Corona, Klima, Krieg – Wer will da noch NewWork?

Corona, Klima, Krieg – Wer will da noch NewWork?

Die Bedrohung der Freiheit ist eine mächtige Triebfeder. Dieser Satz aus einem Artikel in der NZZ hat mich nachdenklich gemacht. In dem Artikel geht es um den Krieg in der Ukraine, worum auch sonst zurzeit. Es geht darum, wie schnell und konsequent Maßnahmen ergriffen wurden, um diesem Angriffskrieg und Überfall auf ein freies, selbstbestimmtes Land in Europa wenigstens ein klein wenig entgegenzusetzen.   

Und so sehr der Krieg in der Ukraine schmerzt, so schrecklich es ist, dass Menschen sich gegenseitig töten und den Machtgelüsten eines Despoten zum Opfer fallen, zwei Folgen dieses Versuchs der unrechtmäßigen Annexion sind bemerkenswert: erstens der Zusammenhalt der meisten Staaten dieses Planeten in der Unterstützung der Ukraine und zweitens die wahrgenommene Hilflosigkeit der Welt im Umgang mit einem solchen Ereignis und Despoten.

Der gemeinsame Widerstand hat Energien, Budgets und eine Einigkeit geschaffen, wie die diese Welt bislang noch nie gesehen hatte. Zugleich wird deutlich, dass all diese Maßnahmen – zumindest kurzfristig – ihr Ziel verfehlen bzw. wie wenig konsequent sie umgesetzt werden. Banken werden gesperrt, Oligarchen eingeschränkt, aber das wichtigste Handelsgut (Energie) nicht sanktioniert. Nimby – not in my own backyard – ist der Begriff in der englischsprachigen Welt. Wir sagen dann „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“, denn wir sind nicht bereit und vielleicht in all den Abhängigkeiten noch nicht fähig, die Konsequenzen selbst voll zu tragen. 

Der Krieg in der Ukraine ist eine Zäsur. Er kann der Anfang eines Paradigmenwechsels sein, oder aber auch ein weiterer Sargnagel auf dem Weg der Menschheit. Er zeigt auf, wie verwundbar unser Frieden und unserer Freiheiten waren. Und er zeigt auf, worauf wir uns einlassen, wenn wir hier, wie in anderen Punkten nicht lernen als (Welt)Gemeinschaft zu agieren. Wenn wir nicht für uns klären, was uns wirklich, wirklich wichtig ist.
Tun wir das nicht, wird der Klimawandel nicht nur Hungersnöte und Kriege entfachen, er wird uns auch ein neues Verständnis für den Begriff „unvorstellbar“ aufzwingen. Einen Vorgeschmack werden wir in den nächsten ein bis zwei Jahren erhalten, denn egal wie der Krieg ausgeht, die Ukraine, die Kornkammer des Planeten, wird wenig beisteuern können, um den Hunger der Welt im Griff zu halten. Wenn wir zudem nicht verhindern können, dass Kernkraftwerke als ortsfeste Bomben missbraucht werden, wird das Leben in Europa ohnehin kurzfristig ein anderes werden.   

Putin hat, mehr als er es in seinen kühnsten Träumen gehofft haben mag, die Welt verändert. Er hat Angst in die Mitte Europas getragen, er hat ungeahnte Bedrohungen geschaffen, aber er hat eben auch den Hauch von Einheit und Einigkeit gebracht. Einheit im Widerstand gegen eine, für die Ukraine und viele andere Staaten in Europa und Vorderasien, übermächtige Bedrohung. 

Die Frage ist, was wir aus diesem Impuls machen, ob wir in der Lage sind, das Strohfeuer des Zusammenhalts zu nutzen. Die einzige Chance, die wir jetzt haben, ist ein starker, multinationaler Zusammenhalt auf der Basis von klar definierten Werten, maximalen persönlichen Freiheiten, die zugleich die Freiheit aller anderen garantieren und einen echten Staatenbund zu schaffen, der willens und in der Lage ist, weltweit Frieden zu sichern. 

Wir alle sind an vielen Stellen zu hörig, zu ruhig, zu wenig kritisch gewesen. Wir haben uns in Sicherheit gewiegt und uns nicht dafür interessiert, wie diese Sicherheit zustande gekommen kommt und erhalten werden kann. Nicht nur auf multinationaler und nationaler Ebene. Das alles beginnt, meiner Ansicht nach, schon im viel kleineren. In den kleinen Einheiten, die Zusammenhalt, Zufriedenheit, Perspektive und den maximalen Beitrag jedes einzelnen in Zukunft noch viel mehr brauchen werden: in den Unternehmen. 

Aus der Unternehmensperspektive, oder eher aus der Beraterperspektive, gibt es schon lange ein Thema, das genau diese Punkte zu adressieren versucht: NewWork. Auch der Kern von NewWork hatte viel mit Selbstbestimmung, Freiheit und der gemeinsamen Arbeit daran zu tun. Werte und Ziele, die den Arbeitsalltag zu etwas machen sollten und so mehr Lebensqualität zu erhalten. Lebensqualität, die jeden Tag bedrohter ist, weil wir – gefühlt – zurzeit jeden Tag einen Schritt in die falsche Richtung gehen. 

Es gibt Momente, in denen sich der Verlauf der Geschichte wendet. Ein solcher Moment ist jetzt gekommen.

Viele Unternehmen stehen, nach 2 Jahren Pandemie, durch die aktuellen Unsicherheiten und Einschränkungen des Ukrainekrieges sowie mit Blick auf das Damoklesschwert Klimawandel, mit all den möglichen Auswirkungen und Folgen, unter einem enormen Druck. Wenn der Zugang zu wichtigen Ressourcen eingeschränkt ist, wenn Geschäftspartner nicht mehr erreichbar sind, wenn Lieferketten wegbrechen, Geschäfte geschlossen werden müssen und Mitarbeiter fehlen, dann sind die Voraussetzungen für das eigene Geschäftsmodell schnell bedroht und Umsatzströme versiegen. Wenn in diesen Momenten die Ideen und Energien fehlen, um alle Möglichkeiten auszuloten und die Lücken zu kompensieren, dann wächst sich das anfängliche Problem schnell zu einer echten Gefahr und einer existenziellen Bedrohung aus. 

Häufig finden sich „kleine“ Lösungen, mit denen sich die dringlichsten Probleme lösen und work-arounds umsetzen lassen. Doch Ansätze, die es erlauben, sich gegenüber den Krisen einen Vorsprung herauszuarbeiten, Ansätze, die es erlauben, Entwicklungen zu antizipieren und sich vorbereiten zu können, sind selten.

Es gibt kluge Unternehmensführer, die Erkennisgetriebenen, wie ich sie nenne, die verstanden haben, welche großen finanziellen, ökonomischen, ökologischen und vor allem zwischenmenschlichen Vorteile neue Handlungs- und Denkmodelle bieten. Wie viel es bringt sowohl den Zusammenhalt wie auch individuelle Potenziale und Leistungsbereitschaft zu fördern. Es gibt sie, die Beispiele und Vorbildorganisationen, die für sich Voraussetzungen geschaffen haben, um mit Dauerkrisen und Dauerwandel umzugehen. Die meisten nutzen dabei NewWork-Denke und alle haben ihr Management-Führungs-Betriebssystem verändert. Sie haben neue (Arbeits)Welten geschaffen, Regeln, Routinen und Rahmenbedingungen angepasst, altes Denken reflektiert und Neues Denken ermöglicht. Es sind Inseln menschenzentrierten Handelns entstanden, die fast allem trotzen können und das ist wichtig und großartig, doch ist es nicht genug.

Wir brauchen keine NewWork Inseln, wir brauchen einen NewWork Kontinent

Die Welt hat zurzeit Ihre Nagelprobe in Bezug auf das gemeinsame Bestehen von Megakrisen zu bestehen. Sie muss neuen Zusammenhalt finden und ihr Kräfte bündeln. Ohne die aktuellen Bedrohungen, ohne die Angst vor den Folgen des Scheiterns, wäre das (wenige), was bislang geschehen ist, nicht möglich gewesen. 

Und hier zeigt sich das NewWork Dilemma. Einerseits ist das, wofür NewWork (auch) steht, eine lebenswertere Zukunft durch mehr Freiheiten, Selbstorganisation, besseren Zusammenhalt und Zusammenarbeit, im Kleinen das, was die Welt im Großen zu finden versucht – und daher wäre es der perfekte Weg, um den Menschen den damit verbundenen Mehrwert aufzuzeigen -, andererseits fehlt die konkrete, übermächtige Bedrohung, die die Kräfte und den Glauben an einen notwendigen Wandel in den Unternehmen bündeln und erzeugen könnte – noch zumindest.

Wir haben die Mittel, aber wir sind noch nicht bereit sie einzusetzen und zu nutzen, weil wir noch immer glauben etwas zu verlieren, das wir schon längst verloren haben. Wir sind nicht bereit den Wandel im kleinen, in den Unternehmen zu gehen, weil wir denken, wir könnten noch weitermachen wie bisher, dabei ist das „wie bisher“ längst Nostalgie. 

Der Schritt von den, in Hierarchien verdichteten, von der Position abhängigen, für stabile Umfelder geschaffenen Machtstrukturen, hin zu einem Ansatz, in dem die dynamischen Fähigkeiten genutzt, Anpassungsfähigkeit ermöglicht und menschliche Kernkompetenzen vollumfänglich aktiviert werden können, ist nicht trivial und dennoch jetzt so notwendig wie nie zuvor. Menschenzentrierte Strukturen, Systeme, Denk- und Handlungsweisen sind ein Lösungsansatz, um mit den kommenden Katastrophen umgehen und Macht zukünftig zielgerichteter einzusetzen zu können. Ein in dieser Form, menschenzentriert neu definiertes #NewWork hat das Potenzial die großen Veränderungen zu ermöglichen.

Ich bin fest überzeugt, die gebündelten wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, des Krieges und des Klimawandels werden Unternehmen nur dann überstehen und meistern können, wenn sie sich im Kern ihres Zusammenarbeitsdenkens- und -handelns menschenzentriert aufstellen (oder schon aufgestellt haben. Um ganz konkret zu werden: Ich bin überzeugt, Sie werden nur dann bestehen, wenn es ihnen gelingt glaubwürdig und konkret Menschen in den Fokus zu rücken, menschenzentriertes = belastungsarmes, Zusammenhalt förderndes, Potenzial nutzendes, respektvolles, vertrauenswürdiges, sinnbehaftetes Zusammenarbeiten ermöglichen und dafür auch bereit sind bestehende Management- und Führungsparadigmen konsequent auf den Prüfstand zu stellen. Und was könnte andererseits leichter, schneller und kostengünstiger sein, sein, als „nur“ die eigenen Paradigmen zu hinterfragen. 

Allerdings reicht es nicht, wenn einzelne Unternehmen dies tun. Die Unternehmen selbst müssen sich zusammentun und gemeinsam, gegenseitig stärken, um sich auf dem Weg durch die Krisen zu unterstützen.

So wie es die Weltgemeinschaft jetzt, rechtzeitig, gegen einen Aggressor tun sollte, der bislang nur ein erstes Land angegriffen hat. 

Kleine Aktionsinseln und begrenzte Maßnahmen reichen einfach nicht!

Gemeinsam sind wir stärker.

Es mag kaum passen, aber dieser Text ist ein Beitrag zur Blogparade #NewWorkNow, in der es darum geht, woher NewWork kam, wo es heute angekommen ist und wohin sich das Thema entwickeln kann. Und doch, für mich beginnt der große, notwendige Wandel, vielleicht ganz besonders, im kleinen.

Die Systeme der Vergangenheit machen uns kaputt – Zeit zum Auf/sbruch

Die Systeme der Vergangenheit machen uns kaputt – Zeit zum Auf/sbruch

Die Hintergründe

Wer sich bewusst umsieht, weiß: was früher gut und richtig war, ist heute kein guter Ratgeber mehr! Die alten Systeme zerstören unsere Zukunft! Egal ob in der Bildung, der Gesundheit, der Mobilität, der Politik oder der Arbeit. Die Anzeichen stehen in immer mehr Bereichen auf Sturm, die Symptome des Niedergangs sind allgegenwärtig. Und was tun wir? Nichts!

Was steckt dahinter?

Solche Systeme sind wichtig für uns, weil sie uns entlasten und Sicherheit suggerieren. Ihr Sinn ist es, uns das Leben immens zu erleichtern. Ohne diese Systeme und unser Vertrauen, dass diese leisten, wozu sie geschaffen und worauf sie optimiert wurden, ohne, dass wir wissen, wann, was und warum es geschieht, mangelt es uns schnell an Klarheit, Stabilität und unser Selbstbewusstsein schwindet. 

Doch was, wenn diese Systeme tatsächlich nicht mehr leisten, wozu wir sie so dringend brauchen? Wenn sie langfristig zerstören, was sie bewahren sollten?
An vielen Stellen, in der Politik, der Bildung, der Kirchen, der Mobilität und der Arbeit wird das Versagen der alten Muster und Strukturen immer offensichtlicher. Der Niedergang rast auf uns zu und ist kaum mehr aufzuhalten. Und doch stehen wir paralysiert da und trauen unseren Augen nicht. Es wäre zu katastrophal zuzugeben, dass wir fundamental anders agieren, unser (Selbst)Verständnis ändern und mit neuen Tatsachen leben müssen.

Der Weg, auf dem wir wandeln, ist einer, bei dem wir einen ungeheuren Anteil an Energie darauf verwenden, den Status Quo zu bewahren, auch wenn die Kosten-Nutzen-Relation sich ins Minus kehrt. Statt die Voraussetzungen zu schaffen, um optimale Wertbeiträge zu ermöglichen, zelebrieren wir den Hang zur Kontrolle der Wertschöpfung und manövrieren uns damit in ein verhängnisvolles Dilemma. Wir sind zu Sklaven der „Art und Weise“, des Sollens statt des Könnens und des „Wie und Warums“ geworden. Wir tun die Dinge, weil sie, wie einst festgelegt, getan werden sollten, statt uns Gedanken zu machen, wie sie, in immer neuen, zunehmend komplexen und dynamischen Umfeldern, weit weg von den alt bekannten Rahmenbedingungen, am besten getan werden könnten. 

Aber wie können wir aus einem System ausbrechen, dass den Eindruck vermittelt einerseits den Anforderungen (noch irgendwie) zu entsprechen und an das wir glauben wollen, weil das immer der bessere Weg war? Die Zahlen, Daten und Fakten, die Profite und die ausgeübte Kontrolle scheinen zu belegen, dass die Fehler bei anderen Umständen zu suchen sind, im Außen, bei den zu hohen Anforderungen der Märkte, beim zu schnellen Wandel der Technologien, bei dem Unwillen der Mitarbeitenden Veränderungen mitzugehen. 

War nicht immer schon erfolgreicher, wer seine Vorgaben und Pflichten erfüllte und eben gerade nicht von gewohnten Wegen abwich, unnötige Risiken einging oder neue Ideen ausprobierte? Wurde nicht diejenige belohnt, die sich als kompetent in der Anwendung und korrekten Auslegung der Regeln hervortat?
Das Scientific Management des F.W. Taylor war, mit seiner Betonung des einen, richtigen Weges, nicht ohne Grund der Schlüssel auf dem Weg zu mehr Qualität, niedrigeren Kosten, optimierten Abläufen, klaren Strukturen und effizienten Prozessen. Es war der Weg, der mehr Wohlstand für viele ermöglichte.

Da kann es nur gefährlich wirken, von diesem sichern Pfad abzuweichen!

Viele der Systeme, mit und denen wir leben und arbeiten, sind in der Vergangenheit und aus der Vergangenheit erwachsen. Sie waren Sammelbecken guter und richtiger Entscheidungen und Erfahrungen. Sie waren das Ergebnis großer Fortschritte und Erfolge. Um diese zu systematisieren, haben wir, wo immer möglich, unsere Routinen und Strukturen an diese Handlungs- und Denkmuster angepasst. Aus diesen Anpassungen wurden Gewohnheiten und aus den  Gewohnheiten der Glauben, dass diese Wege immer die besten sein würden.  

Jetzt klammern wir uns an diesen Glauben, an Zahlen, Daten, Fakten und stecken in einer Sackgasse. Und je mehr wir in der Sackgasse stecken, desto mehr klammern wir uns an das gewohnte. 

Die Symptome des Systemversagens sind inzwischen allgegenwärtig

Die Symptome für das Versagen der alten Ideen sind nicht mehr zu übersehen: Non-Kooperation, offensichtliche, ungebremste Ressourcenverschwendung (insbesondere die menschlichen Denk- und Kreativvermögens), widersprüchliche Zielsetzungen, Intransparenz, langsame Entscheidungen, Sarkasmus und Zynismus, überzogene Bürokratie, wachsende Konflikte, Misstrauen.

Allein die Idee, dass es hilfreich sei, Wissens- und Kreativarbeit nach Zeit abzurechnen, ist bei näherer Betrachtung dunkler Aberglaube. Jahreszielgespräche, wöchentliche Projektreports (womöglich in verschiedenen Layouts, aber fast gleichen Inhalten), langfristige Budgetzuweisungen, künstliche Ressourcenverknappung und hierarchisch, statt bedarfsgerechter Ressourcenverteilung, all das und vieles mehr macht in einem zeitgemäß handelnden Unternehmen keinen Sinn mehr. Darauf zu verzichten kostet nicht Kontrolle, sondern bringt mehr Wirksamkeit und Erfolg. 

Diese Symptome sind sicht- und messbar. Wenn Du Dich traust, kannst Du Dir hier selbst ein Bild verschaffen. Sie finden sich im Engagement, der Menge an Bürokratie und in klassischen und oft tief verwurzelten Widersprüchen des Gesamt-Zusammenarbeitssystems.

Wir müssen, können, sollten und dürfen uns auf neue Systeme und Strukturen einlassen. 

Die future-proof Orga

Die Ursachen für unser Zögern, tiefgreifendere Veränderungen zu starten, liegen auf der Hand. Lieber mit dem klarkommen, was man kennt, womit man aufgewachsen ist, als sich auf unbekanntes, neues Terrain wagen. Das hält uns davon ab, unsere Umwelt, die Bildung unserer Kinder, das Gesundheits-(oder eher Krankheits)system oder eben unsere Arbeitssituation zu verändern und neu aufzustellen. Immer brav die Füße stillhalten, die alten mentalen Modelle mit irgendwelchen Erklärungen am Leben erhalten, als den (gar nicht sooo) schmerzvollen Weg der (Selbst)Erkenntnis zu gehen. Wir sind halt bequem. So bequem, dass wir, na, ich sag mal die meisten, daran und damit untergehen würden, wären da nicht ein paar Unbeugsame, die für einen Wandel kämpfen.

Für die Art, wie wir zusammenarbeiten bedeutet das: Wir müssen unsere Arbeitssysteme NOCH VIEL WEITER für das Unbekannte, nicht Planbare, öffnen, müssen anpassungsfähiger und flexibler werden. Dazu müssen wir uns gegenseitig helfen, mit Selbstverantwortung und Selbstorganisation umzugehen. Wir müssen wieder menschlicher, respekt- und würdevoller miteinander umgehen. Besser und häufiger tun, wovon wir überzeugt sind. Dazu müssen wir aber erstmal unsere Überzeugungen wiederfinden, uns Raum geben, um zu erkennen, was wir können und wollen, wo wir beitragen können, was wir und die Unternehmen, in denen wir tätig sind, brauchen, damit wir alle gemeinsam davon profitieren.

Wer ausbrechen will, aus dem System, muss das aktiv tun. Es ist ein Opt-out, bei dem die meisten Ängste haben, sich gegen alle anderen zu stellen. Dabei ist die Sehnsucht und der Wunsch bei vielen groß, das System anders zu gestalten. Doch, wie? 

Ich sehe grundsätzlich zwei Wege: der natürlicherweise optimale Ansatz ist, aus einer zentralen Führungsrolle heraus das Systemupdate anzustoßen. Der alternative Weg ist es im kleinen, von innen heraus, die Systemkomponenten, die man als Einzelner, Team, Abteilung, Bereich im Wesentlichen „im Griff“ hat, so anzupassen und zu verändern, dass im kleinen positive Wirkungen entstehen, die es vielleicht sogar schaffen andere zu animieren hier nachzueifern. Wie gut sogar Schulen das hinbekommen, obwohl sie in großen übermächtigen Politik- und Föderalismussystem stecken, zeigen die „Schulen im Aufbruch“. 

Es gibt erprobte Wege, doch sollte man sich bewusst machen, welcher Weg der geeignetste ist, was ausreicht und was ggf. zu wenig Fortschritt mit sich bringt. ‚new work‘ wird leider manchmal (zu oft?!) nur als Arbeit an der Oberfläche genutzt. Zu verführerisch sind die Quick fixes und wenn etwas tiefer geht, ist es zunächst oft nur ein singulärer Ansatz, der ein Symptom heilt, aber das System im Wesentlichen unverändert lässt. Agilität wird oft ähnlich implementiert. Da wird nur mit einzelnen Teams gearbeitet, ohne dessen Umfeld darauf einzustellen. Anpassungen finden nur im kleinstmöglichen Umfeld, statt das Unternehmen umfassend darauf einzustellen, was in den agile(re)n Bereichen geschieht. 

Doch, wer den Blick leiten lässt, wer sich darauf einstellt bewusst hinzuschauen, der kann erfassen, was getan werden kann. Wohin muss man also sehen, wenn man das System Arbeit verstehen und verändern will?

Leicht wahrzunehmen sind die Elemente, die nicht funktionieren, schwerer ist es, die zu erkennen, die funktionieren, bzw. zu verstehen, ob und wie sie weiterhin funktionieren können.

Wer genau hinsieht, den Griff in die Werkzeugkiste wagt und eine bewusste Analyse und  ernsthafte Diagnostik für sich nutzt, der stolpert häufig über Klassiker, wie abbrechende Kommunikationswege, widersprüchliche Zielsetzungen, falsch eingesetzte Bonistrukturen. Der erkennt konzeptbefreite, inhaltsleere Strategien, Visionen ohne echte Aussage und Inspiration, Prozesse ohne Wertbeitrag, Strukturen ohne wertschöpfende Aufgabe und Führung ohne Menschlichkeit. 

Und genau das zeichnet solche future-proof Organisationen aus: Menschlichkeit. Der Fokus auf den Menschen und die in uns steckenden dynamischen Fähigkeiten, also die Kompetenz uns anzupassen, mit Stress- und Ruhephasen bewusst umzugehen, unser Wissen zielgerichtet einzusetzen und damit vor allem auch Situationen gute Entscheidungen zu treffen, die wir als komplex bezeichnen. 

Wir sind darin geübt, ob im Straßenverkehr oder im Umgang mit unserem sozialen Umfeld. Wir können auch in klar strukturierten und zugleich relativ regelarmen Umfeldern, ohne ständige Kontrolle so agieren, dass wir (meist) gut ankommen, und oft neue Lernerfahrungen machen, die uns auf unserem persönlichen Weg weiterbringen. 

Auf dem Weg erleben wir Mut, Gestaltungsraum, Experimentierfreudigkeit, Resilienz, zugleich ein hohes Maß an psychologischer Sicherheit durch klare, umfassende Kommunikation, Transparenz, Respekt, Partizipation, Wertschätzung und ein sinnvolles Maß an eingeräumter (Selbst)Organisation.

Was daraus entsteht, und das ist mit Blick auf die Zukunft das vielleicht wichtigste Gut, ist Lösungsraumbewusstheit. Der klare Blick auf die (neuen) Unklarheiten des Arbeitslebens. Darauf, dass heute kaum noch eindeutige, singuläre Lösungspunkte für Probleme existieren, sondern, dass wir in Lösungsräumen denken müssen. In multidimensionalen Räumen, in denen viele Ansätze und Kombinationen von Ideen gleichwertige Ergebnisse liefern. Jetzt und in der Zukunft gibt es keine ‚eine‘ „einfache“ optimale Möglichkeit mehr, ein Ziel zu erreichen, es sind von nun an immer viele Wege. Und die neue Führungsherausforderung ist, diese vielen Wege gleichermaßen zuzulassen, auch wenn sie der eigenen Erfahrung zu widersprechen scheinen. 

Menschlichkeit ist das zentrale Element, um neue Lösungen und Möglichkeiten zu nutzen. Es ist der Hebel, um unsere Fähigkeiten miteinander zu verknüpfen und uns selbst so wirksamer zu machen. 

(Selbst)Reflexionsimpulse

Weil das Thema Menschlichkeit so zentral für ein Neudenken und Neuhandeln und für eine future-proof Organisation ist, hier ein paar konkrete Reflexionsimpulse dazu. (Frei nach einem Fragebogen aus dem Buch „The humancentric workplace“ von Simone Fenton-Jarvis.)

Wie sieht es in Deinem Unternehmen aus?

  1. Ideen und Impulse werden geteilt, um sich gegenseitig zu inspirieren
    vs.
    Wir bewegen uns zwischen „not invented here“ und „das haben wir schon immer so gemacht“ hin und her.
  2. Das persönliche Engagement aller ist jeden Tag spürbar.
    vs.
    Dienst nach Vorschrift überwiegt.
  3. Wir probieren immer mal etwas aus und sind uns der Risiken bewusst.
    vs.
    Wir sind nicht bereit etwas zu riskieren und Niederlagen zu akzeptieren.
  4. Vertrauen ist ein wichtiges Gut und wir tun vieles dafür, das gegenseitige Vertrauen zu stärken.
    vs.
    Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
  5. Wir sind uns unserer ethischen und moralischen Verantwortung füreinander, für unserer Kunden und die Welt sehr bewusst.
    vs.
    Moral? Braucht kein Mensch. Wir kommen besser ohne klar.
  6. Wir sind stolz auf das Erreichte und blicken zuversichtlich in die Zukunft.
    vs.
    Gerüchte, Ironie und Sarkasmus bestimmen die Gespräche über das Unternehmen.
  7. Wie investieren in Werkzeuge und Arbeitsplätze, um optimale Bedingungen für großartige Arbeit zu erzeugen.
    vs.
    Wie, wo und womit wir arbeiten ist inzwischen ziemlich angestaubt.
  8. Wir suchen immer wieder nach Menschen, die von ihrer Art zu uns passen und die uns als Unternehmen herausfordern und mit neuen Ideen weiterbringen.
    vs.
    Wir suchen immer wieder nach Menschen, die können, was wir gerade brauchen.

Bewerte jedes Aussagenpaar mit einem Wert zwischen 0 und 10, je nachdem wo Du Dein Unternehmen siehst. Dann rechne zusammen…
Und wenn Du ganz sicher gehen willst, dann Frage eine(n) der anderen im Unternehmen, die Fragen auch zu beantworten.  

8-16 Punkte: Wow! Hier bist Du Mensch, hier sollst Du sein! 

17 – 32 Punkte: Ein menschlicher, positiver Umgang miteinander ist Euch wichtig. Schau Dir die Problemfelder an und arbeitet gemeinsam daran noch besser zu werden.

33 – 48 Punkte: Ihr seid so mittendrin. Es knirscht und knackt im Gebälk. Zeit ein paar Dinge grundlegend anders zu machen, bevor die Konstruktion nachgibt und Euch begräbt.

49 – 60 Punkte: Ich hoffe ihr seid hochgradig technisiert und Deine Kollegen sind Roboter, wenn nicht, dann ist das Umfeld pures Gift für ein sinnvolles Sozialverhalten.   

61 – 80 Punkte: Ohoh. Das ist hoffentlich nicht Dein Ernst und wenn doch, dann würde ich versuchen, die Flucht zu ergreifen. Denn etwas Besseres als das findet sich immer, vor allem in einem Arbeitnehmermarkt!

Wie findest Du heraus, wo Du mit Deinem Unternehmen stehst? 

Es ist zunächst die Frage, was das Unternehmen auf dem Weg in die Zukunft bremst, welche Hemmnisse und Störungen dem im Weg stehen. Dazu nutze ich mit meinen Kunden Tests bzw. Online-Befragungen, die ich Dir hier zwei in einer vereinfachten Version zur Nutzung anbiete. Unabhängig davon findest Du weiter unten weitere Reflexionsfragen.

Der erste Onlinefragebogen betrachtet die Symptome: Das Engagement, das Maß an Bürokratie und klassische sich widersprechende und damit Konflikte auslösende Systemkomponenten und -anforderungen. (Den Link dazu hast Du oben schon einmal gesehen.)

Der zweite Fragebogen blickt tiefer und deckt die Schwachstellen im (Zusammenarbeits-)System mit ausgesprochen hoher Präzision und minimalem Aufwand auf.

Um diesen ersten Schritt für Dich leichter zu machen 😉 erhalten die ersten 5 Teilnehmer ein Buch (‚Agile by Choice“ von Lukas Michel) von mir geschenkt. Ebenso verlose ich unter allen weiteren Teilnehmern bis Ende Februar je zwei Exemplare von „The Performance Triangle“, „People-centric Management“ und „Agile by choice“.    

Ich selbst nutze bedarfsgerecht solche Diagnostiken als Startpunkt bei der Beratung und Begleitung von transformationswilligen Unternehmen oder im Führungskräftecoaching. Auf dieser Basis und im Dialog über die Ergebnisse erkenne ich sehr schnell, welche Probleme welchen Grad an Relevanz besitzen und die Hebel, die es erlauben, zügig und gezielt voranzugehen, um zeitnah sichtbare positive Erfahrungen  mit der Entwicklung zu schaffen. 

co re create organizations

Um dann das alte System zu knacken und ein neues zu etablieren, beziehe ich möglichst viele Menschen aus den unterschiedlichsten Ecken des Systems mit ein. Wie genau hängt davon ab, wie das alte System wirkt und wie die Menschen damit konkret umgehen. Dafür braucht’s die (o.g.) Diagnostik, die Reflexion der Managementpraktiken mit dem ManagementModelCanvas und sehr ernsthafte, offene und ehrliche Gespräche. Dann, wenn klar ist, dass etwas getan werden soll, heißt es gemeinsam überlegen, was wegkann und was bleiben soll. Die einzelnen Schritte sind in einem Ansatz beschrieben, den vor ein paar Jahren entwickelt und ‚Corp. Co-Recreation’ genannt habe.

Wen Du und Ihr selbst und unabhängig von externer Unterstützung vorangehen wollt (oder müsst), empfehle ich, die Aufmerksamkeit darauf zu fokussieren, wie abhängig bzw. frei die Teams und Abteilungen sind. Geeignete Fragestellungen dazu sind:

  • Welche Wahlfreiheit haben sie, wie sehr wird ihnen und ihrem Urteil vertraut?
  • Wer ist wofür von wem und was abhängig, vor allem in Bezug auf Entscheidungen und Ressourcenallokation? Sind diese Abhängigkeiten bekannt und bewusst?
  • Wie ist das Wissen verteilt und wer hat  ausreichend Wissen, um Entscheidungen für sich bewerten zu können? (Nur wer Entscheidungen nachvollziehen kann, kann diese auch wirklich mitgehen und unterstützen).
  • Wie sehen Führungsrollen und Verantwortungsverteilung aus?
    Wird Verantwortung möglichst weit eingeräumt und tatsächliche Verantwortung ermöglicht?

Weitere relevante Fragen sind:

  • Wie werden Visionen und Strategien ge- und erklärt und wie breit sind sie verankert?
  • Wurden Strukturen, Projekte und Prozesse so weit wie möglich von Ballast befreit?
  • Ist allen bewusst, wie Wertbeiträge im Unternehmen entstehen und wie kann das bewusst gemacht werden?
  • Fühlst Du Dich im Unternehmen sicher, oder hast Du vor irgendetwas Angst oder Sorgen? 
  • Wie stark ist der Austausch untereinander? Wie und wann kann voneinander gelernt werden?
  • Ist die Verteilung von zentralen und dezentralen Aufgaben und Entscheidungen wirklich optimal, um den Geschäftszweck zu erfüllen? 
  • Wie steht es um Moral und Ethik? Sind das Themen, die bei Entscheidungen eine Rolle spielen?
  • Freust Du Dich eher auf den Freitagnachmittag oder den Montagmorgen?
  • Wer feiert Eure Erfolge, alle oder einige?
  • Wie geht ihr mit abweichenden Meinungen und Ideen um? Gibt es die Tendenz zum Groupthink?
  • Wie flexibel kannst Du Deine Arbeitszeiten planen bzw. wie sehr bist Du in die Planung eingebunden?
  • Ist Anwesenheit wichtiger als Leistung? Wie wohl fühlst Du Dich, wenn Du früher gehst oder später kommst? Wie fühlst Du Dich, wenn Du früher kommst oder länger bleibst? 
  • Wie weit geht der Blick auch nach außen, auf die positiven und negativen Auswirkungen des Unternehmens auf das Umfeld und die Umwelt?
drei Reflexionsebenen im Management

Und, ehrlich, es gibt da noch jede Menge mehr an Punkten, die es gemeinsam zu betrachten lohnt.

Stell auf den Prüfstand, was immer Dich und Euch umgibt: Die Bürokratie, die Prozesse, die Strukturen, die Routinen und Rituale, die Vorgehensweisen, Gewohnheiten und Symbole. 

Fragt Euch, warum getan wird, was getan wird. Klärt gemeinsam alle 3 Monate bei allen laufenden Projekten, ob sie noch sinnvoll sind und entscheidet über ‚Volldampf‘, ‚einfrieren‘ oder ‚abblasen‘. 

Vor allem: Lass Dich und lasst Euch nicht beirren, glaubt an Eure (dynamischen) Fähigkeiten, traut Euren Wahrnehmungen und differenziert klar zwischen den Dingen, die wirklich Potenzial haben und die mehr Menschlichkeit fördern und jenen, die Euch am Ende nur behindern und bremsen. Denn bremsen sollten wir in Zukunft nur noch sehr bewusst diejenigen, die versuchen uns dabei aufzuhalten, neue, zeitgemäßere Arbeitswelten zu schaffen!

IHMO – Beziehungstheater statt Beziehungstiefe?!

IHMO – Beziehungstheater statt Beziehungstiefe?!

Vorab: NIEMAND ist verpflichtet diesen Beitrag zu lesen*)

Es scheint, als gäbe es eine tief verwurzelte Angst vor ehrlichen, tiefen (nein, nicht erotischen, sondern einfach nur) sozialen Beziehungen zwischen den Menschen in Unternehmen. Statt an einer Beziehungstiefe zu arbeiten, die Menschen motiviert ihr Wissen, ihre Erfahrungen und Erkenntnisse zu teilen, wird Beziehungstheater gespielt, es wird sich angelächelt, nur um sich umzudrehen und die Messer zu wetzen. Es wird, geheuchelt und geflunkert, es werden Leichen im Keller verscharrt und wieder herausgezogen. Es wird vereitelt, verschleiert und vermurkst und das alles nur, um tradierte Machtverhältnisse zu sichern und die eigenen Fähigkeiten in maximal positives Licht zu rücken. Die ellbogengestützte eigene Karriere zählt mehr als der Erfolg des Unternehmens. Sogar sein stetiger Niedergang wird (un?)bewusst in Kauf genommen.

Kein Wunder, wenn in solchen Unternehmen korrosive Kräfte massiven Einfluss nehmen, wenn die sich Retter des verbleibenden Selbstwertes breit machen: Ironie, Sarkasmus und Zynismus sich breit machen. Doch Zynismus hat in diesem Kontext etwas Gutes, man hat sich vom Unternehmen innerlich längst verabschiedet und (immer) weniger zu verlieren.   

Wenn ich ein Element benennen sollte, dass ganz zentral für das Fundament guter Zusammenarbeit steht, das dazu dient, die Nutzung von Chancen zu verbessern, die Reduktion von Aufwänden zu ermöglichen und langfristig positiv auf das Unternehmen zu wirken, dann ist das nicht ZDF, nicht Kontrolle, nicht Zielvereinbarungen oder einer der anderen 100 Führungsinstrumente, sondern, dann sind dies „Beziehungen“. 

Der zu oft anzutreffende Mangel an Gespür für dieses Thema ist traurig und demotivierend. Er macht Zusammenarbeit zu einem Spießrutenlauf und einer Qual. Es hemmt, bremst und zerstört Energien. Er macht einfach ein saudummes, manchmal beklemmendes und ungutes Gefühl. 

Und warum? 

Die Idee, das soziale Gefüge in Organisationen dem „knallharten Geschäft“ zu opfern, hat dazu geführt, dass erwartet wurde und wird, zutiefst menschliches am Firmeneingang abzugeben und maschinenhaft Leistung zu erbringen. Natürlich es ist logisch und richtig, die geschäftlichen Beziehungen, an ökonomisch und nicht an Wohlfühlzielen auszurichten. Aber auf dem Altar der Gewinnmaximierung wurden Werte, Moral und (Zwischen)Menschlichkeit oft so weit geopfert, dass die Grundlage für soziales Miteinander arg gelitten hat. 

Dabei brauchen wir als soziale Wesen, diese Grundlage, um auf einem hohen Niveau an- und miteinander zu arbeiten. Wir brauchen einen stabilen Rahmen, Berechenbarkeit, Verlässlichkeit, Vertrauen, Sinn – nicht nur vom und im strukturellen Umfeld, sondern eben auch vom und im sozialen. Wir brauchen Raum für Emotionalität auf der einen und ehrlich gemeinte Empathie auf der anderen Seite. Wir brauchen einen verständlichen, gemeinsamen Werterahmen und Verständnis füreinander, Toleranz und zielgerichtete Kommunikation und Konfliktbewältigungskompetenz. Wir brauchen all, das was uns Menschen auch im übrigen Leben auszeichnet.

Worüber wir nachdenken sollten, gerade wenn wir in wild zusammengewürfelten Gruppen miteinander interagieren sollen, ist welche Beziehungsqualität und -tiefe wir uns für die Arbeit wünschen, was wir an Anerkennung suchen und an Ablehnung und Ignoranz aushalten wollen. Was definiert für die Menschen um uns herum eine gute (Arbeits)Beziehung, in der sie aufblühen und sich einbringen können und wollen? Wie sieht der Rahmen aus, was sind die gemeinsamen und individuellen Anforderungen und Erwartungen? Wie sollen andere auf mich eingehen, mit mir kommunizieren? Welche Art von Offenheit und Austausch ist es, die ich selbst für mich brauche, um gut mit denen klarzukommen?

Bin ich mir über all das nicht klar, ist die Gefahr zu groß Abstoßungsreaktionen zu erleben, auf die Nase zu fallen und andere dabei mitzureißen. Das sollte sich kein Unternehmen leisten (wollen). Die Gefahr ist zu groß, dass Silos entstehen, ab- und ausgegrenzt wird, nur weil man in die Handlungen, die dummen Sprüche und das unreflektierte Gelaber anderer zu viel oder auch zu wenig hineininterpretiert hat.  

Dann können die Beziehungskisten in Organisationen korrosiv werden, dann können sie Brutstätte für negative Emotionen und Energien werden, die einfach nur alles kaputtmachen, statt zusammenzuschweißen, dann behindern sie, was leicht sein könnte und korrumpieren Leistung und Erfolg. 

Ja, Beziehungen und vor allem gute Beziehungen sind auch in Unternehmen kompliziert. Sie erfordern die Bereitschaft zu geben und zu nehmen, anzubieten und ehrlich abzulehnen, sich Konflikten zu stellen und positive Emotionen zuzulassen. Sie sind umso komplexer in Zeiten wie heute, in denen Arbeitsorte und -zeiten zunehmend verschwimmen und der direkte analoge Austausch ein erstrebenswerter Luxus (statt wie früher zuweilen eine Last) geworden ist. Aber gerade in diese Komplexität steckt ein enormer Wert, denn sie eröffnet den Raum für echtes, langfristiges, motivierendes Miteinander, für soziale Strukturen, kontinuierlich Spitzenleistung ermöglichen, für neues Wissen, Ideen und Impulse.
Ich finde, es ist  Wert sich dazu ein paar Gedanken zu machen.   

Zu folgenden Themen sind in meiner IMHO-(„in my honest opinion“)-Reihe bislang Beiträge erschienen:

Fokus: IMHO – Hört auf eure Zeit zu verschwendet und lasst uns wieder mehr Fokus wagen

Wahlfreiheit: IMHO – Innovation braucht Wahlfreiheit! War’s das also mit dem Fortschritt?

Misstrauen: IMHO – Misstrauen muss man sich leisten können. Die Zeiten dafür sind vorbei!

Awareness: IMHO – Wir sollen noch immer nicht wissen, was wir tun? Für wie blöd werden wir gehalten!

Sinn: IMHO – Faszinierender, kaputter Sinn. Wohin soll das noch führen?

Alle diese Themen sind Analyseelemente unserer Diagnostiken von AgilityInsights. Im Zusammenspiel und der gemeinsamen Betrachtung stellen sie sehr konkrete und direkt nutzbare Hinweise und Hebel dar, mit denen wichtige Schritte hin zu mehr Spitzenleistung leichter gegangen werden können. Mehr Infos gerne auf Nachfrage.

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*) In der letzten Zeit mehren sich Kommentare, in denen Leser darauf hinweisen, dass sie (meine) Blogposts für nicht lesenswert erachten. Ich wundere mich dann nur, warum diese Menschen nicht aufhören den/die Texte zu lesen, um stattdessen ihre Lebenszeit lieber mit, für sie, qualitativ hochwertigeren, wichtigeren Inhalten füllen. Daher mein Hinweis zu Beginn dieses Textes. Aber gut… ist halt jeder selbst für sich, seine Lebenszeit und -qualität verantwortlich… 

IMHO – Faszinierender, kaputter Sinn. Wohin soll das noch führen?

IMHO – Faszinierender, kaputter Sinn. Wohin soll das noch führen?

Es ist so unsinnig, wie wir mit „Sinn“ umgehen. Es ist so maßlos sinn-los. Auf der einen Seite glorifizieren wir die Wirkung von „Purpose“, auf der anderen Seite geht (fast) jede Form von Sinnfindung und -vermittlung im Alltag unter. Manchmal gibt es zur Ablenkung etwas Pseudosinn geboren aus halbgaren ZDF-Visionen, manchmal eine Idee, manchmal etwas Mitreißendes, inspirierendes, oft aber eben nur was Aufgewärmtes, fades.

Was zugleich am Sinn so fasziniert, ist, dass, wenn das Thema gut angepackt wird, es so unglaublich weit trägt, es so immens wirksam ist. Dann beflügelt es, ist der erste Baustein, um in den Flow zu kommen. Dann lässt es neue Energien wachsen und neues entstehen. Sinn hat dann etwas von einer Droge, er kann abhängig machen. Im Idealfall will man immer mehr davon, egal ob als Kunde oder als Mitarbeitender. Dann klappt der Transfer von Idee und Werten, dann sagt man sich: Das was in diesem Sinn steckt ist gut für mich, es hilft mir und der Welt besser zu sein, besser zu leben.

Und die andere Seite der Medaille?

Wenn der Sinn selbst sinnbefreit und im Wortsinn sinn-los ist? Wenn darin nichts steckt, was woran die eigene Motivation andocken kann? Wenn da nur viele leere Worthülsen aneinandergereiht sind? Dann fehlt es an Energie, an Klarheit, an Richtung und an Entscheidungen auf die man sich einlassen kann. Dann leiden alle, weil sie nicht wissen, warum sie etwas tun sollen oder was. Dann werden Entscheidungen getroffen, die nicht mit der Ausrichtung, der Zielsetzung und der Idee des Unternehmens korrelieren. Dann wabert vieles durch den Raum, ohne Hand und Fuß zu haben, ohne den (wahrscheinlich doch irgendwo verborgenen) Sinn mit Leben zu füllen. 

Sinn lebt von und mit Geschichten. Die aber müssen tiefgängig und tiefgründig sein. Die heute vielfach üblichen oberflächlichen Memes und Stories, die auf unsere verkürzte Aufmerksamkeitsspanne angepasst sind, eignen sich nicht für einen tieferen Sinn, für etwas, das die Basis der Zusammenarbeit bilden soll. Denn Sinn ist mehr, Sinn ist kulturprägend. Was er ausdrückt, findet seinen Raum in dem, was die Organisation über sich und andere denkt. Wobei streng genommen natürlich nicht „die Organisation“ denkt, sondern die Menschen darin. Jeder einzelne, als Teil und alle gemeinsam. Und darin liegt der Sinn von Sinn! Alle gemeinsam und gleichermaßen wissen zu lassen, was man miteinander erreichen will. Nur, wem gelingt es wirklich, die Botschaft so zu verkünden? 

Alte Unternehmen haben (theoretisch) einen Vorteil, sie können ihre Geschichte für diese Geschichten nutzen. Ganz nebenbei könn(t)en sie so an einer gemeinsamen Identität als Anker basteln. Aber, welche (Helden-)Geschichten haben die meisten alten Unternehmen denn überhaupt geschrieben, welche lohnt es zu erzählen?! Nur ganz selten gelingt es ihnen etwas wirklich Verbindendes zu formulieren, dass nicht nur nach hohler Phrase klingt. Und so wie viel Unternehmen geführt werden, mit dem klaren Blick auf die KPI und Gewinne wird es schwer mehr als hohle Phrasen glaubwürdig zu vermitteln. 

Gute, rundum gute Geschichten sind so rar wie wirklich rundum gute Unternehmen.

Und die jungen Unternehmen, die Start-ups, die Entrepreneure, die, klein wie sie sind, zwar gute Geschichten für Kunden schreiben, aber außer einem ‚Bob der Baumeister‘ „Yo, wir schaffen das“ ist zu selten viel drin. Für die Mitarbeiter gibt es das gute Gefühl einer der ersten gewesen zu sein, falls, ja falls das Unternehmen überlebt. Aber einen richtigen Sinn, langfristig ausgerichtet, womöglich nachhaltig, aufbauend, energetisierend….. ?!

Dabei, und das ist der Punkt, der mich wirklich bewegt, geht es bei all dem, bei all den guten Sinn-Geschichten im Grunde immer nur um eines, etwas, dass uns alle aufhorchen lässt:(höhere) Lebensqualität. Der Sinn versteckt sich nicht banalem, er steckt in dem, was das Unternehmen für die Menschen tut. Es ist nicht das höher, schneller, weiter, das antreibt gemeinsam etwas zu meistern oder die Produkte zu kaufen, sondern „einfach“ zu etwas zu kommen, dass ein gutes Gefühl gibt, das das Leben lebenswert(ig)er macht. Mehr Lebensqualität ist der Sinn in guten Produkten genauso wie in guten Arbeitssituationen und in guten Unternehmen. 

Wem es gelingt Sinn so zu formulieren, in Bilder zu fassen und zu transportieren, dass das er-lebens-werte darin sichtbar wird, der hat die Energien auf seiner Seite. Der kann Wege und Ziele ableiten, die gegangen und erreicht werden wollen. Der kann Strategien entwerfen, die Raum und Richtung geben und macht Arbeit zu etwas, dass Zufriedenheit schafft. Denn, welchen Sinn hat Arbeit, wenn wir am Ende dastehen und daran zweifeln, ob, das, was wir tun Sinn ergibt? Welchen Sinn hat Purpose, wenn nicht klar wird, wozu es führen soll? Klarheit, das ist es, was im Sinn stecken sollte, Glasklarheit. Und was ist stattdessen soo oft zu erkennen? Nebel, zermürbender Nebel. Wenn der so viel besungene Nordstern fehlt, wenn es an Gewissheit mangelt, was sollen Menschen dann tun, außer im Trüben zu fischen.  

Um den Sinn wiederzuentdecken, kann man sich zusammensetzen und ehrlich dazu austauschen. Zu den Erwartungen und Gefühlen. Das ist gut, richtig und manchmal ebenso schwierig. Manchmal ist es da einfacher zunächst den groben Unfug und Unsinn zu identifizieren und loszuwerden. Und der hat sich in vieles eingeschlichen und fest eingewoben. Warum also nicht einfach mal einen Tag mit Unsinnsuche verbringen. Ein nonsenseFriday, ein Tag, an dem der Unsinn gnadenlos adressiert und aufgedeckt wird, an dem die Teams ihren Spürsinn schulen dürfen, und alles aufs Tablet bringen, was ihnen an Unsinn in den Abläufen, den Prozessen, den Projekten begegnet. Ein Tag, an dem darüber gesprochen und vielleicht gestritten werden darf, was entweder abgeschafft oder sinnvermittelnder gestaltet werden sollte. Denn manchmal ist der Sinn gut und richtig und fast greifbar, aber in der Verbalisierung gnadenlos unter- und verloren gegangen.  

Denkt einfach mal über den Sinn nach. Über den Sinn, den und der euch Arbeit gibt. Macht euch klar, was euch antreibt und warum und erschafft Bilder und Geschichten, um anderen Lust zu machen, ihren Sinn darin zu finden. Dann macht vieles einfach wieder mehr Sinn – und ganz nebenbei Hunger wirklich gemeinsam außergewöhnliches entstehen zu lassen. 

Ich freue mich darauf, zu sehen, was daraus erwächst.   

Zu folgenden Themen sind in meiner IMHO (in my honest opinion) Reihe bislang Beiträge erschienen:

Alle diese Themen sind Analyseelemente unserer Diagnostiken von AgilityInsights. Im Zusammenspiel und der gemeinsamen Betrachtung stellen sie sehr konkrete und direkt nutzbare Hinweise und Hebel dar, mit denen wichtige Schritte hin zu mehr Spitzenleistung leichter gegangen werden können. Mehr Infos gerne auf Nachfrage.

IMHO – Wir sollen noch immer nicht wissen, was wir tun? Für wie blöd werden wir gehalten!

IMHO – Wir sollen noch immer nicht wissen, was wir tun? Für wie blöd werden wir gehalten!

Vorweg: Es geht hier nicht ums Impfen und kaum um das Virus, aber das soll euch nicht entspannen.

Mir geht es darum, dass Vielen ganz arbeitsalltäglich ein zu großer Teil des mehr denn je notwendigen Entscheidungs- und Handlungsrahmens genommen wird und das unternehmerisch einfach dumm und ungeschickt ist.  

Worum es ganz konkret geht, ist ‚Awareness‘, und, nein, nicht die Bullshit-Bingo Variante. Mir ist es ernst, mir geht es wirklich um Awareness, um Wahrnehmung, (analytische) Bewusstheit und die daraus im (Arbeits)Alltag abgeleiteten Handlungsoptionen. Das mag aktuell kein populäres Thema sein, den Menschen selbst das Denken, Entscheiden und Handeln zu überlassen, insbesondere, seit der Begriff Querdenker durch die Pandemie eine zusätzliche Ausprägung erhalten hat. Aber gerade darum: Es ist wichtig, nicht alles und jeden über einen Kamm zu scheren. Es ist wichtig andere Perspektiven bewusst zuzulassen und es ist wichtig sich in Ruhe und am besten gemeinsam mit einer diversen Vielfalt anderer, damit auseinandersetzen zu können.

Und da wird es jetzt schwierig, denn ich nehme in meinem Job immer wieder wahr, und ich arbeite eher mit den fortschrittlicheren als mit den tradierten, wie voller Vorbehalte viele Unternehmen und Entscheider noch immer handeln. Dabei kann man ihnen nur bedingt böse sein, denn sie arbeiten nach lange erfolgreichen, aber jetzt eben doch alten Mustern, die längst auf den Sperrmüll gehören, und setzen weiter um, worauf Generationen von Führungskräften trainiert wurden. Dabei brauchen wir gerade hier dringend ein zeitgemäßes Update! Jede App, jedes Smartphone bekommt 20-mal häufiger grundlegend neue, verbesserte, angepasste, rahmengebende Denk- und Handlungsimpulse, als wir bei der Arbeit. Und, ja, unsere Arbeit ändert sich zwar auch nicht ganz so schnell, aber dennoch zunehmend stetig und dynamisch. Am Ende passt hier längst das Alte nicht mehr zum Neuen. Wo Anpassungsfähigkeit und Flexibilität angesagt und auf allen Seiten hohe Erwartungen sind, ist oft keine Chance diese zu erfüllen. Und das mit manchmal weitreichenden Folgen.

Was passiert, wenn (manchmal zunächst unwichtig erscheinende) wichtige Informationen nicht da zur Verfügung stehen, wo sie benötigt werden, wenn Wissen nicht anschlussfähig aufgebaut werden kann, wenn Zusammenhänge nicht bekannt und Kennzahlen nicht hilfreich, verständlich oder sinnvoll handhabbar (sondern manchmal sogar nur lästig und irreführend) sind? Dann werden ganz automatisch Initiativen ausgebremst, Chancen liegen gelassen und Erfolg behindert. Das Ergebnis ist weit von den Möglichkeiten entfernt, aber zugleich leider oft noch im Rahmen der Vorgaben. Denn auch hier, bei Zielen und Vorgaben, ist fehlt sie, die Awareness, die Bewusstheit was möglich wäre, wenn denn diejenigen die wollen auch könnten. Blöd, irgendwie.

Wie soll die Möglichkeit, der Raum für „Awareness“ da helfen? Awareness (und ich wiederhole hier bewusst den englischsprachigen Begriff so oft, weil es, soweit ich weiß, einfach kein adäquates deutsches Pendant gibt) meint den möglichst freien Zugang zu Informationen über das, was um einen herum, in der direkten und weiteren Umwelt passiert. Zu Aussagen, Wissen und Nachrichten, die dann, nachdem diese Wahrnehmungen aufmerksam betrachtet, bedacht und eingeordnet wurden, dazu führt, dass man sich der sinnvollen Handlungsoptionen klar werden und entsprechend (re)agieren kann.
So, sorry, das war leider etwas sperrig, aber wichtig ist es dennoch, um den Begriff richtig einzuordnen und aus der vermei(n)dlichen Esoterikecke zu holen.

Diese Reflexion ist so ziemlich für jeden wichtig, zumindest, wenn es nicht nur darum geht, stumpf und maschinengleich immer exakt dasselbe zu tun. Und selbst dann – und darum war Taylors „Scientific Management“ vor 100 Jahren richtig und gut – kann es sein, dass es einen noch besseren Weg gibt, die Dinge abzuarbeiten. Wer nicht weiß, was sie/er, warum, bis wann und in welcher Qualität tun kann, um beim gemeinsamen Ziel in der richtigen Richtung weiterzukommen, der/die ist schnell „lost in space“, der/die kann nicht verstehen, was Sache ist. Die/Der hat keine Möglichkeiten, die Implikationen des eigenen Tuns zu erfassen. Die/Der hat nicht die Möglichkeiten im gemeinsamen Sinn „richtiges“ zu tun. Fehlende Information, der Entzug der Chance, die Dinge einzuordnen, der Mangel an Gelegenheiten, die eigenen Erkenntnisse mit anderen im Dialog zu verfeinern und verdichten führt zu niedrigerer Arbeitsqualität, geringerer Leistungsbereitschaft, zu Missverständnissen und Missverstehen, zu Konflikten und zielloser Kommunikation. Das ist teuer, allein schon, weil das Wissen fehlt, um sich selbst eine (möglichst) umfassendes Bild zu machen und (mindestens) für die eigenen Aufgabenbereiche erkennen und entscheiden zu können, was notwendig, dringend und wichtig ist. Es ist zeitraubend und dumm Informationen nicht sach- und fachgerecht, rechtzeitig und verständlich zur Verfügung zu stellen. Und es ist ebenso unsinnig, zu wenig Möglichkeit zu geben, nach diesen Erkenntnissen zu handeln.       

Heute fühlen sich viel zu viele schon so lange entmündigt, dass sie es kaum noch realisieren. Erst, wenn es zu heftig wird, wenn es hart auf hart kommt, wächst der Widerstand. Dann allerdings ist der Zug oft auch schon abgefahren und die innerliche Trennung von der Zwangsarbeit bereits vollzogen. Dann wird es teuer für den Arbeitgeber, denn sowohl unmotivierte, wie auch neu einzustellende Mitarbeiter sind nun mal echte Kostentreiber. Und selbst, wenn nur Sarkasmus und Zynismus Einzug halten, mal ehrlich, glaubt irgendjemand, dass das leistungsfördernd ist?  

Andererseits: Transparenz, als ein Schlüssel zu mehr gelebter und richtig verstandener Awareness,  ist nicht einfach! Es gibt sie ja, die Unternehmen, die auf „radikale Transparenz und Ehrlichkeit“ setzen. In denen jede/jeder jedem alles sagen kann, in dem alle Informationen für alle verfügbar sind. Das aber kann genauso nach hinten losgehen, etwa, wenn jemand mit der heftigen Kritik, die er/sie sich wegen unbedachter Kleinigkeiten einfängt, nicht gut umgehen kann, weil die soziale Prägung, das dazu erforderliche dicke Fell nicht hat entstehen lassen. Oder die Zahlen, Daten, Fakten werden schlichtweg falsch interpretiert, weil das entscheidende Puzzlestück nicht bekannt war oder übersehen wurde. Ist es dann überhaupt sinnvoll mehr Transparenz zu wagen und damit der Awareness Tür und Tor zu öffnen?

Was soll ich sagen? Ja, natürlich! Allerdings will und muss auch Awareness, die Fähigkeit, die Geschehnisse und Dinge zu betrachten, zu reflektieren, einzuordnen und daraus geeignete Schlüsse zu ziehen, gelernt werden. Wie viel schiefgehen kann, wenn man sich auf fehlerhafte Informationen verlässt, wenn das Thema komplexer wird und zwischen Eigen- und Gemeinwohl abgeschätzt und entscheiden werden muss, sehen wir zurzeit jeden Tag.

Insbesondere „(vor)urteilsfreies“ Lernen ist wichtig, um zu den bestmöglichen, d.h. für alle gemeinsam (= das Unternehmen) vorteilhaftesten, Schlüssen zu kommen. Ich bin ganz ehrlich, so viel ich mich auch bemühe, so ganz ohne Vorurteile bin auch ich nicht. Glücklicherweise lasse ich mich immer häufiger überraschen, wie wenig sich meine Vorurteile bewahrheiten, indem ich sie beiseite lasse und nach meinen Reflexionsergebnissen und nicht nach überkommenen mentalen Modellen handle.
Zum (vor)urteilsfreiem Lernen gehört auch wahlfreies Lernen, am besten gar das konsultativ-wahlfreie Lernen, was bedeutet, sich mit jemandem, der sich wirklich auskennt zu beraten, um zu schauen, ob die Lernaufgabe zu einem passt und welche Lösungsansätze möglich sind. Idealerweise findet man so auch einen Lehrer, Coach oder Mentor, der so viel besser und so offen und ehrlich ist, dass man bereit ist vieles anzuschauen und ggf. für sich mitzunehmen, ohne sich abhängig zu machen. Auch das ist Awareness.   

Was auf diesem Weg auch enorm hilfreich ist, ist selbstehrlich zu sein – ja, richtig gelesen, nicht selbstherrlich, sondern selbstehrlich, also bereit, sich selbst ehrlich im inneren Spiegel zu betrachten, die blinden Flecken zu erkennen, das Selbst- und Fremdbild abzugleichen, um dann zukunftsgerichtet und bewusst Erkenntnisse daraus zu ziehen. Denn aus einem solchen Selbstverständnis wächst deutlich gefestigteres Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen als aus einer aufgesetzten Fassade. 

Was noch hilft – jetzt auch Führungs- und Unternehmenssicht – ist, die eigene Erwartungshaltung an die Mitarbeitenden und das Unternehmen zu klären. Die Antworten auf die Fragen: ‚Was erwarte ich?’ ‚Was was erlaube ich?‘ und ‚Was fördere ich?‘ sind von großer Bedeutung, denn sie können ein stabiles Fundament für mehr Beteiligungs- und Leistungsbereitschaft bilden – oder halt auch nicht, wenn die Antworten dem widersprechen. Sie sind es, die entscheiden, ob bewusst agierende und argumentierende Menschen als Querulanten und Organisationsrebellen oder als Stütze für eine immer wieder neue stattfindende, achtsame, bewusste und handlungsleitende Anpassung des Unternehmens erkannt und genutzt werden. Und das ist, ganz am Ende, das, was Awareness leisten kann und weshalb es sich absolut lohnt hier aufzuhorchen: Gemeinsam einfach besser mit den Komplexitäten der Umwelt umgehen zu können. Und das sollte einem doch etwas Wert sein, oder?!

Zu folgenden Themen sind in meiner IMHO (in my honest opinion) Reihe bislang Beiträge erschienen:

  • Fokus: IMHO – Hört auf eure Zeit zu verschwendet und lasst uns wieder mehr Fokus wagen
  • Wahlfreiheit: IMHO – Innovation braucht Wahlfreiheit! War’s das also mit dem Fortschritt?
  • Misstrauen: IMHO – Misstrauen muss man sich leisten können. Die Zeiten dafür sind vorbei!

Alle diese Themen sind Analyseelemente unserer Diagnostiken von AgilityInsights. Im Zusammenspiel und der gemeinsamen Betrachtung stellen sie sehr konkrete und direkt nutzbare Hinweise und Hebel dar, mit denen wichtige Schritte hin zu mehr Spitzenleistung leichter gegangen werden können. Mehr Infos gerne auf Nachfrage.

IMHO – Misstrauen muss man sich leisten können. Die Zeiten dafür sind vorbei!

IMHO – Misstrauen muss man sich leisten können. Die Zeiten dafür sind vorbei!

Misstrauen ist eine schreckliche, institutionelle Wahrheit. Sie ist so tief im Denken und Handeln, in Hierarchien, Strukturen und Bürokratien verankert, dass sie nicht „einfach so“ überwindbar ist. Sie ist an vielen Stellen ein Relikt aus einer anderen Zeit, einer Zeit, in der Kopf und Hand getrennt waren, in der nur wenige mitdenken sollten und die anderen hart arbeiten mussten. Sie kostet Zeit, Energie, Geld und schadet deutlich mehr als sie Nutzen stiftet.

Inzwischen steht uns das Misstrauen massiv im Weg. Der misstrauenslogische Hang zur Kontrolle, zur führungs-eigenen Entscheidung, zur Steuerung über fixe Ziele hat eine Arbeitswelt erschaffen, in der Druck, Frust, Resignation, Zurückhaltung die Regel statt der Ausnahme ist. Noch zu selten kann man freie Gestaltungsräume, freienZugang zu notwendigem und offene Dialoge erleben. Was folgt, ist weniger Spitzenleistung als viel mehr stark gebremster Leistungswille. Das ist Irr-sinn im Wortsinn! Irrsinn, der die Tragfähigkeit von Visionen und dem vielbeschworenen Purpose unterminiert und der ausbremst, was wir dringend brauchen: den ungehinderten Fluss von Ideen, Mut und Innovation. 

Warum tun wir das?

Wir misstrauen, weil wir Angst haben. Weil es immer schon die 3-5% an Mitmenschen gegeben hat, die betrügen, belügen und alles allein zum eigenen Vorteil auslegen. Auf die Fragen, wie man diesen konsequent begegnet, ihnen den Raum nimmt, sich ungehindert breitzumachen, haben wir meist nur eine Antwort gefunden: umfassendes Misstrauen allen gegenüber. Indem wir alle beschränken und ihnen misstrauen, stellen wir sicher, dass die paar weingen, die jeden Freiraum für sich rücksichtslos ausnutzen, keinen echten Schaden anrichten können. So stecken über 95% in der Falle, weil es ein paar Menschen gibt, denen wir nicht konsequent begegnen wollen oder können. 

Dieses Misstrauen hat weitreichendere Folgen, als nur ihre Wirkung in den Unternehmen. Es lässt das Systemvertrauen in den Staat und das soziale Umfeld schwinden und wirkt auf die Gesellschaft mit einer zunehmenden Spaltung und einer weiteren Erosion des früher selbstverständlichen Grundvertrauens. Ein absolut überflüssiges und toxisches Übel!

Dabei gibt es eine Alternative: Konsequentes, ehrliches Vertrauen. Vertrauen kombiniert mit umfassender Konsequenz und direkter Ansprache von allem, was droht aus dem Ruder zu laufen. 

Vertrauen aufzubauen ist ein langwieriger Prozess, einer der 10-mal mehr Aufbauarbeit erfordert, als notwendig ist, um es zu (zer)stören. Es ist ein Wechselspiel zwischen Geben und Nehmen, zwischen Vertrauenswürdigkeit und Vertrauensfülle. 

Doch vollständiges, umfassendes Vertrauen ist zugleich eine Utopie, die wir beim besten Willen nicht erreichen werden, jedenfalls so lange nicht, wie unsere Gesellschaft auf Misstrauen gepolt ist. Es wird daher nicht gelingen, einen Schalter in der Geschäftsführung umzulegen und ab morgen vertrauensvoll und vertrauenswürdig miteinander zu arbeiten. Der schnelle Weg durch die Vordertür ist verschlossen. 

Daher kann man es sich getrost sparen, den Start einer Vertrauenskultur zu verkünden, ohne, dass das Unternehmen in seinem Fundament darauf eingestellt ist! Das ist ein Fake, der zunächst nach einer genialen Idee klingt, im Nachhinein aber bitter aufstößt. „Jetzt haben wir uns alle lieb und gehen vertrauens- und respektvoll miteinander um“ ist, wenn es hart auf hart kommt, zu oft eine hohle Phrase.

Vertrauen durch die Hintertüre

Wer dagegen einen Schlüssel für die Hintertüre hat, wer auf der Systemebene, bei Management- und Führungspraktiken, -instrumenten und -verständnissen ansetzen kann, der hat echte Chancen etwas zu verändern. Wer zunächst die Grundlagen aufbaut und die Werkzeuge des Misstrauens aus dem Führungs- und Managementinstrumentarium tilgt, der wird mehr Erfolg ernten. Denn, das Misstrauen steckt tief. Es hat sich wie eine glühende Lanze tief in die Menschen eingebrannt. Aber es steckt vor allem auch im System, denn Misstrauen hat allzu oft System. Das zu verstehen, ist der Schlüssel zur Hintertüre, den Manager und Führungskräfte in der Hand haben. Sie müssen nur (noch) clever genug zu sein, ihn ins Schloss zu stecken. Wem es gelingt, nachhaltig das System zu verändern, wem es gelingt, dass Vertrauen in dem, wie „das Unternehmen“ Dinge tut, wirklich konsequent wahrnehmbar ist, dem wird es gelingen, auch die Wahrnehmung der Menschen zu verändern. 

Die Instrumente des Misstrauens sind allerdings vielfältig. Sie sind erlebbar in vielen Praktiken, Ideen und Symbolen. Sie zu erkennen braucht ein scharfes Auge, Mut und Ausdauer. Sie anzusprechen und zu verändern, diese Fehler im System zu beheben braucht Offenheit und Selbstvertrauen. Aber, es lohnt. Denn jede eliminierte Quelle des Misstrauens ist ein Baustein neuen Vertrauens.

Nehmt wahr, was nicht wahr sein sollte

Setzt euch zusammen, schärft eure Wahrnehmung, schaut euch um. Wo werden Menschen ohne erkennbaren und guten Grund eingeschränkt, warum werden Ideen ausgebremst, wie wird Macht verteilt und gelebt, was ist Wahrheit im Unternehmen und zugleich so sinnlos, so abstrus, so misstrauend, dass es abgeschafft werden sollte?

Das ist die Hintertüre, durch die die Grundlage für Vertrauen ins Unternehmen kommen kann. Wenn die ‚Missinstrumente‘ gefunden und abgeschafft werden, ändert sich die Kultur, das Zusammenarbeiten und damit auch das Maß an Vertrauen. Es ist sicherlich zunächst kein einfacher Weg, aber er lohnt!

Wie FokusWahlfreiheit, so ist auch das Maß an Vertrauen ein Indikator, den wir im Rahmen der Diagnostiken von AgilityInsights erheben. Im Zusammenspiel und der gemeinsamen Betrachtung stellen sie sehr konkrete und direkt nutzbare Hinweise und Hebel dar, mit denen wichtige Schritte hin zu mehr Spitzenleistung leichter gegangen werden können.

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