>>> Reflexionsimpuls <<<
Das letzte Treffen mit Alex lag jetzt zwei Wochen zurück. In dieser Zeit war wenig im Unternehmen passiert, aber es hatte einige Gelegenheiten gegeben, darüber nachzudenken, welche Hebel man in die Hand nehmen könne, um die Theorie zu verlassen und in der Praxis Wirkung zu erzeugen.
Die Frage(n), mit der Alex jetzt vor mir saß, war, wie man konsequent und anhaltend das Denken und darauf aufbauend das Handeln verändern könne? Wie man einen Wandel initiiert, der ökonomisches, soziales und ökologisches unter einen Hut bringt? Wie man Vorgaben, Annahmen, Parameter und Indikatoren so anpasst, dass Nachhaltigkeit einfach und für das Unternehmen attraktiv wird? Damit einher ging die Frage, wie sich Macht- und Einflusssphären verändern und Entscheidungswege, ggf. auch neu, gestalten ließen?
Alex hatte die nächste Ebene eines bewussten Wandels, eines Wandels, der das „Corporate Mindset“, das organisationale Betriebssystem mit einschloss, erreicht.
Alex saß so also vor mir und suchte nach Möglichkeiten in den Kern des Unternehmens vorzudringen, ohne gleich alles umzustoßen. Wie, das war der Kern der Fragestellung, stellt man ein Unternehmen darauf ein, umfassend nachhaltiger zu agieren, ohne es neu aufzubauen und wesentliche Einbußen hinnehmen zu müssen? Sanft, umsichtig und zugleich mit aller notwendigen Vehemenz.
Nachdem wir in unserem vorherigen Gespräch die Zusammenhänge zwischen Managementansatz, Führungskonzept und Geschäftsmodell angerissen hatten, war es jetzt Zeit auf eine weitere wichtige Dimension einzugehen, um ihre Wirkung zu betrachten: die sehr unterschiedlichen Zeithorizonte, mit denen starke Nachhaltigkeit im konkreten Unternehmenskontext verknüpft ist.
Während sich die Wirkung ökonomischer Themen meist in Quartalszahlen und Jahresbudgets messen lassen muss, sind für die soziale Komponente, die sehr von einem menschenzentrierten Miteinander geprägt ist, längere Zeiträume, etwa die Verweildauer von Mitarbeitenden oder der Bestandsdauer von Kundenbeziehungen, relevant, um die Wirkung von Maßnahmen bemessen zu können. Hier sind es oftmals Entwicklungen, die über Jahre laufen.
Die Messbarkeit ökologischer Wirkmomente zeigt sich schließlich erst nach von Jahrzehnten oder gar Generationen. Erst dann wird klar, wie sich der sorgsamere Umgang mit Ressourcen wie Wasser und Energie, oder die Mehr- bzw. Wenigerbelastung der Umwelt mit CO2, tatsächlich auswirkt und ob heute ergriffene Maßnahmen Erfolg zeigen.
Während sich die ökonomische Welt also bereits mehrfach gedreht hat, ist die ökologische kaum in Bewegung gekommen. Und auch wenn die Politik hier versucht, mit Maßnahmen, wie einer höheren CO2-Bepreisung Ökonomie und Ökologie zu verknüpfen und Energiepreise an neue Erzeugungsformen angepasst werden, lässt sich die tatsächlich erlebbare Wirkung erst in schwer vorstellbaren Zeiträumen erfassen und bemessen.
Dieses Dilemma trifft Unternehmen zurzeit besonders hart, weil die Klimakatastrophe diese Büchse der Pandora eröffnet hat. Die Auswirkungen des ökonomisch fokussierten Handelns der letzten zig Jahrzehnte werden überall deutlich sichtbar, während die Hoffnung auf eine aufwandsarme Lösung in der Büchse verborgen bleibt. Es muss investiert werden, ohne direkten, messbaren, nachprüfbaren Nutzen zu erreichen. Einzig die Reaktion der Kunden und Märkte kann ein Indikator sein. Dies sprengt jeden ökonomischen Rahmen und macht ökologisch bewusstes Entscheiden immens schwer.
Ein Umsteuern im Denken und Handeln tut Not, braucht aber eine klare Richtung und ein für alle Beteiligten lohnendes Ziel, die beide alle drei Komponenten starker Nachhaltigkeit beinhalten. Um dieses Zielbild zu entwerfen, brauchen wir ein neues, smarteres Set an Denk-, Handlungs- und Strukturmustern, das wir nur dann erfolgreich etablieren können, wenn wir das Gesamtbild in den Blick nehmen und uns die Hintergründe und Optionen klarmacht.
Zugleich sind die drei Elemente zirkulär eng miteinander verknüpft und bilden, gut aufeinander eingestellt, schließlich einen Wirkungskreis. Um die Köpfe für ökologisches Denken und Handeln freizuhaben brauchen wir ein sozialkompetentes (menschenzentriertes) organisationales Umfeld. Dies wiederum fußt auf ökonomischer Sicherheit und Stabilität. Ohne diese Grundlage läuft das Kartenhaus Gefahr zusammenzubrechen, bevor der Einfluss eines gelebten Ökologieverständnisses greift und der Organisation, durch erweiterte Denk- und Handlungs- und Innovationsräume, neue Stabilität gibt.
Schritt für Schritt
Die meisten Unternehmen agieren, mit einem (möglichst) klaren Fokus auf die Wertschöpfung. Das Erreichen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen bestimmt über Macht-, Einfluss- und Entscheidungsstrukturen.
Interessanterweise wird das streng KPI getriebene Handeln oft genug dadurch ad absurdum geführt, dass sich bürokratische Monster geschaffen, Strukturen und Prozesse entwickelt haben. Diese nutzen oft alle Möglichkeiten, um sich selbst zu schützen und unbeobachtet zu vermehren. Das kostet unglaubliche Mengen an Energie und verursacht riesige wirtschaftliche Schäden. (Um ein Gefühl dafür zu entwickeln, lohnt eine Messung der in der verfügbaren „Organisationalen Energie“ (nach Prof. Dr. Heike Bruch) oder des Bürokratiemengenindexes (nach Gary Hamel) der Organisation.)
Wer ernsthaft wertschöpfungsorientiert Denken und Handeln will, nimmt diesen Monstern die Lebensgrundlage, indem in einem ersten Filterprozess alle Tätigkeiten auf ihren echten Beitrag zur Wertschöpfung hin untersucht werden. Aber das hatten Alex und ich ja bereits hier angesprochen.
Mit Blick auf die kommenden Herausforderungen hat eine zunehmende Zahl von Unternehmen begonnen, dem sozialen Aspekt mehr Raum zu geben und ertrags- bzw. ergebnisorientiertes Denken und Handeln mit menschenzentriertem Management und Führung zu verknüpfen.
Ziel und Ergebnis ist echte Spitzenleistung, durch eine vereinfachte Zusammenarbeit, stärkere Vernetzung, Verbundenheit und mehr Wertschätzung usw.. (Wer sich selbst ein Bild machen möchte, sollte an der aktuellen Studie von AGILITYINSIGHS teilnehmen. Die Teilnahme ist übrigens kostenfrei und dennoch aufschlussreich, indem neben dem Staus auch mögliche Hebel aufgezeigt werden.)
Um schnell Tief ins Thema einzusteigen, hilft es sich zu überlegen, wie die Bedürfnisse der Menschen, von Kunden wie auch von Mitarbeitern erfasst und strukturiert werden können? Ein Weg wäre es, eine eigene an die Idee Maslows angelehnte Bedürfnispyramide zu entwickeln, um so zu mehr Klarheit bezüglich verdeckter Erfahrungen zu kommen?
Wenn jetzt Ökologie mehr Raum einfordert oder einnehmen soll, ist es notwendig, nicht nur ökonomische Wertschöpfung und soziale Wertschätzung klug und eng miteinander zu verknüpfen, sondern auch noch den ökologischen Werterhalt einzubinden. Es gilt also dafür zu sorgen, dass die Leistungsfähigkeit, das Wissen und die (dazu) notwendigen Ressourcen langfristig weiter zur Verfügung stehen bzw. immer wieder neu genutzt werden können.
Implementierung ins System
Es ist enorm schwer, diese Aspekte in ein (gut) funktionierendes Organisationssystem einzubringen. Auch hier gilt „never change a running system.“. Dennoch ist es die Aufgabe, der sich (Geschäfts)Führung (und am Ende auch jeder Mitarbeitende) in den nächsten Jahren zu stellen hat. Sie betrifft Kundenbeziehungen, Ressourcennutzung, das Verständnis für leistbare Verluste und erzielbare Gewinne usw.. Sie betrifft fast alles und fast jeden und ist in ihrem Umfang zu groß, um auf die Schultern eines „Chief Ecology Officers“ oder die entsprechenden Führungsmenschen von Abteilungen und Bereichen abgeladen zu werden.
Ein Wandel in dieser Form braucht einen Breakpoint, von dem aus neu gedacht werden kann. Einen Zeitpunkt, der als Zeitenwende verstanden werden kann und ab dem neues Handeln eine zwingend logische Schlussfolgerung und kein erdachtes Konstrukt ist – wie im Privaten die Geburt des ersten Kindes, oder der Auszug aus dem Elternhaus. Idealerweise etwas, dass von der Geschäftsführung initiiert das gesamte Unternehmen betrifft. Aber solche Breakpoints kann und sollte) man auch im kleinen schaffen und nutzen.
Man kann sich einen solchen Breakpoint schaffen, indem man (sich) erlaubt, vor dem Hintergrund einer veränderten (Um)Welt, einige der prägenden Grundannahmen zu hinterfragen. Als Ansatzpunkte dienen hier für mich:
- Welche Vision eignet sich, um Ökonomie, soziales und Ökologie geeignet, verständlich und erstrebenswert zusammenzubringen?
- Welche (zusätzliche und neue) Mission ergibt sich daraus?
- Was heißt das für die Strategie der nächsten Jahre?
- Welche Wege gilt es einzuschlagen, welche sollten ausgelassen werden?
So sehr das nach einer Managementaufgabe klingt: Ich kann jedem nur raten sich 30 Minuten Zeit zu nehmen, um sich selbst dazu Gedanken zu machen – sowohl in Bezug auf den aktuellen Arbeitgeber, als auch mit Blick auf die eigene Karriere.
Gerade für Führungskräfte empfehle ich zudem sich zu überlegen:
- Wie können solche Neubewertungen genutzt werden, um als Organisation in einen neuen Flow zu kommen, um neue Energien zu wecken?
- Wie kann man hinderliche Prozesse durch hilfreiche ersetzen?
- Wie kann man systembedingte Konflikte auflösen und zukünftig vermeiden? (Zu den (Aus)Wirkungen systembedingten Konflikten findest Du mehr Informationen hier in einer meiner Studien.)
Anstrengend aber auch enorm hilfreich ist es, eine vollständige Neubewertung der ökonomischen, sozialen und ökologischen Wirkung aller, oder zumindest der wichtigsten und prägendsten Vorgänge und Bereiche vorzunehmen, von Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Logistik, Marketing, den Verwaltungseinheiten.
Kernfragen sind:
- Wo können Verbesserungen vorgenommen werden?
- Wo sind kleine Maßnahmen günstig, wo werden große Weichenstellungen benötigt?
- Von wem und wie wird die Erlaubnis erteilt, zu Lasten der Ökonomie, ökologischer zu handeln, und wer definiert und kommuniziert entsprechende Richtlinien, Leitplanken und Grenzen und Leitplanken?
Zu Schluss noch einige Orientierungspunkte für alle, die selbst öfter und gezielt in den Flow kommen wollen und insbesondere für Führungsmenschen, die einen entsprechenden Rahmen schaffen möchten:
- Geht das Thema „(gemeinsamen) Flow“ mit Selbstvertrauen, vertrauensvoll und vertrauenswürdig an.
- Sorge dafür, dass jeder (und Du) fokussiert an seinen Themen arbeiten kann. Schaffe Raum im Kalender für „Fokuszeit“ und grenzt Zeiten für bi- und multilateralen Austausch klar ab. Das klappt nicht nur bei der „Wissensarbeit“ gut.
- Formuliere Ziele so, dass eine starke Verbindung gemeinsamen und ganz persönlichen (intrinsischen) Zielen klar wird.
- Sei offen für Feedback und ehrlich, aufrichtig und respektvoll im Umgang mit Dir und anderen.
- Bewege Dich an der Grenze des Machbaren in Richtung einer echten (gemeinsamen) Herausforderung.
- Sei Dir der (gemeinsam) zu tragenden Konsequenzen bewusst.
- Schaffe freien Zugang zu den benötigten Ressourcen.
- Schaffe ein gesundes Maß an Stabilität und Sicherheit – d.h. nicht zu viel davon und klares Bewusstsein für mögliche Risiken. Psychologische Sicherheit ist ein wichtiges und kostbares Gut!
- Ermögliche das Gefühl einer starken internen Verbundenheit, eines positiven Miteinanders.
- Sorge für eine klare Kommunikation.
- Erlaube das Gefühl der Kontrolle, indem Du/jeder tatsächlich selbstbestimmt und unabhängig Einfluss nehmen kann.
- Mache Dir (und jedem) klar, worauf Du/jeder schon Stolz sein kann und welche spannenden, lohnenden und vielleicht herausragenden Dinge und Entwicklungen noch möglich sind. Schaffe eine erstrebenswerte Perspektive um damit mehr Selbstzufriedenheit (im positiven), ein besseres/realistischeres Selbstwertgefühl, mehr Selbstverantwortung und Selbstorganisation zu ermöglichen.
Wenn Du mit „Deinem“ Unternehmen hier noch am Anfang stehst und egal, welche Rolle Du im Unternehmen einnimmst,
- suche Gleichgesinnte
- Organisiere Treffen und/oder Barcamps um neue Ideen zu diskutieren und Nachhaltigkeit als Thema zu adressieren
- Sprich mit anderen darüber, welche Aufwände verringert werden und welche ausgeweitet werden sollten, und welche positive Wirkung die ökonomisch, sozial und ökologisch hat.
Egal, ob in „Deinem“ Unternehmen 10, 100 oder 10.000 Menschen mit Dir arbeiten. Die nächsten Jahre entscheiden darüber, ob es gelingt sich nachhaltiger aufzustellen und damit die großen Herausforderungen zu stemmen. Ich bin überzeugt, dass dies am langfristig und nachhaltig 😉 leichtesten gelingt, wenn man gleich beginnt an der Basis und den Ursachen zu arbeiten. Wenn Du das auch so, oder ganz anders siehst, freue ich mich über die Diskussion mit Dir hier auf diesem Kanal.
Wer sich mit einigen der angesprochenen Werkzeugen näher befassen möchte, hier meine Buchempfehlungen:
Zu „Breakpoints“: How to change – The science of getting fro whereyou are to where you want to be“ von Katy Milkman
Zu „Organisationaler Energie“: „Fully charged“ von Heike Bruch und Bernd Vogel
Zum „Bürokratiemengenindex“ „Humanocracy“ von Gary Hamel und Michelle Zanini
Zu „menschenzentrierter Führung“: „People-centric Management“ von Lukas Michel
Meine Studie zu systembedingten Konflikten kannst Du hier anfordern:
Die kurze Onlinebefragung für die erwähnte Studie zu „Spitzenleistung im Unternehmen“ findest Du hier. Anschließend erhält jeder Teilnehmer eine individuelle Zusammenfassung, die Chance eine ein vertiefendes Gespräch zu den Ergebnissen und nach Abschluss der Studie den Gesamtreport. Ich freue mich sehr über jede Teilnahme!