>>> Standpunkt <<<
Es ist schon erschreckend, wie viel heute über Kultur, über Wandel, grassroot Initiativen, neues HR, mehr Agilität, digitale Transformationsnotwendigkeiten usw. gesprochen wird, ohne, dass irgendjemand mal tiefer bohrt oder auf den Punkt kommt.
Keines der Unternehmen, die ich kenne, hat sich einem Wellness-Selbstzweck verschrieben. Ich habe noch niemanden getroffen, der sagt, dass er sein Unternehmen nur deshalb im Markt hält, weil das Thema Kultur wichtig ist oder weil der Wandel solchen Spaß macht. Es geht noch immer, wie seit geschätzt 3.000 Jahren, um Ergebnisse, um Erfolge, um positive Wirkung.Dennoch und aus gutem Grund gibt es eine zunehmende Zahl an Management- und Führungsmodellen, die auf einen Kulturwandel fokussieren. Die versuchen diesen „neuen“ Hebel greif- und fassbar zu machen. Langsam wächst die Erkenntnis, dass die Stellschrauben jenseits objektiver Zahlen, Daten, Fakten sich in den Bereich subjektiver Wahrnehmungen verschieben. Mit dem Thema „Kultur“ ist auch das Bewusstsein gewachsen, dass es um subjektive Wahrnehmungen geht und, einen Schritt weiter, gerade auch die intersubjektiven Wahrnehmungen, der gemeinsame Glaube daran, wozu Aufgabe dienen, wie Dinge funktionieren, wofür wir sie brauchen, von substanzieller Bedeutung sind. Es wächst das Bewusstsein, dass Erfolg aus gemeinsamer Zufriedenheit, aus Verbundenheit und intensiver, fokussierter und zugleich freier Interaktion entsteht.
Früher hieß es: Menschen kommen wegen der Aufgabe ins Unternehmen. Dann setzte sich der Glaube durch, dass Employer Branding, also das, was vom Unternehmen nach außen sichtbar ist, Menschen anzieht – ganz vorne dabei die Kultur. Doch was passiert, wenn die Menschen dann im Unternehmen sind? Warum bleiben Menschen, warum bringen sie sich ein – oder auch nicht? Wer hält sie?
Die einfache Erkenntnis: Menschen bleiben wegen anderer Menschen. Konkret: Sie bleiben wegen der Menschen mit denen sie arbeiten, mit denen sie den gemeinsamen Glauben haben, dass das, was sie tun, Bedeutung für sie und das Unternehmen hat, mit denen sie erkennen, dass sie selbst UND das Team durch die gemeinsame Arbeit gewinnen. Sie bleiben, weil sie erkennen, dass im Team Emergenz entsteht, dass 1 + 1 deutlich größer wird als zwei.
Damit Menschen dies spüren – ja: „spüren“, denn es sind Gefühle die uns in Teams halten – brauchen sie Raum für (diese) Gefühle, für positive (Selbst)Erfahrungen, um sich auszuprobieren, um neue Erkenntnisse zu sammeln. Sie brauchen Bestärkung, Trost, konstruktive Auseinandersetzung, Dialog. Sie brauchen Interaktion und Kommunikation. Und sie brauchen natürlich die allem den Rahmen gebenden, irgendwie dann doch bedeutungsvolle Aufgabe (und, nicht nur nebenbei, das Wissen, wie, wo und wodurch ihr handeln Wirkung erzeugt).
Es ist der gemeinsame Glaube daran, was miteinander und durch die gemeinsame Arbeit entsteht, der das Umfeld erschafft, in der Menschen zusammenarbeiten können und wollen. Der gemeinsame Glaube an das Ziel, die Aufgabe und (ja, auch) die Be-/Entlohnung für das Erreichen des Ziels. Erst dieser gemeinsame Glaube ermöglicht, dass aus dem subjektiven Ich, dem „ME“, der Mehrwert des „gemeinsam“, des „WE“ wird.
Warum schreibe ich das alles?
Um in Zukunft Unternehmen erfolgreich zu machen, reicht der Blick auf die Kultur oder die Umsetzung der gerade anstehenden Transformationen nicht aus. Um die Wirkung einer Organisation zu langfristig und nachhaltig zu verbessern, müssen wir die Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit von Teams (und Zusammenarbeit) geeignet gestalten. Die etablierten Management- und Führungsansätze bilden diese Anforderung selten ab. Sie sind Relikte aus einer Zeit, in der der Fokus im Management auf anderen Themen lag. Das setzt voraus, das Ziel der „planvollen Steuerung“ durch das einer „resultierende Wirkung“ zu ersetzen. Es setzt voraus, nicht nur über den Tellerrand hinauszublicken, sondern den Rand zu erklimmen und sich neu umzuschauen.
Nebenbei und doch mitten drin
Zur Zeit frage ich euch in einer kleinen Umfrage, wie ihr die Zukunft in eurem Unternehmen (mit) beeinflusst. Das bisherige Ergebnis ist einerseits ernüchternd, andererseits hoffnungsvoll. Es zeigt, dass in vielen Fällen das mittlere Management und die Mitarbeiter den Wandel wollen und von sich aus fördern. Zugleich ist das Bild des Top-Managements deutlich diffuser. Ein (zu) großer Prozentsatz scheint mit alten Maßnahmen nach neuen Erfolgen angeln zu wollen.
Ich freue mich, wenn die Umfrage weiter aus meiner Filterblase ausbricht. Also, bitte mitmachen, weiterempfehlen und teilen. Mitte April schließe ich die Befragung, bereite die Ergebnisse auf und werde sie dann den Interessenten zusenden und hier vorstellen.
Bis dahin hier noch ein paar Fragen für euch
- Wo sind die offiziellen und inoffiziellen Teams? Wer kann (wirklich) gut miteinander und wer nicht?
- Was hilft meinem Team/Unternehmen, wirklich dabei, langfristig optimale Wirkung für das Unternehmen zu erzielen? Welche Voraussetzungen müssen zusätzlich gegeben sein?
- Was ist den Menschen im Team / im Unternehmen wirklich & individuell wichtig (am erleben ihrer Arbeit)? Welche, manchmal kleinen, Routinen, Begegnungen, welche Art des Austauschs macht den großen Unterschied für sie aus?
- Wie kann ich dafür sorgen, dass jedes (sub)Team und jeder Mitarbeiter sich das Arbeitsumfeld schaffen kann, in dem optimale Leistung für das Unternehmen möglich ist?
- Wie schaffe ich ein „WE“, die Gemeinschaft, in der sich das „ME“, das individuell Bedeutsame und Persönliche wiederfinden kann.