In der Führungsfalle

In der Führungsfalle

25Wenn renommierte Zeitschriften wie der Harvard Business Review (die englischsprachige „Mutter“ des Harvard Business Managers) seitenweise über das Verhalten von CEOs schreiben, die in Ihrem Führungsstil in einer alten Welt hängengeblieben sind, dann stecken aus meiner Sicht zu viele von denen, auf deren vorausschauendes Denken man bislang vertraute, mittendrin, in einer (vielleicht) tragischen Führungsfalle.
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Was ist passiert?

Eigentlich hat der HBR etwas banal-normales getan. Ein paar Harvard Professoren haben in einer Studie über 12 Jahre den Tagesablauf von insgesamt 27 CEOs großer amerikanischer Unternehmen, jeweils über einen Zeitraum von 3 Monaten, untersucht. Das Ergebnis (in einer Zusammenfassung hier nachzulesen) zeigt sechs Dimensionen auf, die CEOs auf Ihrer Agenda haben sollten um „gut“, d.h. „wie die untersuchten CEOs“ zu führen. Soweit, so gut.

Noch etwas ist passiert

Die aktuelle Gallup Studie kommt (wie in den letzten 12 (oder waren es noch mehr)) Jahren zu dem Schluss, dass das Engagement von Mitarbeitern in den USA (wie auch bei uns) sich weiterhin auf einem grottig schlechten Niveau befindet – in diesem Jahr in Deutschland konkret bei 14%. Wobei von diesen sehr engagierten Mitarbeitern wahrscheinlich nur ein kleiner Bruchteil in eher klassisch geführten Unternehmen aktiv ist. In Unternehmen also, in denen auch die in der Harvard Studie untersuchten CEOs typischerweise gehören. Unternehmen die, auch in Deutschland, noch immer die Masse ausmachen.
Denn ein zweiter Teil des Gallup Engagement Index zeigt, dass in Agilen Unternehmen, die emotionale Bindung fast dreimal so hoch ist.

Noch etwas ist passiert

Betrachtet man die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den USA (dem Land aus dem die betrachteten CEOs stammen), so ist diese seit der Einführung des Shareholder-Management Gedankens fast kontinuierlich rückläufig. Das mag viele Ursachen haben – einen Gegentrend durch ein verändertes Managementverhalten gab es dennoch nicht. Anders ausgedrückt, die Unternehmen erwirtschaften immer weniger Gewinn – aber im Management blieb alles beim Alten.

Noch etwas ist passiert

Steve Denning, einer der Publizisten, die mit besonderem Augenmerk die Implementierung Agiler Strukturen beobachten, hat das Verhalten von Jeff Bezos, dem Gründer von Amazon mit dem der in Harvard untersuchten CEOs verglichen.
Sein Fazit (auch wenn ich starke Vorbehalte gegen die restriktive Behandlung von Mitarbeitern bei Amazon, insbesondere denen in der Logistikkette, habe): Jeff Bezos handelt an entscheidenden Stellen deutlich „agiler“, d.h. angepasster an die aktuellen Herausforderungen als die Durchschnitts-CEOs der Harvard Studie.

Was früher war…

Betrachtet man diese Zusammenhänge etwas kritischer, so fällt zunächst auf, dass die CEOs der Harvard Studie Ihre Unternehmen nach Standards des Industriezeitalterns führen. Sie sind fachlich fit, treffen viele Entscheidungen, reisen zu Mitarbeitern, Kunden und Geschäftspartnern, vertreten das Unternehmen nach außen, geben die Richtung vor, entwerfen die Strategie, kontrollieren die Ergebnisse und sind der Motor und das Kraftwerk der Unternehmen. Sie entsprechen dem Bild des emsigen Tagesgeschäftsbewältigers der jederzeit alles zu 100% im Griff hat und die Gesamtverantwortung für alles im Unternehmen trägt.
Doch, vorausgesetzt, diese Unternehmen erleben dasselbe, was wir hier in Deutschland erleben, so sind diese CEOs damit wahrscheinlich heute immer hoffnungsloser überfordert. Man sieht es an den Ergebnissen und am Engagement der Mitarbeiter, an den Zufriedenheit der Kunden und der Innovationskraft der Unternehmen, an der wirtschaftlichen Entwicklung.
Die Steuerung funktioniert (zwar meist noch) hervorragend, aber die Wirkung bleibt immer öfter aus.
 

… geht heute anders

Wer heute glaubt alles jederzeit zu 100% im Griff zu haben lebt in einer anderen Welt. Seit wir das Internet mobil gemacht haben, seit wir jederzeit, überall, alles, „mal eben so zwischendurch“ erledigen können, seit damit alles schneller, vielschichtiger, verwirrender, transparenter auch zugleich undurchschaubarer geworden ist, hilft lineares tagesgeschäftbewältigen nicht mehr aus, um ein Unternehmen, gleich welcher Größe, im Alltag erfolgreich zu führen – geschweige denn in die Zukunft. Wer heute führt, tut gut daran, in systematisch zu denken, die wachsende Zahl an vielen Einflußfaktoren zu berücksichtigen und deren gegenseitige Wirkung zu bedenken. Wer heute mit Führungs- und Managementkonzepten der Vor-Internetzeit arbeitet steckt mitten in der Führungsfalle.
 

“Manifest” für gute funktionierende Unternehmen

Das alte Denken in linearen, steuerbaren Abläufen war im Jahr 2001 der Auslöser, das „agile (IT) manifest“ zu verfassen. Im Kern beschreibt es ein Gegenmodell zur planvollen, durchgesteuerten, kundenfernen, perfekt dokumentierten, aber am Bedarf vorbei gehenden Softwareprogramierung. Es beschreibt stattdessen, wie gut funktionierende, nutzbare, kundennahe Software mit hohem Engagement und größerer Erfolgswahrscheinlichkeit entstehen kann. Dieses agile manifest hat den Grundstein für das gelegt, was wir heute unter (dem Buzzword) Agilität verstehen. Das anpassungsfähige, flexible Reagieren auf kurzfristige Veränderungen oder wie ich es beschreibe, die aktive Nutzung der sozialen und kognitiven Fähigkeiten der Beteiligten.
 

Agiles Management

Agiles Management ist wiederum der Gegenentwurf zu dem, immer öfter vor schwierigen Probleme stehenden, Tagesgeschäftbewältigen-Management. Es gleicht im Kern dem agilen IT Manifest: Es geht darum die kognitiven und sozialen Fähigkeiten der Mitarbeiter für das immer schnelllebigere Tagesgeschäft optimal zu nutzen. Es geht darum unternehmerischen Handeln auf viele Schultern zu verteilen, multiperspektivisches Denken zu ermöglichen, Entscheidungen auf ein breites Fundament zu stellen und zugleich zu beschleunigen. Es geht darum, Kundennäher zu agieren und bessere, qualitativ hochwertigere Lösungen und neue Produkte zu schaffen. Es geht – einfach gesagt – darum gut funktionierende, kundennahe, erfolgreiche Unternehmen zu ermöglichen.
Werden diese Aufgaben, unter geeigneten Rahmenbedingungen, von den Führungskräften auf die Mitarbeiter übertragen, wird mit Agilem Management der Weg wieder frei, für die eigentlichen Aufgaben von Management und Führung: Die Zukunft zu gestalten.
 

Die Kernaktivitäten zukunftsgerichteten Managements

Unternehmen leben weiterhin davon, in eine erfolgreiche Zukunft gelenkt zu werden. Diese heute immer wichtiger werdende Führungsaufgabe wird zu häufig einem überfüllten Kalender geopfert.
Dabei sollte dieser Kalender gefüllt sein mit Zeit zur Reflexion über das, was kommt und darüber wen man dazu braucht. Es sollte darum gehen, sich mit den Entwicklungen der Branche, der Technologie und dem Umfeld zu befassen und sich darüber auszutauschen. Es sollte darum gehen, die Menschen zu suchen, die das Unternehmen braucht, um die kommenden Herausforderungen zu überstehen. Es sollte darum gehen, mit den Menschen im Unternehmen in den Dialog zu gehen, ihnen zuzuhören und die geeigneten Rahmenbedingungen zu schaffen, damit diese selbst im Sinne des Unternehmens im Alltag handeln und mit ihren Ideen die Zukunft mitgestalten können.
In diesem kleinen Absatz steckt damit auch schon alles, was man heute unter Agilität versteht. Operative Agilität, also der Raum, den Teams brauchen, um das Geschäft optimal zu meistern. Strategische Agilität, also der Raum, in dem aus den Ideen der Mitarbeiter und der Unternehmer neue Geschäftsmodelle werden, und organisationale Agilität, die den dafür unentbehrlichen Rahmen, die Strukturen und Prozesse darstellt.
 

Der Führungsfalle entfliehen

Das umzusetzen ist eine der ganz großen Herausforderung. Schließlich findet ein Teil vom „alten Geschäft“, von dem was das Unternehmen bislang ausmacht, weiterhin, erprobt und zuverlässig im alten (Management)System statt. Dagegen brauchen neue, agile Teile ein anderes Management- und Führungsverständnis.
Dies gleichzeitig zu ermöglichen, ist eine Aufgabe, die nur das Top-Management meistern kann. Sie erfordert Ambidextrie, zeitgleiche Beidhändigkeit in der Ausgestaltung von Führung, von Strukturen und Prozessen. Der Übergang zwischen dem „alten steuerungsfokussierten System“ und dem neuen „wirkungsfokussierten“ braucht Verständnis und Einfühlungsvermögen für und bei allen Beteiligten. Dies anzustoßen, es langsam aber konsequent aufzubauen, für Verständnis zu sorgen, es vorzuleben ist die wesentlichste Führungsaufgabe.
Wer vor dieser Lernaufgabe zurückschreckt, sollte im alten System bleiben, bis… ja, bis es nicht mehr anders geht, bis das Unternehmen (wahrscheinlich) keine Zukunft mehr hat. Denn die Zukunftsfähigkeit hängt von dem bewussten, reflektieren Umgang mit dieser Mehrdeutigkeit ab und der Fähigkeit der Führung, diese Ambidextrie zu orchestrieren und selbst auszuhalten. Es ist ein (organisations)individueller Führungsweg, den es auszugestalten gilt.
 

Und Jeff Bezos…

Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, hat seinen eigenen Weg gefunden. Er blickt weit in die Zukunft, beschäftigt sich mit Ideen, die erst in einigen Jahren marktreif werden. Er kommuniziert damit seine klare Zielsetzung ins Unternehmen und gestaltet aktiv Neugeschäft. Zugleich lässt er auch andere ihre Ideen vor(an)bringen und hat Raum geschaffen, um dabei nicht von individuellen Meinungen- und Entscheidungsführern abhängig zu sein. Er hat damit Raum für weitere Innovation geschaffen, die in anderen Organisationen auf dem Schreibtisch eines „non-believers“ hängen bleiben. Zugleich ist er es, der sich vorbehält, die großen Entscheidungen bewusst und reflektiert selbst zu treffen – weit weg von der operativen Hektik des Geschäftsalltags.
Er hat die Mannschaft befähigt im Unternehmensalltag den Erfolg des Unternehmens (der wie gesagt, an anderen Stellen auch zu kritisieren ist) allein zu erzielen, geleitet durch seinen Führungsansatz und seine Arbeit an der Zukunft.
 
Wenn Sie mehr zum Ansatz zeitgemäßen, zukunftsgerichteten (Agilen) Managements und der dies unterstützenden Führung erfahren möchten, sprechen sie mich gerne an.

In der Führungsfalle

Agilität – vom Filterblasenhype zum alten Kern effektiver Zusammenarbeit

Ein Denkanstoß

Bevor Sie weiterlesen: Was bedeutet für Sie eigentlich Agilität?

Haben Sie eine Antwort?

Als Anregung zur Reflexion gebe ich Ihnen gerne meine. 

Agilität ist Filterblasenhype

Das agile Manifest hat dem Begriff nicht gut getan. Es hat ihn zu „irgendwas mit IT“ gemacht. Es hat zu einem Filterblasenhype geführt, der die Diskussion beherrscht. Es hat das Fundament beschädigt, dass es sein könnte. Das Fundament, das in ihm steckt, und das im Kern, heute vielleicht mehr denn je, dringend benötigt wird, um erfolgreich unternehmerisch tätig zu sein.

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Agilität ist mehr

Agilität ist mehr als Flexibilität, mehr als Anpassungsfähigkeit, mehr als die Antwort auf ein immer schwierigeres, weil informationsüberflutetes und zunehmend schnelleres (aka komplexeres und dynamischeres) Umfeld. 

Agilität ist – wenn man ein, zwei Ebenen tiefer hineinblickt die Fähigkeit, die vorhandenen sozialen und kognitiven Fähigkeiten der Kollegen, Mitarbeiter, der Menschen zu nutzen, um so gemeinsam die maximale Kompetenz zusammenzutragen, um flexible Lösungen zu finden, um immer wieder gemeinsam auf das Neue einzugehen und zu klären, wo Anpassung oder wo Marktgestaltung besser wirkt. Sich auszutauschen, in den offenen Dialog zu gehen, gemeinsame Kommunikationsebenen zu schaffen, Ideen zusammenzubringen, Lösungen gemeinsam zu gestalten und das Unbekannte zu meistern, das ist Agilität. 

Solche Agilität braucht keine Silos, keine Steuerung, keine Kontrolle, keine Reports, keine Entscheidungsvorbehalte und -flaschenhälse. Sie braucht einen geeigneten Rahmen, sie braucht innere Dynamik und Stabilität, sie braucht intensiven Austausch und Vernetzung. 

Was sie auch braucht ist ein Management jenseits von Steuerung und Kontrolle und diesseits von unternehmerischem Mut und Wirksamkeit. Agiles Management ist die Kunst das neue entstehende Zusammenspiel effektiv und effizient zu gestalten und damit die Zusammenarbeit immer weiter zu verbessern und damit back-to-the-roots menschliche (Zusammen-)Handlungsweise zu optimieren. 

Es ist, was jeder erfolgreiche, kleine Handwerksbetrieb, in dem jeder sich auf jeden verlassen muss, auch noch heute noch ganz natürlich macht. Es ist, was vor der Industrialisierung üblich gewesen sein muss, um die Arbeit von Meister, Geselle und Lehrling immer wieder in einzigartige Ergebnisse zu verwandeln. 

3 Elemente von Agilität

Wer sich in Teams, Gruppe, Squads, Clustern, Bereichen oder Unternehmen miteinander austauscht, um gut zusammenzuarbeiten, der braucht einen strukturellen Rahmen, ein Ziel und Aktivität, oder übersetzt: organisationale Klarheit, strategische Weitsicht und operatives Tun. In allen Bereichen muss mit gesundem Menschenverstand und gesundem Menschengefühl geschaffen und gemeistert werden, was am Ende als exzellentes Ergebnis da steht, was wertgeschätzt, gelobt und empfohlen wird, was im besten Sinne für sich selbst spricht.

Alles entspringt dem, was die Menschen, die dieses Ergebnis geschaffen haben – weil sie es auf Basis ihres Wissens, ihrer Erfahrungen, ihrer technologischen und kommunikativen Kompetenz als gemeinsame Leistung schaffen wollten. Alles entspringt den kognitiven, den kreativen, den intelligenten, den empathischen, den kommunikativem, den sozialen Fähigkeiten, die wir in uns tragen. Alles entspringt aus gelebter Agilität. Nicht aus der nur propagierten.

Und? wie leben Sie Agilität?

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„Strategisch-agile Planung, geht das?“ – Wie Sie Agilität und strategische Planung zusammen-denken

Immer wieder stehe ich mit offenem Mund da und kann nicht fassen, was um mich herum passiert. Entweder starten Unternehmen vollständig unbedacht und mit Vollgas in ihren agilen Transformationsprozess oder sie planen sich auf dem Weg dahin „einen Wolf“.

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In den letzten Wochen habe ich den Case aufgemacht, dass strategische Planungen und Agilität – so disjunkt sie im ersten Augenblick wirken – doch gemeinsam betrachtet und angegangen werden sollten. Allein schon, weil agile Strukturen in den erfolgreichen Unternehmen der Zukunft tief verankert sein und damit auch „planvoll“ implementiert werden müssen. Daher tut, wer strategisch weiter denkt, gut daran, auch „in agil“ zu denken, und das Thema mindestens auf die Agenda zu nehmen und besser noch, es dort nicht nur zu belassen, sondern auch weiter zu entwickeln.

Ja – agil ist ein Hype!  Aber ein äußerst langatmiger.

Das Internet war/ist auch ein Hype – und, geht’s wieder weg? Nein!

Wir sind so gewohnt, dass die Wirkung von Change initiativen ausbleibt, dass wir an die Wirkung von Agilität gar nicht mehr glauben. Dabei vergessen wir oft,  dass der Change oft deshalb nicht funktionieren, weil ihm ein starker Anker im Arbeitsalltag fehlt. Change der hilfreich ist, der die Arbeit erleichtert, kommt in der Mehrzahl auch an, einfach, weil er auf der ganz individuellen Ebene positive Wirkung zeigt. Genauso ist es mit Agilität, die als zentrales Haltungs-, Verhaltens- und Denkmuster allerdings den Umfang klassischer Changeinitiativen sprengt. Wer in (agilen) Strukturen arbeitet, die darauf aufbauen, dass alle ihre jeweiligen kognitiven und sozialen Fähigkeiten einbringen wird erleben, wieviel einfacher die Zusammenarbeit wird. Und ja, manchmal macht’s dann sogar Spaß. In meinen Augen alles andere als ein Fehler.

Veränderungen dieser Art finden Zulauf, statt Ablehnung. Wie sonst wären die Schattenorganisationen in einigen Unternehmen oder die, wie Pilze aus dem Boden schießenden, (Selbsthilfe)initiativen von Mitarbeitern zu verstehen, die auf diese Art versuchen, ihr Unternehmen auf einen besseren Weg zu bringen.
Das alles sollte schon Grund genug sein „dieses agile“ mit auf die Agenda strategischer Planungen zu nehmen – und das nicht nur in Großkonzernen und im Mittelstand. Auch wenn viele kleine Unternehmen ganz natürlich schon „agil“ sind, so ist es durchaus sinnvoll und zielführend die verschiedenen Aspekte und Ausprägungen einer agilen Arbeitshaltung zu durchdenken und ihnen Raum zu geben.

Wo Agilität mal angekommen ist, da geht sie dann auch nicht mehr weg.

Don’t copy

Ich habe sie wahrscheinlich schon hundertemale geschrieben, meine Warnung vor der Kopie. Und dennoch tauchen immer mehr Unternehmen (bei mir) auf, die den Heilsversprechen von Copy&Paste Beratungen (dazu gehören auch ein paar der ganz Großen) auf den Leim gegangen sind und die das XYZ-Modell übernehmen sollen und haben. Und was passiert dann…. Es geht schief, weil die Menschen, die Basiskultur, die Strukturen, die Haltung im Management, die Kunden, das Geschäftsmodell und -umfeld, einfach alles im eigenen Unternehmen ganz anders ist, als bei der Vorlage. Das Gleiche ist halt doch nicht dasselbe.

Worauf soll man aber den sonst bauen?

Wer strategisch plant, muss viele Perspektiven und Entwicklungen mit einbeziehen. Warum also nicht auch mal tief und damit jenseits klassischer Mitarbeiterbefragungen, in die eigene Organisation hineinblicken? Ja, natürlich ist das nicht leicht. Von allen Seiten weichgespülte und als kopierfähige Vorlage aufbereitete Befragungen kratzen dabei nur an der Oberfläche, Townhalll-Meetings oder Barcamps sind zu unstrukturiert und laden zu sehr die extrovertierteren Meinungsbilder ein.

Wer mehr über die dynamischen Fähigkeiten seiner Organisation erfahren will, wer herausfinden möchte, woran Geschwindigkeit scheitert oder was sie forciert, wer die Reaktionsfähigkeit, die Potenziale von Vertrauen, Zusammenarbeit, die Qualität der Beziehungen untereinander erkennen, betrachten und die Zusammenhänge verstehen will, der hat nur wenige Möglichkeiten, dies strukturiert und objektiv zu tun.

Dabei ist genau das immer wichtiger, wenn es um die brandaktuellen strategischen Themen geht, wie Talentfindung und -nutzung, die (schon fast abgedroschene, weil oft nur als große, disruptive wahrgenommene) Innovationsfähigkeit, vor allem aber die Adaptions- und Reaktionsgeschwindigkeit von Organisationen. Hier trennt sich immer mehr die Spreu vom Weizen. Hier sind die Details verborgen, die strategische Vorteile bieten. Hier liegt auch die Basis, für die wohl als längsten missachtete und zugleich zunehmend wichtig(ste) (sozial) Technologie: Gutes, durchdachtes, strategisch kluges und damit mithin heute mehr denn je agiles Management.

Kluges, agiles Management – was ist das?

Die Menge an Büchern, Vorträgen, Workshops und (Un-)konferenzen zum Thema „new leadership“ aka „neue Führung“ wächst stündlich. Das Thema „servant leadership“ aka „dienende Führung“ bekommt täglich neue Ansätze und Auswüchse zur Seite gestellt. So richtig (und alt) die Erkenntnis ist, dass dies ein guter Weg ist, um die Potenziale der Mitarbeiter zu aktivieren, so sehr fehlt eine noch wichtigere Komponente, die (allein) es ermöglich gute Führung auch umzusetzen: Ein bewusst durchdachtes, das Gesamtunternehmen voll einbeziehendes Management Design – eine Art und Form von Führungs-, Entscheidungs- und Organisationsstruktur (und vor allem -verständnis), die die Grundlage für eine positiv wirkungsvolle Zusammenarbeit in Unternehmen bildet. Eine Art das Unternehmen zu optimaler Funktion zu bringen, bei der die Zusammenhänge, das große Bild und die Treiber verstanden sind und sich bestmöglich an- und ineinander fügen.

Kennen Sie Adam Grant? Wenn nicht, lesen Sie ihn, hören Sie ihm zu, lernen Sie sein GedankenGUT kennen. Er blickt auf und in die Menschen und dies mit besonderem Fokus auf die Zusammenarbeit, die diese Menschen zustande bringen. Hier nur ein Zitat von ihm: „Die größte einzelne Indikator für die Effizienz einer Gruppe ist die Menge an Unterstützung, die die Mitarbeiter sich gegenseitig zukommen lassen.“

Und dem steht Management auch heute noch, wie schon zu Zeiten von Peter Drucker, im Weg, der schon damals schrieb: „So much of what we call management consists in making it difficult for people to work.“

Das Bild erkennen

Wenn Sie also den Gedanken zulassen, dass auch Sie als Führungskraft und Unternehmenslenker den wahren Potenzialen ihres Unternehmens (auch nur im entferntesten) im Weg stehen könnten, weil Sie nicht alles mit mit der notwendigen Schärfe und Objektivität sehen können, weil Sie nicht (mehr) alles Wissen (können) oder weil Ihre Managementstruktur zwar hervorragend plant und misst, aber das Unternehmen doch teilweise anders funktioniert, als Sie es gerne hätten, dann sind Sie gerade einen enormen Schritt weitergekommen. Diese Erkenntnis ist der erste Schritt die alten, schon längst zerbrochenen Strukturen loszuwerden.

Und damit schließt sich auch der Kreis zur strategischen Planung, denn nun kann es auch Ihnen gelingen bewusst einen neuen Aufsatzpunkt zu schaffen. Von diesem neuen Aufsatzpunkt aus, können Sie nun auch die „alten Themen“ neu betrachten, etwa Digitalisierung, die Gestaltung neuer Geschäftsmodelle oder den Einfluss der Veränderungen im Arbeitsmarkt auf Ihr Unternehmen.

„Weiche KPI“?

Keine Frage, auch zukünftiges Management fühlt sich sicherer und besser, wenn es eine Sensorik und ein System von Indikatoren nutzen kann, die ein realistisches Bild vom Unternehmen geben. Aber, welche Indikatoren sind dies? Was macht Erfolg auf diesem „anderen“ Weg aus? Was lohnt es zu betrachten?  


In einer, im Vergleich zu einer Zeit vor 15 Jahren, so anders funktionierenden Welt, erleben alte, menschliche Themenfelder eine Renaissance: Motivation, Cleverness, die Nutzung der vorhandenen Fähigkeiten und Talente, die Qualität von Dialogen zu Sinn, Risiken, Performance.

Sind dies KPI, die Sie bislang bereits nutzen und auf die Sie Ihre strategische Planung aufbauen? Wenn ja: Glückwunsch! Sie gehören zu einer exklusiven und extrem kleinen Minderheit und haben zugleich wahrscheinlich ein überproportionales Stück vom Erfolg in Ihrer Branche in der Hand.

Wenn nicht, grämen Sie sich nicht. Kaum jemandem gelingt es diese weichen Faktoren sinnvoll und objektiv zu erfassen und zu reflektieren. Aber, es ist möglich!

Eine DIY-Anleitung

Eine Do-It-Yourself (DIY) Anleitung für eine Rejustierung der strategischen Planungsgrundlage gibt es seit Jahren in Form von zwei Büchern und einem Online Design Check – allerdings eine, die erst jetzt, aber dafür mit Vehemenz, aus einem Dornröschenschlaf erwacht. Immer geht es dabei um den (Erfolgs)Faktor Menschen in modernem Managementdesign und um die Erfolgsparameter, die es diesen Menschen erlaubt sich im Sinne des Unternehmens optimal einzubringen.

Eine der im MANAGEMENT DESIGN Buch enthaltenen zentralen Denkvorlagen (aka Canvas) möchte ich Ihnen hier zeigen, um Ihnen zu ermöglichen selbst Ihr Unternehmen hier zu reflektieren.

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© 2015 Lukas Michel

Schon mithilfe dieses Denkrahmens und den zugehörigen zielgerichteten Leitfragen beginnt sich der Nebel über dem eigenen Unternehmen etwas zu lichten.

Klarheit 

Die im Vorgängerbuch „THE PERFORMANCE TRIANGLE“ in seinen Grundzügen beschriebenen Design Checks haben bei meinen Kunden in der Vergangenheit immer wieder zu Aussagen geführt, wie „Woher kennen Sie unser Unternehmen so gut, wenn Sie noch nie hier waren.“ oder „Das beschreibt ganz genau meine Situation, jetzt wird mir einiges klarer.“

Der Effekt erklärt sich ganz einfach: Die Design Checks schaffen schnell und unkompliziert eine objektive Visualisierung des tief verinnerlichten Bauchgefühls und zeichnen damit, gerade, wenn man auf eine breite Datenbasis zurückgreifen kann, ein sehr realistisches, manchmal erschreckend zutreffendes Bild der Unternehmen auf.

Im DIY-Modus kann man mit dem im Buch vorgestellten Design Check hier erste Erkenntnisse gewinnen.

Im Ergebnisbericht, der in diesem Jahr veröffentlichen Studie zu Agilem Management kann man lesen, dass erfolgreiche Unternehmen deutlich mehr Zeit in Dialoge zu Sinn und Risiken, zu Strategieentwicklung (!), in Kommunikation und Transparenz und die Reflexion und Ausgestaltung sinnvoller Kennzahlen, stecken als die mittelmäßigen und zweitklassigen, die sich eher auf Regeln zur Governance, Risiko Management und Pläne & Reports fokussieren.

Arbeitet man mit dem gleichen Tool und mit diesem Wissen in Unternehmen, so erkennt man schnell, wo die Löcher und Problemstellen, aber auch wo die Chancen und Potenziale liegen. Man erkennt den Werkzeugkasten agiler Fähigkeiten des Unternehmens, man sieht, welche Teile fehlen, um diesen an die Menschen und den Kontext, statt die Menschen (oder den Kontext) anzupassen und man bekommt die Hebel in die Hand, um die Fertig- und Fähigkeiten der Organisation aktiv zu verbessern.

Wie steht es damit bei Ihnen? Welches Set an Indikatoren nutzen Sie für die Ausgestaltung von Zukunftsszenarien? Kennen Sie ihren Werkzeugkasten (agiler) Fähigkeiten, was definiert ihn und was fehlt?

Einblicke mit Tiefgang 

Aber auch mit diesen Erkenntnissen kratzt man im Grunde noch an der Oberfläche. Interessanter wird es da, wenn man sich eine Ebene tiefer in die Metriken eingräbt, denn auch solche „weichen“, gerade im agilen Kontext aber so wichtigen Indikatoren, leben von den Zusammenhängen und Verknüpfungen, wie ich gleich aufzeige. Diese Verbindungen gelten zwar in allen Organisationen gleichermaßen, sind aber, bewehrt mit konkreten Daten und Aussagen, dann von besonderer Bedeutung, wenn es darum geht, all die im „normalen“ Unternehmenskontext ungenutzten Potenziale – ich spreche hier von geschätzten 30% der Leistungsfähigkeit – für die Organisation zu aktivieren. (Überlegen Sie spaßeshalber mal, wie das Unternehmen sich entwickeln könnte, wenn Sie nur 10% der Potenziale greifen könnten….)

Beispiele aus dem Design Check Ergebnisübersichten sind hier die Leadership Scorecard und die Management Toolbox. Gelingt es die mit der Toolbox und der Scorecard verbundenen Indikatoren (und jeder der aufgeführten Begriffe kann mit Leben/Werten gefüllt werden) auf, für das Unternehmen, optimal Werte zu bringen, so werden Sie kleine und große Wunder erleben.

„Erstklassige Organisationen entwerfen ihre Toolbox so, dass sie zu den Menschen und dem Kontext passt.“

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Leadership Toolbox © AGILTYINSIGHTS, Lukas Michel

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Leadership Scorecard © AGILTYINSIGHTS, Lukas Michel 

Die Leadership Toolbox dockt dabei orthogonal an die Scorecard an und gibt noch eine Ebene mehr an Details zum Thema Führung. Wann haben Sie zuletzt Ihre Organisation aus diesen Blickwinkeln betrachtet?

Strategische Pläne für die großen Transformationen

Die großen Transformationen, mindestens die Digitalisierung und die Entwicklung und Implementierung neuer Geschäftsmodelle stehen auf der Agenda jeder umfassenden strategischen Planung. Und auch im ganz konkreten Kontext dieser Transformationen lohnt es den Blick von der harten Realität den Innen- und Außenwelt zu den weicheren Aspekten hinzuwenden. Auch hier lassen sich Indikatoren dafür identifizieren, wo der größte (Nachhol)bedarf besteht und wie Prioritäten zu setzen sind. Agilität sollte dazu in seinen drei wichtigsten Komponenten gesondert betrachtet werden: im “operativen”, was viele Unternehmen bereits tun, man denke nur an den Aufbau agiler Teams, im “strategischen”, was manche im Zusammenhang mit der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ebenfalls vollziehen und im “organisationalen”, woran die meisten derzeit noch nachhaltig scheitern, weil sie die Rahmenbedingungen für Agilität nicht greifen und einbringen können. Das ist auch der Grund, warum agile Teams sich in klassischen Strukturen so schwertun.

Wie die Indikatoren sich in diesem Kontext darstellen und welchen Einfluss sie an den verschiedenen Stellen haben, lässt sich an Darstellungen wie dem „Agilen Diamanten™“ und der „Agilen Energie™“ ablesen.

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Agiler Diamant™ mit Indikatoren aus einem Agile Design Check™
©2018 ZUKUNFTheute & AGILITYINSIGHTS

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Agile Energie™ mit Indikatoren aus einem Agile Design Check™
©2018 ZUKUNFTheute & AGILITYINSIGHTS

Eine individuelle Herausforderung 

Die Agile Energie™ entsteht im Zusammenspiel der drei Komponenten. Der Agile Diamant™ setzt diese in Beziehung zu den aktuellen und großen Transformationen, die viele Unternehmen derzeit beschäftigen.
Der Erfolg dieser Transformationen hängt signifikant davon ab, wie mit Agilität als zentralem Thema umgegangen wird.


So, jetzt habe ich Sie (möglicherweise) in eine schwierige Position gebracht. Sie wissen jetzt, welche „neuen“ Elemente in eine zukunftsgerichtete strategische Planung gehören und Sie kennen (zumindest) eine der Möglichkeiten, dies recht einfach zu tun. Nun müssen Sie selbst entscheiden, was Sie mit diesem Wissen anstellen. Ob Sie es zum Wohle Ihres Unternehmens einbringen oder es lieber bleiben lassen, weil es zu schwierig, zu anstrengend und zu langwierig wäre, es auf den entscheidenen Ebenen einzubringen.
Anhand dieser, Ihrer, Entscheidung lässt sich schon ablesen, wie gut die Dialoge zur Strategiefindung, zur Kultur, zu Werten und Entwicklungsoptionen bei Ihnen heute bereits sind, wie offen die Organisation für neuen Input ist und wie sie (alle gemeinsam) damit umgehen. Wie sehr fühlen sie sich gefordert sich hier im Sinne des Unternehmens stark zu machen? Wie steht es damit bei Ihren Kollegen?
Vielleicht ahnen Sie die Antworten, aber können sie aber nicht greifen.

Den Schlüssel zu konkreter Informationen finden Sie oben. Das Schloss öffnen müssen Sie nun selbst. Ich sagte ja: eine schwierige Position – oder etwa doch nicht?

Zusammenfassung und Fazit

(Gemeinsames) strategisches Denken ist das A und O mittel- und langfristiger Planungsaktivitäten. Nicht nur mit Blick auf die Entwicklungen im Umfeld, sondern insbesondere was neue Umsatzquellen und Geschäftsmöglichkeiten betrifft. Strategische Produkt-, Service-, Akquisemöglichkeiten sind bekannte Elemente des Fundaments der Zukunft. Doch um die Möglichkeiten zu nutzen, helfen Planvorgaben auf diesem Niveau nicht mehr weiter. Das Unternehmen muss gemeinsam und agil auf die Entwicklungen im Umfeld reagieren können. Damit ist der Aufbau und das Verständnis für „agile“ (Planungs)strukturen ein Pflichtbestandteil moderner strategischer Planungsinitiativen. Din der Folge sollte sich auch das Managementdesign einer bewussten strategischen Betrachtung zu unterziehen, damit dieses die mit einer strategisch-agilen Planung und Arbeit verbundenen Implikationen auf das Unternehmen zu 100% unterstützt.

Es gibt wenige Konzepte und Methoden, die es erlauben umfassend die notwendigen Einblicke und Einsichten aus dem Unternehmen strukturiert und objektiv zu erfassen und sie so für die Konzeption der Entwicklung zu nutzen. Neben den Angeboten einiger großer Beratungen sind die Agile Design Checks sind ein erprobter, verlässlicher und (im Wortsinn) preis-werter  Weg dahin. Sie bieten Einblicke, die sonst verwehrt bleiben und geben Anker- und Anhaltspunkte, wie und wo im, am und mit der Organisation gearbeitet werden sollte, um die gesteckten Ziele zu erreichen.


Links

AGILITYINSGHTS Netzwerk: http://www.agilityinsights.net

Agile Designs Checks – Übersicht:  https://agilityinsights.net/de/was-wir-tun/design-check

Agile Checks im Kontext von Strategie & Planung: https://agilityinsights.net/de/was-wir-tun/strategischeplanung

Literatur

The Performance Triangle
2013,  Lukas Michel, LID Publishing, ISBN: 978-1-907794-41-4

Management Design
2015 Lukas Michel, LID Publishing, ISBN: 978-1-907794-66-7

Das AGILITYINSIGHTS Netzwerk wurde von Lukas Michel initiiert, um Unternehmen beim Zugang und der Umsetzung von Agilität mithilfe der Agile Design Checks im Verbund und Austausch mit internationalen Partnern zielgenau beraten zu können. Die Agile Design Checks wurden von Lukas Michel entwickelt und werden stetig verfeinert. Über die Netzwerkpartner haben in den letzten 15 Jahren ca. 200 Unternehmen die Agile Design Checks mit großen Erfolg und stets positiven Feedback genutzt. Das Netzwerk steht im ständigen Austausch mit Wissenschaftlern, um durch deren Feedback und Forschungsprojekte weitere valide Informationen einbinden und nutzen zu können.

www.agilityinsights.net    |    michel@agilityinsights.com

Guido Bosbach ist, mit seinem Unternehmen ZUKUNFTheute, Top-Management Berater für kleine oder mittelständische Unternehmen, wie für Konzerne. Sein besonderer Fokus liegt auf dem zentralen Thema Agilität und deren Umsetzung in allen drei relevanten Komponenten: operativ, strategisch und organisational.
Er wurde 2017 vom internationalen Business-Netzwerk Linkedin als Top-Voice und 2018 vom Personalmagazin als Top HR-Influencer ausgezeichnet.
Guido Bosbach ist Partner im AGILITYINSIGHTS Netzwerk.

www.zukunftheute.net    |    gb@zukunftheute.net

In der Führungsfalle

Strategische Planung & Agilität – Symbiose oder Schizophrenie?

Die Idee Pläne zu machen finde ich immer wieder faszinierend und grausam! Auf der einen Seite machen wir Pläne, um Unsicherheiten zu überwinden, Klarheit zu schaffen, Strukturen aufzubauen und damit so etwas wie Wohlbefinden zu erzeugen. Auf der anderen Seite landen die allermeisten Pläne, kurz nachdem man sie gefasst hat, auf dem Müll oder sind zumindest die dafür aufgewandten Energie nicht wert, da sie in dem Moment in dem sie gefasst und abgesegnet werden, meist schon hoffnungslos überholt und veraltet sind.

Wer dennoch versucht sich an den Plänen zu orientieren, wer IST / SOLL Vergleiche anstellt, wer sich zum Sklaven der Fortführung der Vergangenheit in die Zukunft macht, um die zukünftigen Boni zu sichern, steckt in einer grausamen Falle.

Und doch – ich verstehe, dass Unternehmenslenker auch in Zeiten immer schwieriger abzuschätzender Entwicklungen – teilweise immer stärker – auf dieses alte Instrument bauen. Denn was sonst gibt uns die für unsere Resilienz so wichtige Sicherheit?!

Das ungenutzte Potenzial

Meine ursprünglicher Plan für diesen Artikel war die Sinnlosigkeit der in vielen Unternehmen jetzt startenden strategischen Planungsrunden darzulegen. Insbesondere in Organisationen, die auf dem Weg zu agileren Zusammenarbeitsstrukturen sind, scheint es zunächst widersinnig, Komplexität und Dynamik mit Plänen entgegentreten zu wollen.

Doch sind mir in der Reflexion und Diskussion unsere allzu menschlichen Grenzen wieder bewusst geworden und damit eben auch die schon genannte Suche nach Sicherheit und Stabilität, den zwei Grundpfeilern für agiles Arbeiten. 

Und doch, den strategischen Planungsprozessen, wie sie oftmals heute noch abgearbeitet werden, fehlt eine wesentliche Komponente, um wieder echte Relevanz zu erlangen. Die etablierten Planungsmuster drehen sich um Umsätze, Kosten, Budgets, Risiken, Effizienz, Ressourcen, Produktentwicklungen, Produktionsmittel, Zielsetzungen, Marktanalysen, die Bewertung von Trends, etc. Sie blicken damit sehr ins Detail. Der Fokus liegt dabei auf der Implementierung von Steuerungsmaßnahmen, statt der Öffnung von Raum in dem auf die eigenen und fremden (Aus-)Wirkungen der Umwelt auf das Unternehmen reagiert werden kann.

Selten werden tatsächliche strategische Maßnahmen, die Reflexion von langfristigen Zielen oder gar Retrospektiven von Projekten, Prozessen und Werten mit einbezogen. Und bislang habe ich jedoch nie erlebt, dass im Rahmen strategischen Mittel- und Langfristplanungen das Thema Agilität und die Vorbereitung der Organisation auf agile Arbeitsstrukturen explizites Thema war. Doch gerade im Bestreben das gesamte Bild zu erfassen steckt viel ungenutztes Potenzial. 

Deep Dive in die Potenziale und Probleme

Wer sich in einer, auf ihre Entwicklung immer schwerer abschätzbare Zukunft einstellen will, kommt nicht umhin, die sozialen und kognitiven Fähigkeiten der Mitarbeiter intensiver zu nutzen und so reaktionsschneller und -vielfältiger zu werden. Immer mehr Kunden und Märkte erwarten immer mehr Geschwindigkeit, Service und Individualität. Eine, und die aus meiner Sicht beste, Möglichkeit dies zu tun ist, Agilität tief im Unternehmen zu verankern. Tief heißt dabei nicht nur auf der operativen Ebene, sondern insbesondere auch in Bezug auf strategische Geschäftsmodell- und organisationale Managementmodellentwicklungen. „Planvolles“ Ziel sollte sein, die Organisation frühzeitig und bestmöglich auf immer häufiger und immer dynamischer kommende Situationen einzustellen.

Es ist allerdings schwierig, diese vorbereitenden Maßnahmen anzugehen und vorauszudenken, solange nicht klar ist, an welchen Themen es in der Organisation (schon jetzt und mit besonderer Sicht auf das Thema „Agilität“) hakt, wo die Potenziale, Hemmnisse und echten Probleme stecken, wo Kommunikation schiefläuft, wo es an Freiraum zur Verantwortungsübernahme fehlt, wo der Sinn nicht klar ist, wo Beziehungen schlecht sind, wo Führungssysteme zu sehr einengen, wo die Kultur abgrenzt, statt zu verbinden. Wenige Unternehmensreflexionen, die im Rahmen strategischer Planungen durchgeführt werden beziehen diese spezifische Sicht mit ein. 

Erkenntnisse aus Agile Design Checks

Vor ein paar Monaten habe ich gemeinsam mit AGILITYinsights eine Studie zu Agilem Management durchgeführt, die dank einer großen Resonanz solide und valide Aussagen zu der Adaption agiler Führung in Unternehmen zulässt. Nimmt man die Ergebnisse der sehr planungs- und steuerungsverliebten Unternehmen aus dieser Befragung und betrachtet sie mittels des „Agilen Diamanten“ im Kontext einer dreiwertigen Agilität (operativ, strategisch und organisational) so treten eindeutige Muster auf. 

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Die Unternehmen erreichen in allen agil-strategisch relevanten Bereichen nur mittelmäßige Ergebnisse. Das für den Aufbau von Agilität so grundlegenden Element „Kultur“ wird als deutlich unterdurchschnittlich wahrgenommen. Innovation findet hier entsprechend kaum statt.  

Ebenso eindrücklich ist das Bild, wenn man sich die Dialogkompetenz in den Unternehmen betrachtet. Offene, aufrichtige Dialoge sind eine Grundvoraussetzung, um auf ein neues Niveau guter, aktiver und agiler Zusammenarbeit aufzusteigen. Wo keine oder wenige Dialoge stattfinden, wo Monologe vorherrschen, da kann sich keine Agilität entwickeln. Im Modell der auf bei der Befragung genutzten Agile Design Checks tauchen Hinweise hierzu in der Leadership Scorecard auf und lassen Hinweise auf die Ausgestaltung dieser zunehmend wichtigen Führungsaufgabe zu. 

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Gelebte Agilität braucht gute Dialoge zu unterschiedlichsten Themen. Organisationale Agilität schafft Raum, (auch) für diesen Austausch.

Strategische Reflexion der Art, wie das Unternehmen funktioniert

Bei einem weiteren Aspekt sehe ich die Notwendigkeit, strategisches und agiles Denken intensiver miteinander zu verknüpfen und sich dazu valide Aussagen, wie sie zum Beispiel auch im Rahmen der Agile Design Checks entstehen, zunutze zu machen.

Ein Ziel strategischer Planungen ist Raum zu schaffen, in dem (strategische) Weiterentwicklung möglich ist, sei es in Hinblick auf neue Produkte, neue Umsatzquellen, Kompetenzgewinn oder einen steigenden Beitrag zum sozialen oder ökologischen Umwelt. Die Möglichkeiten sind hier so vielfältig wie die Zielsetzung der Unternehmen. Lange Zeit war, mangels sinnvoller Alternativen und damit zunehmend auch einem fehlenden Bewusstsein für die Existenz anderer Wege, das Thema „Managementmodell“ (unbewusst) ausgeklammert. Mit Managementmodell ist dabei gemeint, nach welchen Grundsätzen und Logiken ein Unternehmen geführt wird und funktioniert. Es geht darum zu klären, wie Entscheidungen getroffen werden, wie das bestehende Geschäft weitergeführt und gleichzeitig neues Geschäft aufgebaut wird, wie Ziele zu Ergebnissen passen und wie Leistung entsteht. Durch das Fehlen dieses Elementes haben sich viele Unternehmen die Chance genommen, Innovation den notwendigen, wichtigen, neuen Raum zu geben oder sich den Veränderungen vonMärkten und Umwelt anzupassen. Wer etwa in der Methodologie der Lean Startups einem „Minimum Viable Product“ die Möglichkeit verschaffen will das Licht des Marktes zu entdecken, kann und darf nicht nach dem Projektstart auf einen schnellen Return on Invest schielen oder einen 100%-Top-Quality Ansatz verfolgen.

In vielen Unternehmen wird in diesem Zusammenhang zwar an neuen Geschäftsmodellen gearbeitet, gerne auch mit Methoden wie dem Business Model Canvas. Der Erfolg solcher Maßnahmen hängt aber mindestens ebenso stark vom extrem selten bewusst reflektierten Managementmodell ab. Doch auch hier existiert ein Silberstreif am Horizont. Der im Rahmen des Speaker Contest des Nordic Business Forum der Öffentlichkeit vorgestellte Management Model Canvas, macht hier auf elegante Art das für das alltagsgewohnte Auge unsichtbare sicht- und greifbar. Auch hier kann ich Ihnen und empfehlen diesen Ansatz einfach mal im Rahmen der eigenen Überlegungen auszuprobieren. (Mehr Infos auf www.managementmodeldesign.net)

Gibt es eine Zukunft für die Planung?

Am Ende hängt die Zukunft der etablierten und auch für viele (noch) wichtigen strategischen Planung davon ab, wie sehr sich diese für die Notwendigkeiten der Zukunft öffnen und inwieweit Entwicklung und deren Potenziale mit aufgenommen werden. Hier entscheidet es sich, ob das Vorgehen sich symbiotisch ergänzt, oder durch die beinhaltete Schizophrenie das Unternehmen lähmt.

Noch ist Agilität also nicht der Abgesang der Planungszyklen, sondern birgt im Gegenteil die Chance durch die Aufnahme agiler Einflüsse und die Vorbereitung der Organisation auf das Thema Agilität in allen drei Komponenten den strategischen Planungsprozessen neues Gewicht und neue Bedeutung zu geben. Ohne diese Bereiche allerdings halte ich sie weiterhin für Zeitverschwendung und bestenfalls für sinnbefreite Beschäftigungsmaßnahmen. 

Am Ende entscheiden Sie in der Leitung Ihres Unternehmens selbst, wohin Ihr Weg, auch und gerade strategisch, geht. 

Wenn Sie die kostenfreie Demo der Agile Design Checks nutzen möchten, um erste Anhaltspunkte zu erhalten, melden Sie sich hier an. Wenn Sie „Ihren“ Agilen Diamanten erhalten wollen schreiben Sie uns dies bitte unter Bemerkungen – wir melden uns dann, um Sie durch das Ergebnis zu führen.

Ist „agil“ der neue Change?

Vor ein paar Wochen hatte ich eine intensive Diskussion mit einer leidvoll geprüften Führungskraft. Sie war gerade von einer Schulung zum Thema Agilität zurückgekehrt und nahm die neue Veränderung als eine von vielen wahr. Dabei steckt im agilen deutlich mehr als nur Veränderung.

Dennoch werden „agile Transformationen“ mit denselben Methoden angegangen und geplant, wie Changeprojekte. Ich halte dies für einen fatalen und nachhaltigen Fehler, denn dieser Ansatz vernichtet mehr Potenzial als er in den Organisationen eröffnet.

Schneller und dynamischer zu verändern ist nicht „agil“

Change ist immer weniger eine einmalige Angelegenheit und wird stattdessen immer permanenter. Nach 10 Restrukturierungen, Softwareinführungen und Prozessoptimierungen in drei Jahren ist Change stetiger Begleiter der Mitarbeiter in großen Unternehmen geworden. Dabei liegt der Fokus aus singulären Veränderungen von Details und Symptomen. Es liegt nicht in der großen Veränderungen, dem umfassenden „anders machen“ – weil dieses Vorgehen, nach traditionellen Maßstäben, zuviel Unsicherheit in sich trägt.

Da bleibt man lieber dabei 80% der Projekte scheitern zu lassen, statt umzudenken, neues wirklich zuzulassen und in Tiefe und eben auch auf der organisatorischen Ebene agiler zu werden.

In agilen Transformationen steckt viel alter Change

Agil ist (auch) der neue Hype. Das heißt, um genau zu sein: operative Agilität. Die Einführung von divers strukturierten, Verantwortung tragenden kleinen Teams, die direkt an der Kundenschnittstelle frei agieren könne. Das ist in, das ist trendy.

Das sich damit zugleich riesige Gräben zwischen diesen neu strukturierten und den „alten“ Einheiten auftun, wird dabei erstmal gerne übersehen. Zu spannend ist das „Experiment“, der Innovationsfaktor in der Veränderung, zu viel Spaß macht es und zuviel Profilierungschance steckt im Feiern der Anfangserfolge.

Doch das böse Erwachen, der Kater folgt, wie der „Genuss“ von 2 Flaschen Wein: auf dem Fuße und mit 100%iger Sicherheit.

Zu oft fehlt das Bewusstsein für die notwendige strategische, wie auch die organisationale Agilität. Oft wird weder konsequent neuen Geschäftsmodellen, noch in neuen, für agiles arbeiten geeigneten Gesamtstrukturen gedacht. Was so entsteht, ist ein Flickenteppich aus Feigenblättern mit dem Aufdruck „agil“. 

Alle Achtung

Wer leichtfertig versucht Agilität einzuführen, wer gar versucht von unten nach oben zu skalieren wird immer die schon genannten Kopfschmerzen erleben. Agilität ist kein leichtes Thema, es ist eines, dass erfordert den Blick zu heben und das Gesamtbild zu betrachten. Ein Thema, das das operative mit dem strategischen und dem organisationalen verbinden muss.

Wer „Agilität“ in seiner Organisation umsetzen und womöglich skalieren will, muss ein paar Themen und zugleich das „Big Picture“ des Unternehmens im Auge behalten:

Welches Potenzial hat Agilität? Welche Chancen und welche Risiken ergeben sich, wenn die Organisation befähigt wird, agiler zu agieren, schneller zu reagieren und selbstständiger zu entscheiden?

Welcher Nutzen und welcher Schaden ergibt sich, wenn vermehrt agile Ansätze implementiert werden? Was geschieht in der Organisation, wenn „agil“ als Thema präsenter wird? Wo unterstützt die damit verbundene Haltung und Kultur die Zusammenarbeit, wo schadet es dem Unternehmen? Ist das Unternehmen, die Branche bereit dafür, oder wäre es besser noch ein paar Jahre zu warten?

Wie verändert mehr oder weniger Agilität die Zukunft des Unternehmens und der Mitarbeiter? Wie verändern sich Aufgaben und Rollen in den nächsten Jahren – ganz unabhängig von Agilität? Wie kann agiles Verhalten die notwendigen Lern- und Lehraufgaben unterstützen? Wo erleichtern eine ein agiles mindset den Mitarbeiter mit den Veränderungen ihrer persönlichen Arbeitssituation umzugehen?

Wer braucht Agilität überhaupt? Wo und für wen im Unternehmen ist Agilität essenziell und existenziell? Welche Bereiche brauchen die Chance zur dynamischen Reaktion auf sich stetig verändernde Kundenanforderungen?

Wer braucht das nicht?! In welchen Bereichen ist er Umstieg zu agilerem Handeln (noch) nicht notwendig? Welche Bereiche sind „Prio 2“? Welche sollte sich des Themas enthalten?

Wie baut man die Schnittstellen? Wenn Agilität, sei es auf operativer oder organisationaler Ebene ein Thema für das Unternehmen ist, wie geht man dann den Schnittstellen zu den Bereichen um, die (noch) nicht agil arbeiten können / sollen /müssen? Wie reduziert man Spannungen und Missverständnisse?

Sind die Menschen bereit und offen für die persönliche Wirkung und Entwicklung? Agile Zusammenarbeit spiegelt sich in der Haltung und dem Verhalten der Teams und Menschen wider. Der Wandel wirkt sich ganz direkt auf die Menschen und ihre persönliche Entwicklung aus. Es geht eben nicht nur darum, eine neue Software zu erlernen, oder in einer neuen Struktur zu arbeiten. Agilität verändert das Bewusstsein für zielgerichtete Arbeit miteinander am gleichen Thema. Dies führt zu emotionalen Konflikten und Diskussionen, jenseits der einfachen Betrachtung von Fakten und Entwicklungen.

Und die Kernfrage:

Wie vermittelt man der ganzen Organisation dieses Amibvalenz ohne, dass sie zerreißt? Wer muss hier aktiv werden? Wer sollte sich raus halten? Wo kann man beginnen? Worauf kann man aufbauen?

All dies (und einiges mehr) sind die Fragen, denen sich diejenigen stellen sollten, die Agilität einführen wollen, sollen oder können. Es sind strategische Fragen, denen man auch schon in strategischen Mittel- und Langfristplanungen den ihnen gebührenden Raum geben sollte.

Mein Credo

Agilität, mit all seinen Chancen und Risiken, mit all seinen Möglichkeiten und Folgen muss strategisch und organisational im Management verstanden und angewendet werden. Die Spitze muss das Thema verinnerlichen und vorleben. Ein agilitätsagnostisches Management ist, aus meiner Sicht, ein Indikator für den Untergang des Unternehmens in den nächsten 5 – 10 Jahren. Agilität auf der Top-Ebene ist kein Luxus, keine neue Spinnerei, sondern überlebensnotwendig.

Nein, agil ist nicht der neue Change, es ist mehr, umfassender – zumindest, wenn man es bewusst und „richtig“ angeht. Es ist der Schlüssel zur Vorbereitung von Unternehmen auf die Zukunft – auf struktureller, organisatorischer und kultureller Ebene.

Die großen haben es erkannt – und scheitern zugleich oftmals an ihrer Größe, Struktur oder dem Versuch, erfolgreiche Modelle anderer zu adaptieren. Auch einige Beraterkollegen empfehlen lieber Kopien, als arbeitsintensivere organisationsindividuelle Ansätze. Besonders hier ist mehr gelebtes Bewusstsein auf der Top-Management Ebene gefragt.

Der Mittelstand ist entweder bereits auf dem Weg oder der Tradition verhaftet. (Auch) hier fußt die Entwicklung mehr auf der Meinung des Inhabers / Investors / Vorstands / Geschäftsführers als auf einem ergebnisoffenen Nachdenken über die Zukunft.

Und die kleinen, die eben ganz oft schon agil, ohne es zu realisieren. Ihnen fehlt oft nur ein Sparringspartner und die fokussierte Reflexion, um an den ungenutzten Potenzialen zu arbeiten.

Und ja, Agil ist der Anlass für Change, für einen (vorerst) letzten, ganz großen. Für einen Wandel von Mindset/Haltung/Verhalten, Verantwortungsallokation, Entscheidungsprozessen und Strukturen. Aber Agil ist kein Change, nichts dessen man sich durch „bend and wait“  entziehen kann. Es ist ein Wandel, den alle verstehen und akzeptieren, besser noch, unterstützen sollten, denn er bringt am Ende, richtig gemacht, allen mehr Zufriedenheit und Erfolg, er bringt gesunden Menschenverstand und gesundes Menschengefühl zusammen, er erlaubt die kognitiven und sozialen Kompetenzen (fast) aller zu nutzen. Fast Aller! Denn wie immer gibt es diejenigen, die sich hier verweigern, jene 10 – 15% die ohnehin gegen alles sind, auch gegen die Chance sich selbst in dazu Zukunft zu katapultieren. Es ist auch in Zukunft immer noch der beste Rat bewusst zu entscheiden, auf welche der 10 – 15% der Mitarbeiter in den „Randbereichen“ man setzen möchte. Auf die Wegbereiter der Entwicklung oder die Bewahrer des erprobten und bislang verlässlichen. Auf die, die Veränderung (und Agilität) mit ganzem Herzen wollen, oder die, die am guten des alten festhalten.

Am Ende kommt es aber auch hier, wie so oft, auf die organisationsindividuell richtige Balance an. Diese zu finden ist die Königsdisziplin, die Aufgabe, die wahres Ansehen und Anerkennung jenseits alter Macht verheißt. Sie zu finden ist die strategische Zielsetzung agiler Unternehmen.

„Ich sage was ich meine“ – ein guter Weg?

Ich gebe zu, ich mag Reviews, Retrospektiven und Reflexionen – alles, was hilft sich selbst klarer zu werden und besser zu verstehen. Wenn man zurückblickt tauchen aber manchmal spannende Parallelen und Kreuzungspunkte auf.

Vor gut 36 Jahren habe ich meinen ersten Führerschein gemacht, um ein Leichtkraftrad zu fahren. Die Fahrschule, die ich besuchte war nicht die einzige, aber wohl doch die beste im Ort, betrieben von der Schwester einer Frau, deren Lieder mich damals schon begleitet hatten. Ein Lied jedoch, dass erst in dieser Zeit entstand, hat es mir bis heute besonders angetan: „Ich sage was ich meine“, von Trude Herr.

Wer Trude Herr nicht kennt, sie war eine der Schauspielgrößen der 50 – und 60’er Jahre. Ein echt kölsches Mädche, dass zusammen mit ihrer Familie in der NS-Zeit viel aushalten musste, auch weil ihr Vater in der kommunistischen Partei war.

Aufrichtigkeit – (schwer) aus(zu)halten

Zu sagen, was man meint, auch wenn man daran „kapott joht“ (kaputtgeht), steckt irgendwie auch in mir und das Lied hat mich wie gesagt schon lange beeindruckt. Zu sagen was man meint, ist aber auch, wenn ich an meine heutigen Themen denke, einer der wichtigsten Faktoren, um Organisationen bereit zu machen, um die wachsende Dynamik und Komplexität auszuhalten. Kommunikation, offen, ehrlich, transparent, verständlich, einbindend statt ausgrenzend, einladend statt abweisend, und aufrichtig, statt im Vorfeld abwägend und filternd, ist wohl eine der schwierigsten Aufgaben, wenn es darum geht agile Managementstrukturen in Unternehmen zu verankern. Wir sind es, gerade in größeren Organisationen, zu wenig gewohnt, wirklich aufrichtig und ehrlich zu sein. Wir hören zwar, dass es um Authentizität geht, verwechseln diese aber manchmal mit der klaren Forderung, die eigene Meinung als die richtige zu akzeptieren. Wir sind es nicht mehr gewohnt andere Perspektiven, Ansichten oder gar Entscheidungen zu akzeptieren. Wir beschweren uns schon, wenn das Wasser im Hotelpool 2°C weniger hat, als wir es uns erhofft hatten, wir kritisieren, wenn jemand im Stau nicht sofort die Lücke schließt und wir rasten aus, wenn die Nachbarn nach 22:00 noch Musik hören.

Kritikfähigkeit, wo bist Du geblieben?

Zugleich duckmäusern und hintergehen wir einander bei unserer Arbeit. Wir akzeptieren, wenn der Chef eine total krude Version von Wahrheit kommuniziert, wir glauben Beratern, ohne zu reflektieren, welche Intention diese ggf. verfolgen, wir halten es kaum aus, wenn gemeinsam getroffene Entscheidungen nicht zu 100% auf unserer Linie sind. „Team together, Team apart“, ein Slogan, der ausdrücken soll, dass gemeinsam getroffenen Entscheidungen auch gemeinsam umgesetzt werden, hält manchmal nur so lange, bis sich die Tür den Besprechungsraum öffnet, in dem die Entscheidung getroffen wurde.

Zudem hat die digitale Kommunikation Tür und Tor geöffnet, das eigene Denken jederzeit, jedem (oft ungefragt) mitzuteilen und damit dieses Ungleichgewicht noch verstärkt. In der gefühlten Anonymität des Netzes trauen wir deutlich mehr, als im (so wichtigen) persönlichen Gespräch.

Doch jetzt zieht die digitale Kommunikation, durch Collaboration Tools, durch Enterprise Social Media, durch Clouds und intensive Interaktivität mitten in diese, so ganz anders geprägte Arbeitswelt ein. Jetzt beginnen die Welten aufeinanderzuprallen, ohne, dass wir Zeit hatten, uns dessen bewusst zu werden und vorzubereiten. Dabei ist Kritikfähigkeit, das Aushalten von Aufrichtigkeit, von ehrlicher Meinung das A und O um zukünftig Erfolg zu haben.

„Mittlerweile hat der arme Babelfisch dadurch, dass er alle Verständigungsbarrieren zwischen den verschiedenen Völkern und Kulturen niederriss, mehr und blutigere Kriege auf dem Gewissen, als sonst jemand in der gesamten Geschichte der Schöpfung.“ (aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams)


Eine der klassischen Forderungen neuer Arbeitswelten ist Transparenz. Doch auch Transparenz ist ein gefährliches Pflaster. Nach meiner Überzeugung schafft Transparenz Vertrauen und Vertrauen erleichtert Transparenz. Ich kenne aber auch Stimmen, die sagen, dass Transparenz Vertrauen entgegenwirkt, das sie in sich selbst Misstrauen ausdrückt.

Vertrauen wiederum ist eine wichtige Zutat, um gute Entscheidungen treffen zu können. Aber Transparenz braucht das individuell geeignete Maß! Zu viel Transparenz überfordert, genauso wie zu wenig misstrauisch macht. Transparenz der falschen Dinge verschwendet Zeit, Transparenz der „richtigen“ Dinge braucht die Anknüpfungsfähigkeit auf der Empfängerseite und eine Darstellung, mit der diese etwas anfangen kann. Das alles bedeutet eine Menge (zusätzlicher) Arbeit, insbesondere, wenn man in „Wissen ist Macht“ Strukturen denkt. Andererseits ist Transparenz die „condition sine qua non“, die Bedingung ohne die agile Teams keine Entscheidungen im Sinne des Unternehmens treffen können. Sie ist Grundvoraussetzung, um auf Basis des Status Quo des Unternehmens das „richtige“ zu tun.

Was ist „das Richtige“? 

In agilen Managementstrukturen ist „das Richtige“ ein unglaublich ungenauer Ausdruck, denn „das Richtige“ ist von zu vielen Faktoren abhängig, um im eigentlichen Sinne zu existieren. Was heute „ultimativ richtig“ ist, was sich richtig anfühlt, was richtig aussieht, kann morgen schon überholt der totale Mist sein. Dennoch strebt natürlich jeder danach, „richtig“ zu entscheiden.

Es kann also immer nur ein „jetzt richtig“ geben, immer nur ein auf Basis der vorliegenden Informationen bestgeeignete Lösungen und Entscheidungen. Eine Erkenntnis, die sich im Grunde nicht von denen früherer Zeiten unterscheidet, außer in der Tatsache, dass sich heute die Parameter schneller verändern und damit schneller erkennbar wird, wann Entscheidungen „geeignet“ warn und wann nicht. Das Plädoyer für enger getakteten Reviews, Retrospektiven, Reflexionen und in der Folge das „Zurückdrehen“ oder zumindest Anpassen von Entscheidungen spare ich mir jetzt.

Sagen was man meint   

Unabhängig vom Weg, wie Entscheidungen getroffen werden, ist es heute immer notwendigen auch unbequeme Meinungen (und deren Denker und Äußerer) in den Gesamtprozess mit einzubeziehen. Es ist immer wichtiger, den gesamten Kreis der relevanten Informationsträger an den Entscheidungen zu beteiligen und die Ideen, die Meinungen und das Bauchgefühl offenzulegen. Insbesondere und GERADE, wenn es dem eigenen und dem kulturell verankerten Meinungsbild nicht entspricht.

Doch dazu müssen wir lernen dies so zu kommunizieren, d.h. die Dinge auszusprechen UND zuzuhören, dass der jeweils andere sich nicht angegriffen, sondern respektiert fühlt.

Beide Facetten, Angriff und Respekt, können durch vielerlei ausgedrückt werden, durch den Tonfall, durch die Mimik und Gestik, aber auch durch die Kommunikationskultur, durch die Gewohnheiten des Aussprechen und Zuhörens. An diesen Themen zu arbeiten ist eine Aufgabe die Sisyfos wohl als schnell und leicht empfunden hätte. Es bedarf immer währender Selbstreflexion, hoher Frustrationstoleranz und guter Begleiter auf dem Weg.

Dazu kommen die gleichen „alten“ Fähigkeiten die in der modernen Führung ohnehin immer wieder verlangt werden: Dialoge und Diskussionen gilt es zu initiieren und zu moderieren, geeignete Fragen zu stellen. Es hilft dabei den inneren Abstand zu finden, zu halten und auszuhalten. Es braucht Achtsamkeit bei der Äußerung und Deklaration eigener Meinungen und Wahrnehmungen. Es braucht die Möglichkeit anderen Raum zu geben und sie dort frei agieren zu lassen. Es braucht innere Gelassenheit, um die Erwartungen anderer im Vorfeld EBEN NICHT zu adaptieren oder den Austausch subtil in die gewünschte Richtung zu entwickeln.

Es braucht den Mut die eigenen und fremden sozialen, kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten zuzulassen und zu nutzen. UND es braucht den gesunden Menschenverstand und das gesunde Menschengefühl um diejenigen, denen dies nicht gelingt oder gelingen will in ihre Schranken zu weiden. Denn – da sollte man sich nichts vormachen: die Manipulatoren sind mitten unter uns. Für agile Strukturen sind sie jedoch Gift.

Ich persönlich bin mit „Ich sage was ich meine“ wahrlich nicht immer gut gefahren. Mathematiker haben (zudem oft) den Hang die Dinge vollständig durchdenken zu wollen und den Ursachen auf den Grund zu gehen, bevor sie sich äußern. Das Ergebnis ist, das die Trefferquote unangenehm hoch ist, ja und manchmal musste auch ich daran arbeiten, wie ich die Dinge kommuniziert habe.. Manchmal führte es zur Karriereblockade, manchmal war die ehrliche, wenn auch subjektive aber dennoch zu gleich multiperspektivische Außensicht zwar nah an der Wahrheit aber eben nicht gewollt.

Zurückhalten kann ich mich dennoch selten – durch die wachsende Gelassenheit immerhin mit abnehmender Tendenz. Auf der anderen Seite versuche ich vermehrt die Dinge bewertungsfrei auf den Punkt zu bringen.

Meinen Führerschein bei so offenen Menschen zu machen, die ihr Her(r)z auf der Zunge getragen haben (da war die eine Herr-Schwester wie die anderer) war kein Problem, vielleicht auch weil ich die darin erkennbare Autori- und Authentizität gut und gerne wahr-genommen habe. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr freut es mich (ganz unbewusst) diese Gelegenheit gehabt zu haben. Manchmal hilft eben auch das Glück die „richtige“ Entscheidung zu treffen. 

Wer das Lied von Trude Herr nicht wie ich immer im Ohr hat, der kann hier reinhören oder reinlesen.