Würde ist ein großer Begriff, zudem ein Begriff mit vielen Definitionen und so vielen Variationen, wie es Menschen gibt. Und es ist ein Begriff, der im Kontext Arbeit bislang erstaunlich wenig vorkommt. Dennoch, oder gerade darum ist er im Zusammenhang mit unserer Arbeit wichtig. ‚Würde‘, so wie wir sie im Arbeitsalltag erleben, sollten wir (zumindest) auffassen als etwas, das Ohnmacht und Entwürdigung vermeidet und zu der individuellen Wahrnehmung eines glücklichen Lebens führt.
Dabei umfasst ‚Würde‘ mehr als die klassisch(-neuen) Ansätze wie Sinn/Purpose, Meaning/Bedeutung oder die Möglichkeit zur Selbstorganisation. ‚Würde‘ in diesem Kontext bedingt ein systemisches Verständnis der Zusammenhänge (statt der Einzelmaßnahmen) und trägt zugleich einen moralisch/ethischen und damit zwischenmenschlich-kulturellen Anteil in sich.
Was das im Arbeitsleben bedeutet, lässt sich mit Antworten auf drei Reflektionsfragen relativ gut um- bzw. beschreiben (inspiriert von Peter Bierls „Eine Art zu Leben“) :
- Eine Frage zum individuellen Umfeld: Wie behandeln mich die anderen, d.h. mein Arbeitgeber / die Organisation, meine Führungskräfte und meine Kollegen?
Konkreter: Was darf man mir auf keinen Fall nehmen, wenn man seine Würde schützen will? Was würde dazu führen, dass ich mich ohnmächtig und entwürdigt fühle? - Eine Frage zur persönlichen Sicht: Welche meiner Denk- und Handlungsmuster führen dazu, dass ich meine Würde bewahre und wodurch könnte ich sie verspielen? Wie baue ich eine würdige Wahrnehmung meiner selbst auf und wie, bzw. wobei riskiere ich diese in der Organisation?
- Eine Frage zu Emotionen und Bedürfnissen: Welche Art mich selbst zu sehen, zu bewerten und zu behandeln, gibt mir das Gefühl von Würde? Was brauche ich von mir, um meine Arbeit als etwas Positives für mein Leben wahrzunehmen?
In der Zusammenschau ergibt sich ein recht ehrliches Bild davon, was man individuell als würdig und würdevoll annimmt. Es zeigt auf, was man als wirklich, ja fast existenziell wichtig für sich erkennt.
Wofür ist Würde wichtig?
Wo ich mich akzeptiert und gewürdigt fühle, bringe ich mich mehr ein, als in einem Umfeld, dem ich, aus eigenem, wiederholten Erleben, egal bin und das mir, als Reaktion darauf, auch egal ist. Würde ist damit das zentrale Grundelement und der Kern der Antwort auf die Frage, worum es (den meisten Menschen im Job und im Leben) wirklich geht.
Das Problem, das ich immer wieder sehe: In einer Tradition der (Über)Reglementierung hat sich so etwas wie „institutionelle Entwürdigung“ etabliert. Viele kleine und in der Menge doch beträchtliche Regeln, Normen und Vorgaben, die in vielfältiger Weise, mit kleinen und großen Einflüssen entwürdigend wirken. Sie vermitteln, dass es nicht erwünscht ist und auch nicht lohnt, Erfahrungen, Kompetenzen, Menschlichkeit, einzubringen, sondern verweisen darauf, dass alle Eventualitäten bereits geregelt sind – und andere einfach nicht vorkommen können und dürfen. Oder sie machen das Abweichen von etablierten Wegen so aufwändig und unattraktiv, dass niemand, dessen Hausverstand noch funktioniert, auch nur im Mindesten auf die Idee kommt, die Dinge einfacher, stringenter und besser machen zu wollen. Den Menschen so die Nutzung ihrer wichtigsten Ressource zu vergrämen ist entwürdigend.
Würde bedeutet in diesem Kontext daher auch die Freiheit, Entscheidungen, die die eigene Arbeit betreffen, unabhängig treffen zu können.
Wie ist es um Deine Würde bei der Arbeit bestimmt?