Gunter Dueck hat vor ein paar Tagen wieder tief hineingeblickt in uns Menschen. Dabei hat er nichts weiter getan, als die Analogien des Mount Stupid Bildes von Zach Weinersmith mit dem Gardner Hype Cycle aufzuzeigen. Beide Kurven befassen sich damit, wie wir mit Ideen und Veränderungen umgehen, sie annehmen (oder auch nicht) und durch welche Niederungen faktischer und emotionaler Erkenntnisse wir gehen (müssen), um neues in die Welt zu bringen.
 
Beide Kurven bieten sich daher genauso an, die Implementierungsphasen der großen aktuellen Transformationen zu beschreiben. Und sie eignen sich, um aufzuzeigen, welche Wege dabei nicht gegangen werden sollten.
 
Je mehr ich an, mit und „in“ diesen Transformationen arbeite, desto klarer wird, dass sie sich alle im Kern um die Nutzung und Aktivierung von Agilität, der kognitiven und sozialen Potenziale aller Mitarbeiter in einer Organisation drehen. Wie das zugehörige Bild aussieht, kann gerne hier nachgelesen werden.
 
Wie also sieht das Thema Agilität aus, wenn man es in einem Phasenmodell, unter Berücksichtigung der (aus meiner Sicht leider) allzu richtigen Erkenntnisse der Gardner Hype Cycle und des Mount Stupid (ggf. gemischt mit ein wenig Dunning-Kruger-Effekt(https://de.wikipedia.org/wiki/Dunning-Kruger-Effekt) darstellt. Wobei, dies möchte ich bei dieser eher ungewöhnlichen Mischung von Konzepten vorausschicken, dies ein tatsächlich sehr, sehr ernstzunehmender Einführungsansatz ist, einer, der sich insbesondere von den immer erfolgloseren klassischen Change-Modellen wesentlich unterscheidet.
 

Die Abkürzungsfalle

Wenn in klassischen Change Projekten ein Projekt Management Office den „lead“ übernimmt und die Verantwortung für die weiteren Entwicklungen hier abgeladen wird, wenn Melonenampeln (innen rot, außen grün) auftauchen und die Projekt-Mittelsmänner und -frauen versuchen die vielen verschiedenen Notwendig- und Befindlichkeiten unter einen Hut zu bringen, dann liegt das Kind meist schon tief unten im Brunnen. (Ich war selbst lange genug in diesen Rollen unterwegs).
 
Im Rahmen der heute vielfach noch etablieren Entscheidungswege reden hier, zwischen Steering-Commitee und Project-Lead, oft nur noch mehr oder weniger interessierte Laien miteinander. Zu selten sitzen in den Boards Menschen, die das Thema in mehr als nur seinen Grundzügen tatsächlich verstanden haben und die Konsequenzen ihrer Entscheidungen im positiven wie im negativen, tatsächlich und vollständig absehen können. Hier wir im Nebel gestochert, ohne Sicht, ohne echte Orientierung aber mit der Überzeugung, der kompetente (wenngleich einäugige) Entscheidungsträger unter den Blinden zu sein.
 
Organisationen, die so vorgehen, sind bereits in die Abkürzungsfalle getappt. Sie, bzw. ihr Management, hat haben entweder versäumt sich bezüglich der tatsächlich unternehmensweit wichtigsten Themen das relevante Wissen anzueignen, oder die Entscheidungsprozesse sind falsch strukturiert. Sie haben entweder zu sehr abgekürzt oder nicht richtig.
 
Sie haben den Weg des Kompetenzaufbaus abgekürzt, ohne zugleich die Entscheidungsprozesse umzubauen und Entscheidungen da treffen zu lassen, wo faktisch die notwendige Kompetenz vorhanden ist. Sie haben damit auch die Erfolgswahrscheinlichkeit stark gekürzt.
 

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Von der Ablehnung zum Engagement

Wie Harald Schirmer in „Chefs, wir müssen reden!“ schreibt, scheinen ein paar der neuen Themen zu wenig Akzeptanz und Priorität bei einigen Top-Managern zu besitzen – was ich leider bestätigen kann. Entsprechend geht es in der ersten Phase eines zur Abkürzungsfalle alternativen Vorgehens, um die Überwindung dieser Ablehnung und den Kampf um die knappste Managementressource überhaupt: Zeit. Es sind die Fragen danach, warum gerade dieses aktuelle Thema (insbesondere die großen Transformationen („Digitalisierung“, „new work“, „Innovation“) und ganz zentral Agilität) so wichtig für das Unternehmen und die Führung ist, dass die Investition von Zeit (und ggf. Geld) und der immer wieder drohende Macht- und Statusverlust (gerne) in Kauf genommen wird. Es ist der Weg der Erkenntnis, der angebahnt werden muss, um die Erfolgsquote dieser so massiven und notwendigen Veränderungen zu erhöhen. Ein Weg, der in hohem Maße auf die Aktivität in der Top-Führung baut. (Welchen Einfluss Agiles Management auf die Entwicklung der Unternehmen hat, haben wir im Rahmen unserer Studie zu diesem Thema gerade nachgewiesen. // Lukas Michel)
 
Es ist ein Weg, der sich über persönliche Gespräche mit vertrauten Menschen aus dem Umfeld schneller gehen lässt, als über Powerpoints, Zahlen und Best Practices (von Beratern). Darum brauchen neue Themen kompetente „Peers“, interne Botschafter, Hofnarren und begeisterte Protagonisten, die die ersten Hemmschwellen bei Top-Managern abbauen und sie für einen Anflug von „nur noch“ Skepsis öffnen.
 

Phase I
Wenn die Ablehnung in Skepsis übergeht, ist es an der Zeit, mit Experten das Thema in Tiefe zu durchleuchten. Im Fall von Agilität nenne ich diese „Agile Supervisor“. Es sind Menschen die zusätzlich zu den Kompetenzen eines Agilen Coaches ein deutlich ausgeprägtes Zusatzwissen im Kontext von Managementstrukturen und der Wirkung von Agilität auf die Gesamtorganisation haben. Im Idealfall sind auch dies Mitarbeiter der Unternehmen, ggf. mit externer Unterstützung.
 
 
Ihr Job ist, Wissen und Kompetenz beim Management so zu vermitteln und aufzubauen, dass diese die nächsten Schritte ganz bewusst und umfänglich entscheiden können. Dies ist um so wichtiger, da der Weg in Richtung Agilität auch ein Weg weg von einem steuerungsfokussiertem Managementdesign hin zu einem wirkungsfokussierten ist. Die bedeutet einen fundamentalen Paradigmenwechsel, der ohne bewusste Reflexion der Auswirkungen ins Chaos führt.
 
Wenn Skepsis in Offenheit mündet wird der Raum geschaffen, in dem das neue Wissen durch Erfahrung zur Kompetenz wachsen kann. Jetzt kann im Management begonnen werden, im Kleinen das agile mindset zu leben und auszuprobieren. Das Ziel ist, ein (gutes) Gefühl dafür zu entwickeln, was mit dieser Haltung geschaffen werden kann, und was nicht. Und es ist die Zeit für eine ganz bewusste und umfassende Reflexion des Status Quo, ohne Scheuklappen, ohne Beschönigung. Offen und ehrlich, gerade auch WEIL nicht alles Gold ist, was glänzt.
 
Hier kann der Gipfel des Engagements erreicht werden, bevor…. nunja, bevor der Niedergang beginnt. Denn mit dem Gipfel wird auch der Punkt erreicht, an dem in Folge der Reflexion klar wird, welche große Aufgabe und welcher verantwortungsvolle Weg vor der Organisation und dem Management steht.
 
Und bei großen Aufgaben vertrauen auch heute weiterhin viele in Rollenmodelle und Vorbilder – und das sind auch weiterhin die großen Führungskräfte.

Vision und Philosophie

In der nächsten Phase der Entwicklung beginnt die eigentliche Arbeit an der Basis. Agilität braucht ein organisationales Fundament, dass es aufzubauen gilt. Einige essenzielle und existenzielle Elemente müssen aktiv und bestenfalls in Abstimmung mit den Protagonisten gestaltet werden, um Mitarbeitern ein agileres Arbeitsumfeld zu schaffen. Zentral ist die gemeinsame Vision, die den Mitarbeitern erlaubt zukünftig Entscheidungen zu treffen, die im Geist dieser Vision begründet und vermittelt werden können. Ebenso gehört eine Betrachtung des Wertekanons und Überlegungen zu einer Zusammenarbeitsphilosophie dazu, die geteilt und sukzessive weiter entwickelt werden können. Kulturarbeit pur. Es gilt zu erfahren und auszuprobieren, welche Kommunikations- und Kollaborationswerkzeuge funktionieren und genutzt werden können, auch um die notwendigen vielfältigen Dialoge in Gang zu bringen und zu halten. Die Eckdaten für den Aufbau fluider Teams, von Talentakquise, dem Aufbau interner Netzwerke, den Interaktionsparametern und nicht zuletzt neuer, dem Thema angepasster Monitoringkennzahlen (ja auch das) gehören hierher. Dazu kommen dann noch hunderte kleinerer Themen und Probleme, die betrachtet, durchdacht und gelöst werden wollen.
Phase II
Die gegenseitigen Abhängigkeiten in der Wertschöpfung, dem Wertbeitrag und der Wertschätzung zwischen den verschiedenen Teams und Bereichen brauchen hier ebenso Klarheit, wie es den Mitarbeitern auf dieser Basis möglich sein muss, die Bedeutung des eigenen Beitrags daraus abzuleiten. Und auch für die diejenigen, die dabei feststellen, dass ihre alte Rolle im neuen Kontext keine Bedeutung mehr hat, wollen und müssen bedacht und Angebote in Form neuer Aufgaben und Rollen geschaffen werden. Es ist die Zeit, in der proaktiv in die Zukunft geschaut wird, in der die Trends als mögliche Entwicklungsrichtungen interpretiert und Schlüsse daraus gezogen werden.
 
Hier ist das Management auf die tatkräftige Unterstützung der Führungskräfte und engagierter Mitarbeiter angewiesen. Viel Agilitätswissen steckt ja bereits in den Unternehmen, es will oft nur Raum haben.

Skalierung bis zur maximal möglichen Partizipation

Erst jetzt, nach einer gefühlten Ewigkeit, ist es sinnvoll agile Experimente auf dem Shopfloor und in den Teams zu wagen. Erst jetzt ist genug Wissen über die Herausforderungen und Folgen der Existenz von agilen neben nicht agilen Teams in der Organisation vorhanden, um zielgerichtet damit umzugehen. Zu viele „Agile Projekte“ scheitern an den Dissonanzen und Abstoßungsreaktionen zwischen agilen Teams und den noch nicht agilen Einheiten und Führungskräften. Zu oft wird hier ausgehebelt und ad absurdum geführt, was zuvor mühevoll als kleines Pflänzchen hat wachsen sollen.
 
Hier ist das Refugium der Agilen Coaches, die jetzt mit den Mitgliedern der Organisation den Tenor agiler Zusammenarbeit diskutieren und die vielen organisationsindividuellen Lösungen finden können, die notwendig sind. Hier entsteht der agile Raum, dessen Rahmenbedingungen und Leitplanken zuvor definiert wurden und die jetzt regelmäßig in Retrospektiven reflektiert werden müssen. Hier ist und entsteht für alle wahrnehmbar Sicherheit und Stabilität, die Agilität in größerem fordert und fördert. Hier entsteht jetzt nach und nach das einzigartige Gebilde der agilen Organisation die auf einer starken organisationalen Agilität fusst.

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Natürlich ist das alles nicht einfach. Natürlich wäre es leichter den Projektplan etwas „Scrum-like“ zu machen, Kanban Boards einzuführen und nach und nach agile Teams aufzubauen. Aber es geht nicht nur darum, den Weg einfach zu machen. Es geht darum ihn am Ende, möglichst mit allen, und daher doch wieder von „oben“ initiiert, erfolgreich zu meistern.
 
Agilität ist nicht, wenn jeder alles kann; es ist, wenn jeder Raum hat seinen Teil beizutragen, wenn jeder weiss und will.