Vorab: NIEMAND ist verpflichtet diesen Beitrag zu lesen*)
Es scheint, als gäbe es eine tief verwurzelte Angst vor ehrlichen, tiefen (nein, nicht erotischen, sondern einfach nur) sozialen Beziehungen zwischen den Menschen in Unternehmen. Statt an einer Beziehungstiefe zu arbeiten, die Menschen motiviert ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zu teilen, wird Beziehungstheater gespielt, es wird sich angelächelt, nur um sich umzudrehen und die Messer zu wetzen. Es wird, geheuchelt und geflunkert, es werden Leichen im Keller verscharrt und wieder herausgezogen. Es wird vereitelt, verschleiert und vermurkst und das alles nur, um tradierte Machtverhältnisse zu sichern und die eigenen Fähigkeiten in maximal positives Licht zu rücken. Die ellbogengestützte eigene Karriere zählt mehr als der Erfolg des Unternehmens. Sogar sein stetiger Niedergang wird (un?)bewusst in Kauf genommen.
Kein Wunder, wenn in solchen Unternehmen korrosive Kräfte massiven Einfluss nehmen, wenn die sich Retter des verbleibenden Selbstwertes breit machen: Ironie, Sarkasmus und Zynismus sich breit machen. Doch Zynismus hat in diesem Kontext etwas Gutes, man hat sich vom Unternehmen innerlich längst verabschiedet und (immer) weniger zu verlieren.
Wenn ich ein Element benennen sollte, dass ganz zentral für das Fundament guter Zusammenarbeit steht, das dazu dient, die Nutzung von Chancen zu verbessern, die Reduktion von Aufwänden zu ermöglichen und langfristig positiv auf das Unternehmen zu wirken, dann ist das nicht ZDF, nicht Kontrolle, nicht Zielvereinbarungen oder einer der anderen 100 Führungsinstrumente, sondern, dann sind dies „Beziehungen“.
Der zu oft anzutreffende Mangel an Gespür für dieses Thema ist traurig und demotivierend. Er macht Zusammenarbeit zu einem Spießrutenlauf und einer Qual. Es hemmt, bremst und zerstört Energien. Er macht einfach ein saudummes, manchmal beklemmendes und ungutes Gefühl.
Und warum?
Die Idee, das soziale Gefüge in Organisationen dem „knallharten Geschäft“ zu opfern, hat dazu geführt, dass erwartet wurde und wird, zutiefst menschliches am Firmeneingang abzugeben und maschinenhaft Leistung zu erbringen. Natürlich es ist logisch und richtig, die geschäftlichen Beziehungen, an ökonomisch und nicht an Wohlfühlzielen auszurichten. Aber auf dem Altar der Gewinnmaximierung wurden Werte, Moral und (Zwischen)Menschlichkeit oft so weit geopfert, dass die Grundlage für soziales Miteinander arg gelitten hat.
Dabei brauchen wir als soziale Wesen, diese Grundlage, um auf einem hohen Niveau an- und miteinander zu arbeiten. Wir brauchen einen stabilen Rahmen, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit, Vertrauen, Sinn – nicht nur vom und im strukturellen Umfeld, sondern eben auch vom und im sozialen. Wir brauchen Raum für Emotionalität auf der einen und ehrlich gemeinte Empathie auf der anderen Seite. Wir brauchen einen verständlichen, gemeinsamen Werterahmen und Verständnis füreinander, Toleranz und zielgerichtete Kommunikation und Konfliktbewältigungskompetenz. Wir brauchen all, das was uns Menschen auch im übrigen Leben auszeichnet.
Worüber wir nachdenken sollten, gerade wenn wir in wild zusammengewürfelten Gruppen miteinander interagieren sollen, ist welche Beziehungsqualität und -tiefe wir uns für die Arbeit wünschen, was wir an Anerkennung suchen und an Ablehnung und Ignoranz aushalten wollen. Was definiert für die Menschen um uns herum eine gute (Arbeits)Beziehung, in der sie aufblühen und sich einbringen können und wollen? Wie sieht der Rahmen aus, was sind die gemeinsamen und individuellen Anforderungen und Erwartungen? Wie sollen andere auf mich eingehen, mit mir kommunizieren? Welche Art von Offenheit und Austausch ist es, die ich selbst für mich brauche, um gut mit denen klarzukommen?
Bin ich mir über all das nicht klar, ist die Gefahr zu groß Abstoßungsreaktionen zu erleben, auf die Nase zu fallen und andere dabei mitzureißen. Das sollte sich kein Unternehmen leisten (wollen). Die Gefahr ist zu groß, dass Silos entstehen, ab- und ausgegrenzt wird, nur weil man in die Handlungen, die dummen Sprüche und das unreflektierte Gelaber anderer zu viel oder auch zu wenig hineininterpretiert hat.
Dann können die Beziehungskisten in Organisationen korrosiv werden, dann können sie Brutstätte für negative Emotionen und Energien werden, die einfach nur alles kaputtmachen, statt zusammenzuschweißen, dann behindern sie, was leicht sein könnte und korrumpieren Leistung und Erfolg.
Ja, Beziehungen und vor allem gute Beziehungen sind auch in Unternehmen kompliziert. Sie erfordern die Bereitschaft zu geben und zu nehmen, anzubieten und ehrlich abzulehnen, sich Konflikten zu stellen und positive Emotionen zuzulassen. Sie sind umso komplexer in Zeiten wie heute, in denen Arbeitsorte und -zeiten zunehmend verschwimmen und der direkte analoge Austausch ein erstrebenswerter Luxus (statt wie früher zuweilen eine Last) geworden ist. Aber gerade in diese Komplexität steckt ein enormer Wert, denn sie eröffnet den Raum für echtes, langfristiges, motivierendes Miteinander, für soziale Strukturen, kontinuierlich Spitzenleistung ermöglichen, für neues Wissen, Ideen und Impulse.
Ich finde, es ist Wert sich dazu ein paar Gedanken zu machen.
Zu folgenden Themen sind in meiner IMHO-(„in my honest opinion“)-Reihe bislang Beiträge erschienen:
Fokus: IMHO – Hört auf eure Zeit zu verschwendet und lasst uns wieder mehr Fokus wagen
Wahlfreiheit: IMHO – Innovation braucht Wahlfreiheit! War’s das also mit dem Fortschritt?
Misstrauen: IMHO – Misstrauen muss man sich leisten können. Die Zeiten dafür sind vorbei!
Awareness: IMHO – Wir sollen noch immer nicht wissen, was wir tun? Für wie blöd werden wir gehalten!
Sinn: IMHO – Faszinierender, kaputter Sinn. Wohin soll das noch führen?
Alle diese Themen sind Analyseelemente unserer Diagnostiken von AgilityInsights. Im Zusammenspiel und der gemeinsamen Betrachtung stellen sie sehr konkrete und direkt nutzbare Hinweise und Hebel dar, mit denen wichtige Schritte hin zu mehr Spitzenleistung leichter gegangen werden können. Mehr Infos gerne auf Nachfrage.
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*) In der letzten Zeit mehren sich Kommentare, in denen Leser darauf hinweisen, dass sie (meine) Blogposts für nicht lesenswert erachten. Ich wundere mich dann nur, warum diese Menschen nicht aufhören den/die Texte zu lesen, um stattdessen ihre Lebenszeit lieber mit, für sie, qualitativ hochwertigeren, wichtigeren Inhalten füllen. Daher mein Hinweis zu Beginn dieses Textes. Aber gut… ist halt jeder selbst für sich, seine Lebenszeit und -qualität verantwortlich…