statt umfassende Maßnahmen zu ergreifen, um CO2 Emissionen zu vermeiden, werden Waldgebiete am anderen Ende der Welt gekauft und der Zertifikatehandel blüht. Statt unser Denken und Handeln zu reflektieren, in ihrer Wirkung zu hinterfragen und ggf. anzupassen, warten wir darauf, dass andere aktiv werden. 

Hier geht es nur um das Arbeitsklima, da um das Weltklima. Beiden gemeinsam ist, dass es katastrophale Folgen haben kann, wenn wir die Themen vernachlässigen oder falsch angehen. 

Das „Mindset“

Beim Mindset ist der Hintergrund eigentlich klar, einfach und logisch: Wir haben gelernt, dass sehr viel von dem, was wir tun, insbesondere, wenn wir es gemeinsam tun wollen oder müssen, in hohem Maß von unseren Denk- und Verhaltensmustern abhängt. Wenn an dieser Stelle als Dinge nicht so laufen, wie es für das Unternehmen optimal wäre, hat man früher die Zügel enger gezogen und die Mitarbeiter mehr an die Kandare genommen.

Inzwischen sind wir so weit, dass wir stattdessen versuchen, (neue) Verhaltensnormen zu etablieren, sodass die Organisation, die gesetzten Ziele wahlweise leichter, schneller, zielgerichteter und/oder sozial akzeptierter erreicht. Ziel ist jetzt, mit der weiter wachsenden Dynamik und Komplexität umzugehen. Das richtige Mindset, möglichst auf organisationaler Ebene tief verankert, erscheint als die Lösung all unserer Probleme.

Auf dieser Basis wäre es gut in den Unternehmen mehr dieser agileren, positiveren, sozialeren, unternehmerischeren Mindsets zu ‚besitzen’, um komplexe Antworten auf die komplexen Fragestellungen der heutigen Märkte und Unternehmensumfelder geben zu können. Denn am Ende sind es (allein) wir Menschen, die die Kompetenz besitzen mit Komplexität umzugehen, auch wenn es uns selbst nicht immer so erscheinen mag und sie uns auch immer wieder überfordert. 

Das Wohl und Wehe aller Mindsets ist aber: Sie sind gelebte Individualität – und das ist richtig und  wichtig, aber eben auch das Problem. Denn Individualität ist ein, wenn nicht DER größte Komplexitätstreiber.   

Die Gefahr ist, dass, wenn jeder so macht, wie sie/er kann und will, schnell ein Maß an Komplexität erreicht ist, das aus dem Ruder läuft und aus Organisationssicht nicht mehr verkraftbar ist.

Also, müsste man an den Mindsets so arbeiten, dass die Menschen mehr für das Unternehmen tun, sich besser einbringen, mehr engagieren, stärker performen UND ZUGLEICH die  Individualität einschränken. 

Das ist allerdings ein Eingriff, der nur bedingt gelingt und zuweilen die Situation nur weiter verschlimmbessert.

Die vielen Menschen, die ich bis heute kennenlernen durfte, würde ich mit Blick auf die Veränderbarkeit und die Möglichkeit der Einflussnahme auf ihr „Mindset“, ganz grob, wie folgt gruppieren: 

  • Es gibt diejenigen, die gelernt haben, dass ein nicht übertriebenes Maß an Reflexionsfähigkeit deutlich dabei hilft, den für sie besten Weg durch dieses Leben zu finden. Sie sind oft offen für ehrliches und authentisches Feedback und können mit Kritik und neu vermittelten Perspektiven so umgehen, dass sich eine Veränderung ihres Haltungs- und Verhaltensmusters ergibt, weil sie es für sich persönlich (und für ihr soziales Umfeld) für besser geeignet halten. Diese Menschen überzeugen sich (nur) selbst, die Dinge anders zu machen. Es sind diejenigen, bei denen man ein „growth mindset“ wahrnimmt. 
  • Es gibt diejenigen, die sich durch die Ansichten von Meinungsbildnern beeinflussen lassen und sich mittelfristig gut und gerne anpassen. Solange das Gesamtgefühl für sie stimmt, nehmen sie Einschränkungen in Kauf. Wichtig ist, dass keine Unsicherheiten und Instabilitäten entstehen. Diese Menschen kann man mit guten Argumenten überzeugen, im Job nach den Vorgaben zu agieren. Hier wirken Trainings, Coachings und Schulungen im allgemeinen ganz gut. Das tatsächliche Mindset ändert sich vielleicht nicht, aber die Menschen wissen, was von ihnen erwartet wird und handeln dementsprechend. Auch das ist schon ein großer Gewinn!
  • Es gibt noch diejenigen, die ihr „fixed mindset“ besitzen und einmal gewonnene Überzeugungen nur sehr schwer aufgeben. Sie besitzen eine gewisse Skepsis gegenüber dem (sich langsam veränderndem) Status Quo und versuchen zu festzuhalten und zu bewahren, was sich (oft) kaum aufhalten lässt. Sie lassen sich kaum überzeugen, Veränderungen anzunehmen.

Welchen Anteil diese verschiedenen Gruppen in der Organisation haben, hängt von vielen Dingen ab, von der Aufgabenstellung, der Art und jeweiligen Ausrichtung der (Wissens-)Arbeit, der Talentsuche bzw. dem Recruiting, der Kultur und dem Arbeitsklima etc. 

In der Konsequenz heißt das: Man muss schon sehr gezielt schauen, an wessen Mindset man arbeiten will. Von den Angehöriger zweier dieser Gruppen kann der Versuch an deren Mindset zu feilen als übergriffig empfunden werden und damit auf maximalen Widerstand treffen. So bleibt die Frage, wie man damit umgehen kann. 

Ich sehe da vor allem den Weg über die guten alten, aber dann doch ganz anders genutzten Regeln und Rahmenbedingungen. 

Wenn man an und in Organisationsstrukturen denkt, denkt man zunächst und zumeist in Organisations-, Führungs- und Strukturmodellen. Und das aus gutem Grund: Modelle haben einen enormen Vorteil: sind ‚nur‘ kompliziert. Sie tragen keine eigene Komplexität in sich, zumindest sollten sie das nicht, um erklär- und umsetzbar zu bleiben. Aus Ihnen wird erst dann ein komplexes System, wenn der Mensch beginnt in und mit ihnen zu arbeiten. 

Solche Modelle bestehen zum größten Teil aus mehr oder wenigen einfachen, impliziten wie auch expliziten Regeln, mit den wir komplexe Sachverhalten „kleinreden“. Auf diesem Weg werden diese dann – nur noch kompliziert – wenigstens annähend beschreib- und damit handhabbar. Das verändert zwar nicht die Komplexität des Problems, liefert aber Ansätze, um mit geeigneten Rahmenbedingungen und der Fähigkeit der Menschen, mit Komplexität umzugehen (indem er/sie sie zugleich zum Modell hinzufügt). 

Regeln, Regeln Regeln?!!

Hier lohnt sich eben auch der zweite Blick, um vielleicht doch einen Weg zu finden, die innere, im System steckende, Komplexität von Unternehmen zu verringern. Ich sehe an dieser Stelle vor allem kluge und klare Regeln. Regeln, die den einen Raum geben, um Dinge auszuprobieren und das Unternehmen zukunftssicherer zu machen, Regeln, die die anderen verstehen und anwenden können, um ihren Job gutzumachen und Regeln, die Weiterentwicklung nicht nur bedingen, sondern fordern, und für diejenigen, die das Unternehmen unter Umständen zu sehr auszubremsen drohen, klare Konsequenzen folgen lassen. 

So kann eine Regel sein, Regeln zu identifizieren, die Arbeit verkomplizieren, statt sie zu erleichtern. Eine andere Regel kann sein, Ideen und Innovationen mittels virtuellem Crowdfunding durch die Mitarbeitenden zu unterstützen, sodass neue Ideen einfacher einen Weg finden ausprobiert zu werden und zugleich viele Menschen die Erfolgschancen mit bewerten und das Thema unterstützen. Eine dritte Veränderung könnte sein, Entscheidungswege und/oder Bonizahlungen auf den Prüfstand zu bringen und ihre Wirkung im Gesamtkontext zu betrachten, statt nur die individuellen Vorteile zu sehen. 

Es ist nicht leicht „kluge“ und „klare“ Regeln zu finden, die in und für eine spezifische  Organisation funktionieren. Es ist ein Prozess, der viele Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, Denk- und Handlungsweisen mit einbeziehen sollte. Aber es ist eben wieder mal auf ein Prozess der verbindet, Verständnis schafft und allein dadurch schon die innere Komplexität verringert.

Vielleicht lässt du den Gedanken mal sacken, und ihr startet in eurer Organisation einfach mal den Versuch zunächst an den Regeln, statt den Mindsets zu arbeiten. Werft doch zunächst einfach noch mal einen Blick auf die Normen, Vorgaben, Annahmen und Strukturen. Ich bin überzeugt, dass an der Stelle in jedem, wirklich jedem Unternehmen noch einiges an Potenzial steckt, dass leichter zu bearbeiten und zu heben ist, als auf anderen Wegen.

Anfragen zur gemeinsamen Arbeit an Normen, Regeln, Rahmenbedingungen, Annahmen und Strukturen gerne per e-mail oder Direktnachricht.  

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