Und schon wieder, plötzlich und unverhofft, ist Weihnachten. Die Zeit der Einkehr und Besinnung. Ja, wirklich, so hat man das früher bezeichnet, als es noch nicht die große Zeit des hektischen Jahresendgeschäfts, der multimedialen Weihnachtsgrüße usw. war, die wir heute rund um das (h)eilge Fest wahrnehmen, jenseits jeder Ruhe und Entspannung.
 
Und mit Weihnachten nähert sich auch das neue Jahr mit großen Schritten. Der regelmäßige Neuanfang, den wir so gern mit den so schnell wieder verworfenen guten Vorsätzen beginnen. Guten Vorsätzen, die, wie Strategien mit einem enorm kurzen ROI, uns schnell ernüchtern, weil wir erkennen, dass sie überfordern oder wir die erhofften Ziele doch nicht erreichen werden.
 
Und noch etwas steht (uns) bevor: die Zeit der Zwangspause „zwischen den Jahren“, die sogar Top-Managern Raum gibt, zum Beispiel über sich, die Zielrichtung ihrer Tätigkeiten und Rollen im nächsten Jahr und die veränderten Rahmenbedingungen ihrer Arbeit nachzudenken. Es ist die Pause, in der sich theoretisch die Gelegenheit ergibt, dem Puzzle des „Big Picture“ neue Steine hinzuzufügen und es weiter zu vervollständigen.

Puzzeln wir zu wenig?

Blickt man in die Medien, so kann man den Eindruck gewinnen, dass „wir Deutschen“ dieses puzzeln in den letzten Jahren vernachlässigt haben. Es scheint als hätten wir ein anderes Bild im Kopf gehabt, und versäumt, die Teile zusammenzusetzen. Es war wohl ein Puzzle aus vergangenen, glorreichen Tagen, aus den Zeiten der großen, generalistischen Dichter, Denker und Ingenieure.
 
Wenngleich viele Konzerne aktuell einen „jump start“ hinlegen, sich von innen heraus neu aufstellen und ihren Mitarbeitern zuvor ungeahnte Freiheiten geben (wie Daimler, Bosch, die Telekom und einige andere), lassen sich viele andere, (leider auch) oft im Mittelstand, weiterhin von der guten Situation im „Jetzt“ bremsen, wie eine Studie der Bertelsmann Stiftung mit Fokus auf die Digitalisierung belegt.

Das Schlagwort: „Digitalisierung“ (und zwei weitere)

Die Digitalisierung ist dabei nur ein Element, „nur“ eines der Schlagworte die wachrütteln (müssen). Sie (er)fordert sich endlich mit Dingen wie Blockchain, Internet of Things, Augmented und Virtual Reality, Bots oder den vielen, vielen anderen, vermeintlich einfacheren Themen ernsthaft zu befassen. Technologien, die in der Masse schon seit Jahren verfügbar sind und die jetzt mehr und mehr ihre Marktreife erlangen. Technologien, für die dennoch schon jetzt viele Unternehmen zu spät unterwegs sind, weil sie sie in der Vergangenheit ausgeblendet hatten.
 
Doch selbst, wenn Unternehmen bereits lange auf dem Weg sind, gilt es stetig weiterzugehen und sich insgesamt neu aufzustellen. Digitale Geschäftsmodelle, so man sie denn findet und aufbauen kann, verändern nicht nur die Produktpalette oder singuläre Abläufe. Sie greifen tief in die Betriebs- und Managementlogiken ein. Sie verändern zwangsläufig und in großem Maße, wie miteinander Ergebnisse erzielt, wie Entscheidungen getroffen werden und wie Zusammenarbeit insgesamt geregelt wird.
 
Doch das Ausblenden betrifft nicht allein technologische Trends. Das verschlafen anderer, weniger technischer Bereiche, wird ebenso tiefgreifende Folgen für eine Vielzahl von Unternehmen haben. Allen voran sind es die Themen „Agilität“ und „Nachhaltigkeit“ die besondere Beachtung (er)fordern.
 
Agil muss heute werden, wer mit der Komplexität und Dynamik, die vielfach das Geschäft bestimmt, aktiv statt reaktiv umgehen möchte. Agil ist, wer in der Lage ist, sich neuen Entwicklungen bedarfsgerecht anzupassen. Fast immer müssen dazu in Tiefe Strukturen und Abläufe auf eine neue Basis gestellt werden.
 
Nachhaltig(er) muss agieren, wer langfristig (oft lukrative) Kunden an sich binden will, die mit einem Blick auf die eigene Zukunft zunehmend Unternehmen und Produkte auswählen, die sich ökologisch und sozial für ein „besseres“ Zusammenleben und den Erhalt eines lebensbefähigenden Planeten einsetzen. Im Gegenzug entwickeln solche Kunden ein hohes Maß an Loyalität und Markenbindung.
 
Das Bewusstsein für die immer spürbareren Auswirkungen des Klimawandels wächst und mit ihm die Ansprüche und Anforderungen der Kunden an das ökologische Gewissen von Unternehmen. Genauso wachsen die Anforderung in Bezug auf deren soziale Nachhaltigkeit, das soziale Engagement oder Investitionen in (Weiter)Bildung zum Wohle aller. Gemeinsam sorgt dies für eine Steigerung von Komplexität, Dynamik und damit für eine wachsende Notwendigkeit die Digitalisierung zu verstärken was wiederum….

Ein neuer Kreislauf tut sich auf

Die Digitalisierung, der Drang zu mehr Agilität und der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit sind drei Ausprägungen derselben Entwicklung die sich gegenseitig stark bedingen und beeinflussen.
und
[clickandtweet handle=““ hashtag=““ related=““ layout=““ position=““]Die Digitalisierung, der Drang zu mehr Agilität und der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit bedingen für ALLE Unternehmen einen Wandel im Kern der Organisationen: den Wandel der Kultur der Zusammenarbeit.[/clickandtweet]
 
Um als Unternehmen eines dieser drei Themen angehen zu können und damit den Kreislauf der Entwicklungen zu starten, um etwa neue Geschäftsmodelle zu etablieren, bedarf es also mehr als nur technischer oder agiler oder Nachhaltigkeitsexpertise. Es bedarf des Gesamtverständnisses für das Gesamtbild, und, drin enthalten, den Willen und die Fähigkeit zum Beispiel so „banaler“ Dinge wie das (eigene) Führungsverständnisses und die eigene Haltung und das Verhalten zu reflektieren. Im Gesamten Unternehmen, bei allen! Wie wenig „banal“ dies ist, ist sicherlich jedem bewusst, der schonmal gute Vorsätze für das neue Jahr gefasst hatte.

Das Big Picture vor Augen

Dieser erste Blick auf das „Big Picture“ macht klar, dass jede Arbeit an Themen wie Digitalisierung, Innovation, schnelleren Entscheidungen, Informationstransparenz, etc. gleichzeitig immer auch Arbeit am Fundament der Zusammenarbeit benötigt. Immer geht es, unter anderem, um die Wahr-Nehmung von Vertrauen, systemischer Verbundenheit, Vernetzung, um Entscheidungs- und Verantwortungsräume und vor allem oft auch um den Ausbruch aus alten „Mindsets“. Das derzeit in Deutschland so populäre Konzept des „Working out Loud„, das dem Wunsch der Vordenker und Vorkämpfer entspringt sich stärker zu vernetzen und intensiver Erfahrungen auszutauschen, setzt, als ein Beispiel für eine mögliche Umsetzung, hier an.
 
Es ist ein Beispiel wie in kleinen Gruppen, bottom-up Veränderung vorangetrieben wird. Manchmal mit Zustimmung der Geschäftsführung, manchmal ohne und manchmal gegen deren ausdrücklichen Wunsch – aus reiner Not. (Befassen Sie sich dazu einmal mit dem Haufe Quadranten und der Situation der Schattenorganisationen.)

Alle Macht geht vom Menschenbild aus

Der anderer Weg zu einem Umdenken innerhalb der Organisation startet mit einer Reflexion des bestehenden Menschenbildes. Die Frage nach dem bestehenden Menschenbild, dem gegenseitigen Verständnis, ist dabei eine, die nur wenige direkt beantworten können. Zu tief ist es in unser Verhalten eingewoben, zu unbewusst agieren wir hier. Ist hier mehr Klarheit über die unbewussten Folgen von veralteten Menschenbildern geschaffen kann man in einem zweiten Schritt beginnen die Wertschöpfungs-, Wertbeitrags-und Wertschätzungsbeziehungen im Licht eines ggf. anderen und neu etablierten Menschenbildes zu betrachten.
 
Wobei – natürlich lohnt es verschiedene Maßnahmen zu kombinieren, denn „one-size-fits-all“ ist schon lange kein gangbarer Weg mehr. Dies anzunehmen wäre auch Ergebnis eines verschrobenen Menschenbilds.
 
Die Wirkung solcher Schritte auf die Grundlagen der Interaktion in den Unternehmen ist markant. Sie machen bewusst, wie die bestenfalls gemeinsam getragene Vision mit dem „Purpose“ und „Meaning“ des einzelnen zusammenhängt. Sie machen Entscheidungen einfacher, schneller, bewusster, nachhaltiger und damit klarer. Sie eröffnen Entwicklungs-, Verantwortungs- und Entscheidungsraum der zuvor nicht vorhanden war. Dies allein ist ein unglaublich wichtiges Element in einer immer mehrdeutigeren Welt, in der neue multidimensionale Lösungsräume die früheren eindeutigen Lösungspunkte längst abgelöst haben und in der richtungsweisende Entscheidungen daher einen enorm hohen Stellenwert besitzen.
 
Dies sorgt nach innen, wie nach außen für eine höhere Glaubwürdigkeit, die gemeinsame innere Klarheit strahlt als natürliches (Employer) Brandig wiederum zurück nach außen. Ein perpetuum mobile besserer Zusammenarbeit und wachsender Zufriedenheit bis zur Begeisterung.
 
Last but not least: Solche Schritte ermöglichen es neue Denk- und Handlungsrahmen aufzuspannen und erlauben den Ausbruch aus alten Gewohnheiten und Mustern, auch, um so den lange angesammelten Ballast abzuwerfen.

Eine irre Investition?

Nach den Jahrzehnten in denen Effizienz, Kostensenkung etc. im Fokus standen, in denen aus dem Bestand rausgeholt wurde, was möglich war, erscheint die Investition in diese nicht direkt fass- und planbaren Konzepte wie irre. Nachdem so lange mit großer Akribie gespart wurde, erscheint schon alleine die Idee das Geld in so unsichere Entwicklungen, in „irgendwas mit Menschen“ zu stecken wie Hohn. Und doch ist dies die wohl notwendigste und sinnvollste Investition in eine sicherere Zukunft in diesen eben doch instabilen Zeiten.
 
Lag der Anteil der ungenutzten Potenziale bislang bei ca. 30%, so wird ein Verharren in altem Handeln und Denken, ein Festhalten an alten Managementstrukturen diesen Anteil weiter erhöhen, etwa weil die psychischen Belastungen der Mitarbeiter damit weiter zunehmen, die internen Reibungsverluste sich potenzieren und, mit Blick auf die Nachhaltigkeit, zunehmend Kunden zu anderen Anbietern wechseln werden. Wer nachhaltige Wirksamkeit erreichen und damit zugleich eine stabile Basis für einen Wandel in Richtung Digitalisierung und Agilität aufbauen möchte, der kommt nicht umhin, auch in diese Entwicklung zu investieren. Der muss seine Mitarbeiter und vielleicht auch seine regionales und soziales Umfeld dabei unterstützen, fehlende Kompetenzen zu entwickeln, die Vernetzung zu verbessern, der muss insbesondere die eigenen (Management)Strukturen unter die Lupe nehmen und anpassen und vieles andere mehr.
 
Wenn sich diese, zur Zeit noch verlorenen Potenziale damit nur zu einem Viertel heben lassen, dann sollte sich eine solche Investition durchaus lohnen.

Mein Fazit und Rat

Die drei Themen Digitalisierung, Agilität und Nachhaltigkeit sind die zwei Seiten plus der Rand derselben Medaille. Sie dürfen nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Im Kern wirken alle unmittelbar auf die Art, wie Zusammenarbeit funktioniert. Dies erfordert, bei aller zusätzlichen Belastung, die eine solches Vorgehen mit Blick auf das „Big Picture“ bedeutet, zugleich die Geschäftsmodelle UND das Managementdesign zu reflektieren und anzupassen. Wer hier zu kurz greift, lädt sich, den Mitarbeitern und dem Unternehmen mittelfristig deutlich höhere Belastungen auf.
 
Wer sich auf den Weg begibt, sollte in diesem Bewusstsein starten und schrittweise beginnen die Kultur, das Menschenbild, die Glaubenssätze sowie die Betriebs- & Managementlogiken zu durch- und überdenken.
 
Dieses Verständnis für den gemeinsamen Angang von Transformationen erzeugt eine solide Basis für zukünftige Entwicklungen, nachhaltig und langfristig!
 
Auch wenn manche sagen, wir stünden am Anfang der zweiten Hälfte der Digitalisierung, so glaube ich dass das Spiel noch gar nicht begonnen hat. Wir sollten die kurze, kostbare Zeit nutzen, noch einmal das Zusammenwirken des Kaders, des Trainer- und Betreuerstabs inklusive aller Regeln und Rahmenbedingungen in Ruhe zu betrachten und zu optimieren. Dann erst kann man mit guten Aussichten ins Spiel gehen.
 
Zwischen den Jahren ist sicher ein wenig Zeit, um damit zu starten.