Verloren in der Vielfalt der Möglichkeiten

Die zu oft vergessene Herausforderung für das Top-Management

Denkanstoß

 
Früher, als auch ich noch tief in klassischen Arbeitsstrukturen unterwegs war, bin ich desöfteren an der wahrgenommenen Untätigkeit ganzer Ketten von Führungskräften verzweifelt. Ich konnte es kaum aushalten, das Dinge die mir absolut logisch und wichtig erschienen nicht entschieden, nicht getan, nicht vorangebracht wurden. Immer wurde noch die eine oder anderer Schleife ´gedreht, es wurden Rückversicherungen vorgenommen, Befindlichkeiten abgefragt. Kurz: Voran ging gefühlt nichts.
 
Natürlich weiß ich heute, dass ich damals (schon) zu ungestüm war. Natürlich habe ich gelernt auf vieles mehr zu achten und meine Wahrnehmungen, gerade auch für Widerstände, zu verfeinern.
 
Dennoch, gerade in einer Welt vollen Transformationsdringlichkeiten, voller wichtiger und zeitkritischer Themen, gepaart mit einer zunehmenden Vielfalt „richtiger“ Lösungen, ist was mich früher verzweifeln ließ tatsächlich immer mehr ein Grund zur Beunruhigung.
 
Die Zahl wichtiger und dringender Entscheidungen wächst – die Wissens-, Erfahrungs- Erkenntnisbasis, auf der diese getroffen werden können, schrumpft zugleich.

„Zufriedenheit – Zuversicht – Zukunft“

Ende letzter Woche habe ich dazu spontan eine Umfrage mit dem Titel „Zufriedenheit – Zuversicht – Zukunft“ gestartet. Mich hat interessiert, wie die Menschen in den Unternehmen mit ihrem Wunsch, ihrer Sehnsucht, ihrer Ablehnung umgehen, den Wandel anzugehen. Es mag an der Zusammensetzung meiner Filterblase liegen (diesen Satz verbinde ich mit der eindringlichen Bitte die 4 Minuten in die Umfrage selbst zu investieren und sie möglichst breit zu teilen) oder daran, dass zunehmend in Unternehmen viel passiert, aber wenig davon nach außen dringt. Jedenfalls war ich neugierig.
 
Ein erstes, nicht repräsentatives Zwischenergebnis war dann auch für mich etwas überraschend: 60% der Teilnehmer sagten aus, dass sie den Wandel „gemeinsam mit anderen aber auch die Führung“ angehen würden. Noch interessanter ist dabei, dass zu diesem Zeitpunkt ca. 60% der Antworten von „Sandwich“-Führungskräften kamen, die nicht selbst zur Top-/Geschäftsführung gehören. Fazit: es gibt da einige, die sich dafür engagieren ihr Unternehmen zukunftsfähig zu machen! DANKE dafür! (Und danke für die Erkenntnis!)

Hohe Erwartungen an „die Führung“

Der Wunsch, die Sehnsucht nach Wandel ist (zumindest bei den bislang Befragten) groß. Die Zeichen der Zeit sind erkannt. Einzig, was fehlt, ist (teils) die echte, aktive, vorausblickende Beteiligung der Top-Mann- und Frauschaft.
 
Andererseits: Ich glaube, hier ist es Zeit für einen Perspektivwechsel und Gelegenheit eine Lanze für diese Top-Entscheider zu brechen.
 
Bis heute ist die Erwartung an die Unternehmer, Geschäftsführer, Vorstände etc. groß. Sie sind diejenigen, von denen Viele in ihrem Umfeld Richtung, Zuversicht, Sicherheit und Stabilität erwarten. Auch wenn das Umfeld dazu immer weniger Raum lässt. Ebenso groß ist auf dieser Ebene der eigene Erwartungsdruck an die Wahrnehmung dieser Verantwortung. Beides zusammen erzeugt – bezogen auf eine Zeit zunehmender Komplexität und Dynamik – einen immer weiter steigenden und inzwischen deutlich zu hohen Druck.
 
Ein Beitrag von Antoinette Weibel auf Linkedin hat mir diese Problematik nochmal deutlich vor Augen geführt. Es geht darin zunächst „nur“ um die Beschreibung von VUCA und resultierende Reaktionsmöglichkeiten. Eine Empfehlung sind Experimente, um mit Mehrdeutigkeit (Ambiguitäten) umzugehen.
 
Auch ich bin ja ein großer Verfechter von Experimente auf der Managementebene, um echtes „learning by doing“ zu ermöglichen. Doch, um Menschen, die ihre Tätigkeit in ihren Entscheidungs-FREI-Räumen und ihrer verfügbaren Zeit extrem eingeschränkt sind, komplett freiwillig und sehenden Auges in Experimente zu schicken, ist es absolut notwendig, dass sich diese zunächst mit der Themenstellung auseinandersetzen können. Sie müssen erst selbst erkennen können, welche Wahlmöglichkeiten sie haben, um dann „das richtige“ bzw. das für sie geeignetste Experiment zu starten.

Im Führerstand 

Dazu fehlt ganz oft sowohl die Zeit, wie auch die Chance sich ausreichend und umfassend zu informieren. Wer kann sich schon die Vielzahl von Ansätzen, Konzepten, Chancen in Ruhe zu Gemüte führen, um dann aus der Vielzahl das geeignetste auszuwählen? Wer sich also nicht 100% von anderen, meist externen und damit per Definition unbeteiligten, Beratern abhängig machen will, wer sich den Überblick und die Chance auf Weit- und Einblicke erhalten will, der muss sich selbst mit den Dingen befassen. Aber wann und wie?
 
Egal wo man hinschaut: Alle, die richtungsweisend tätig sind, sind auch 100% Land-unter. Ob in KMU oder auf der HAL, BL oder Vorstandsebene in Konzernen. Der Alltag hat die Experimente abgehängt, bevor sie überhaupt aufgegleist werden konnten.
 
So mancher wird dabei von den Umständen getrieben, wie der Lokführer eines Zuges, der einen ihm unbekannten und extrem steilen Abhang hinabfährt. Die Wagons drücken, der Zug will immer schneller werden, aber ohne die Sicherheit die nächsten Kurven nehmen zu können, kann und darf der Lokführer die Geschwindigkeit nicht erhöhen. So sind die Reibungsverluste hoch, die Menschen in den Wagen spüren, dass es nicht richtig vorangeht und werden unzufrieden.
 
Die wenigsten Lokführer haben (sich) die Möglichkeit (eröffnet), mit einer Drohne die Strecke vorab in Augenschein zu nehmen, um sich vorzubereiten und so gezielt und abschnittsweise schneller voranzukommen. Die Übertragung des Bildes an die Passagiere im Zug hält diese zugleich auf dem Laufenden und schafft Raum, um ihre Energie sinnvoll einzusetzen, statt sie mit wenig gewinnbringender resignierender Aufregung zu vertun.
 
Noch als Science Fiction erscheint die Chance, das der Lokführer selbst im „Lufttaxi“ voraus fliegt, um aus neuen Perspektiven Weichen und neue Strecken zu finden, die für Teile des Zuges (oder den gesamten) geeignet sind. So ergibt sich irgendwann man die Chance den Zug aufzuteilen und so auf unterschiedlichen Wegen ans, ggf. auch veränderliche, Ziel zu kommen. Ein Vorgehen, welches es Netzwerkorganisationen wie etwa Haier heute schon zu gelingen scheint.
 
Vielleicht kommen wir in der Zukunft aber auch dahin, wie Doc Brown in „Zurück in die Zukunft III“ den gesamten Zug abheben zu lassen, und ihn – im ewigen Experiment – dahin zu lenken, wo es am meisten zu erleben und erledigen gibt.

Für lebenslanges Managementlernen fehlt der Rahmen

Doch etwas viel Realeres und Banaleres fehlt heute, wenn es darum geht den Zug zu führen: Eine geeignete Form der Wissensvermittlung, die die Ressourcenknappheit (vor allem Geld und Mut) der (Top-)Führungskräfte berücksichtigt. Wer auf Konferenzen oder Vorträge geht, kann sich zwar gut mit Gleichgesinnten vernetzen, die Inhalte, oft im 1:n (einer spricht vor vielen) Frontalformat präsentiert, sind aber naturgemäß themenspezifisch und damit selten konkret auf den eigenen „Case“ passend. Ähnliches gilt für Seminare oder Exec-MBA Programme, die immerhin erlauben die eigenen Fälle mit einzubringen. In Tiefe bearbeiten kann man sie dennoch (fast) nie.
 
Auch Unkonferenzen, wie Barcamps, und MOOCs bieten zwar Vernetzungsmöglichkeit und Themenvielfalt. Die Anwendbarkeit ist hier aber noch ungewisser, da die Themenauswahl zwar größer, die Möglichkeit zur Vertiefung aber meist noch weniger gegeben ist.
 
Es bleiben Newsletter, Podcasts, Bücher, Videos usw. die das Problem ebenso wenig lösen, da auch hier die Information nur selten punktgenau zur eigenen Herausforderung passt.
 
Was bleibt ist Beratung, Coaching oder Mentoring. Wobei – um auch kritisch mit dem eigenen Berufsstand umzugehen: Beratung nimmt das Wissen oft wieder mit und Coaching hilft auf der persönlichen Ebene, unterstützt aber nur selten beim Know-how-transfer von aktueller, fachlicher Management- und Führungskompetenz. So bleiben aus meiner Sicht Mentoren, fachlich kompetente und persönlich reflektierte Wegbegleiter, um mit den Führungskräften deren Themen an- und durchzugehen und zugleich ihr Wissen an die Mentees zu vermitteln. Nur in dieser Konstellation können Führungskräfte punktgenau und an den eigenen Themen das Fachwissen aufbauen, das sie benötigen, um anschließend mit (dann) kalkulierbarem Mut und Neugierde in ihre so wichtigen und zugleich teils riskanten Experimente zu starten.

Die Challenge

Eine Herausforderung bleibt: Den „richtigen“ Mentor zu finden, der sowohl persönlich passt, ausreichend Erfahrung mitbringt, fachlich aktuelles Wissen bereithält und dieses auch noch vermitteln kann. Mein Rat (und ich bin gespannt, wie ihr vorgeht, bzw. vorgehen würdet – bitte in die Kommentare schreiben): Geht auf die „Influencer“ und Multiplikatoren in euerem Netzwerk zu und fühlt ihnen auf den Zahn. Wenn ihr nicht wisst, wo ihr beginnen könnt: startet bei den Top Voices, de Spitzenwritern, auf den „Bestenlisten“ der Themen, die ihr in euch aufsaugen wollt. Durchleitet euer Netzwerk und findet diejenigen, die wirklich etwas zu sagen haben. (Und: „ja“, ich biete das auch an). Ob ihr dann zunächst hochspezialisiert oder (wie ich finde zunächst erfolgsversprechender) thematisch sehr breit, um die Vielzahl der Möglichkeiten kennen zu lernen – folgt eurem Instinkt.
 
Es wird immer wichtiger, das richtige Wissen, zur richtigen Zeit verinnerlicht zu haben – unabhängig vom Wissen der Vielen und der Interaktion in der Gruppe. Nur wenn wer sich mit seinem Wissen wohlfühlt, bringt sich auch wirkungsvoll ein.
 
Dennoch ist gerade in exponierten Führungsrollen die Sicherheit wichtig auch „richtig“ zu liegen und mit dem „richtigen“ Gefühl grundlegende Entscheidungen zu treffen. Die Zuversicht, die es dazu braucht, muss auf der Erfahrung zuvor von innen heraus wachsen können. Denn alles andere ist hoch(un)professionelles Stochern im Nebel.
 
Vielleicht denkt ihr einfach mal darüber nach.

Befreit Führung! – Wie(so) zeitgemäße Führung für jeden so wichtig ist!

Was euch hier erwartet?! Ein, ehrlich gesagt, (fast zu) langer Artikel, einer, der (eure) Zeit braucht. Ein tiefer Blick hinein in das, was zeitgemäße Führung bedeutet, wie und warum sie Teil einer Befreiung ist, und nicht zuletzt erste sehr konkrete Fragen und Aufgaben, damit ihr selbst, für euch und für andere, an der Gestaltung zeitgemäßer Führung arbeiten könnt.
Ein Artikel, der trotz seiner Länge ein Anfang sein kann, Führung von seiner angestauten Last zu befreien und erfolgversprechend neu zu gestalten.

 

Führung als Akt der Befreiung zu (er)leben bedeutet Arbeit am Selbst. 

 
Den meisten Unternehmen geht es gut – und damit könnte ich diesen Beitrag eigentlich schon beenden. 
Die Unternehmen, denen es gut geht, sind auf die Zukunft vorbereitet, sie haben Produkte, die die Möglichkeiten der Zeit nutzen und auch in den nächsten 5 Jahren noch Kunden finden, sie haben eine Organisationsstruktur und gemeinsame Regeln erarbeitet, die es erlauben mit den branchentypischen Herausforderungen der nächsten Jahre umzugehen, sie haben ein Management, das das Unternehmen vorausschauend und mit Blick auf das gemeinsame Wohlbefinden auf das, was kommen kann gut vorbereitet hat. Warum also auch nur ein weiteres Wort dazu schreiben?
 

Arbeitest du auch in solch einem Unternehmen?

In einigen, sicherlich wenigen, Unternehmen schlagen die Herausforderungen der Zeit massiv durch. Manche nennen es VUCA, andere Komplexität, manche Dynamik, Globalisierung, Demographie, Fachkräftemangel. Was nach Ursachen klingt, ist oft nur Symptom, genauso wie Kulturwandelprojekte, Restrukturierungen und Personalabbau nur Antworten auf Symptome sind und die Ursachen damit oft umgehen. Was als Ursache hinter vielem von dem steckt, was uns als besonderer Stressfaktor herausfordert, ist der Versuch die Vielfalt, die verwirrenden Zusammenhänge, die Mehrdimensionalität von Lösungen und Antworten in gewohntes, einfaches, lineares Denken zu fassen. Es ist der Versuch einfache Ansätze zu finden, wo genial einfache Lösungen gefragt sind. Übertragen auf die Physik wäre es der Versuch, quantenmechanische Effekte mit den Erkenntnissen eines Isaac Newton zu lösen, ein Versuch, der bis vor einigen Jahrzehnten auch so verfolgt wurde. Heute, u.a. seit Feynman und Hawking wissen wir, es war ein Versuch der zum Scheitern verurteilt war. In der Physik ist diese Erkenntnis bereits gewachsen.  
 

Unsere Welt erfordert nichtlineare, systemische und, daher um so mehr, organisationsindividuelle Lösungen. 

 

Ein großes Ziel – viele Wege

Die Physik versucht, die Welt in möglichst wenigen, (relativ) einfachen Formeln zu beschreiben. Gescheitert ist sie bis heute an einer universellen Formel, die sowohl im Mikrobereich der Atomkerne wie auch im Makrobereich der Galaxien funktioniert. Noch immer reicht unser Wissen nicht aus, um eine einheitliche Theorie zu formulieren, obwohl es sie geben muss, zumindest, wenn wir daran glauben, dass die Welt in der wir leben existiert.
 
In anderen Bereichen sind wir genauso auf der Suche nach dem Muster für den richtigen Weg, nach der Vorlage, die wir überall anwenden können, nach der Blaupause, die funktioniert, um Unternehmen auf die Zukunft vorzubereiten. Es ist die Frage, wie der Weg für die Unternehmen aussieht, die noch nicht wissen, wie ihre Produkte, ihre Regeln, ihre Rahmenbedingungen, ihre Mitarbeiterstruktur, kurz wie ihre Zusammenarbeit und deren Ergebnisse in optimaler Weise aussehen.  
 
Die Antwort – die heute noch richtige Antwort – ist, dass die Zukunft von uns abverlangt, zunächst noch ohne die ultimative, genial einfache Lösung klarzukommen. Zumindest, so scheint es, müssen wir noch ein paar Jahre ohne eine Unternehmensweltformel überstehen, noch müssen wir Unternehmen wettbewerbs- und zukunftsfähig machen, ohne die ultimative Lösung zu kennen. Wir müssen, wie ich es nenne, organisationsindividuell und damit vor allem auf mit vollem Fokus auf die Menschen, als dem kreativen, anpassungsfähigen, kraftvollen Energiezentrum vorgehen.
 
Zuvor gilt es aber wichtige Fragen beantworten, die immer mehr über den Zulauf und den Verbleib der Menschen entscheiden werden. Es sind die auf das Unternehmen bezogenen Fragen nach dem wozu! Was ist das Ziel? Was ist das Ziel des Unternehmens? Was ist das Ziel der einzelnen Gruppen, der Mitarbeiter, der Führungskräfte, des Managements? Was ist das GROßE Ziel?
 

Der Silberstreif der Freiheit

Wie würden Unternehmen aussehen, wenn sie, wenn das Management, als der zentrale Weichensteller und Rahmengeber, das Ziel hätten, sich selbst mit maximalen Freiheiten auszustatten? Die Frage erscheint, gerade mit Blick auf der Ebene der Top-Führungskräfte, und gerade nach den Managementauswüchsen in (tatsächlich, vergleichsweise) wenigen Unternehmen  paradox. Jedoch sind oder fühlen die wenigsten Unternehmensführer sich wirklich „frei“. Sie sind allzu oft gefangen und eingequetscht zwischen den Anforderungen ihres Umfelds, den Erwartungen von Investoren, von Kunden, dem Einfluss von Wettbewerbern und auch ihren persönlichen Zielsetzungen, ihres Engagements, das sie in diese Position gebracht hat.
Für sie bedeutet es eine neue, ungewohnte Freiheit, sich (endlich wieder) mit den Dingen beschäftigen zu können, die wirklich wichtig sind für das Unternehmen. Dinge, die Chancen eröffnen, die Probleme reduzieren und, die die Zukunft leichter und greifbarer machen. Dinge, die vorausschauendes Handeln erfordern und die konkrete Pläne ad absurdum führen.
 

Was hat das alles mit Führung zu tun?

Führungsentwicklung und ich schreibe hier ganz bewusst nicht Führungs-kräfte-entwicklung, ist ein Schlüssel auf diesen Wegen. Auf den Wegen zur Befreiung des Managements, des Unternehmens und der Gestaltung der Zukunft. Führungsentwicklung meint die Entwicklung von fachlicher und sozialer Kompetenz, die zu mehr Anerkennung und zu dem führt, was man heute gerne „Leadership“ nennt.
 
Wichtige Kernelemente habe ich im Manifest für zeitgemäße Führung beschrieben. Mehr Hintergründe finden sich in der Übersicht der Prinzipien. Beides findest Du auch auf humeaning.com .
 
Konkret anwendbar für dieses Manifest und die Prinzipien für Führungsentwicklung so nicht. Jedoch helfen sie zu verstehen, was Führung sein kann, welche Auswirkungen ein Umdenken auf dieser Ebene hat. Wie es im Detail gelingen kann die Schritte zu gehen, was man lernen, tun, trainieren kann, um tatsächlich so agieren zu können, erschließt sich daraus erst auf den zweiten und dritten Blick nicht.
 

Gefühle und Rahmenbedingungen

Viele Verhaltensmuster, Vorurteile und Menschenbilder haben sich so tief in unser Unterbewusstsein gegraben, dass Seminare und Workshops hier zwar einen ersten, wichtigen Anstoß geben können, um Linderung zu verschaffen. Tatsächlich etwas bewirken kann nur jeder für sich, was meist eine, teils langwierige, Auseinandersetzung mit sich selbst, seinen Wahrnehmungen und seinen Gefühlen, erfordert. Tatsächlich etwas bewirken kann nur, wer die eigenen Erwartungen und Emotionen von denen seines Umfelds zu unterscheiden lernt, um so von innen heraus mit Zuversicht und Zufriedenheit auf andere zugehen zu können. 
 
Ein Anfang kann gemacht werden, indem das Gefühl dafür, „neu“, zeitgemäß zu führen, durch neue (Vor)Bilder, durch Beispiele geschaffen und über einen langen Zeitraum verinnerlicht, erfahren, erlernt und umgesetzt wird. Tägliche oder wöchentliche gemeinsam (oder manchmal auch alleine) durchgeführte Reflexionen, Routinen, Reviews, Retrospektiven, Retreats und Rituale sind ein probates Mittel, um alte Muster nachhaltig aufzubrechen. Wie wir im Kontext Agilität gelernt haben, sind dies Transportmittel, die geeignet erscheinen, tatsächlich etwas zu bewegen.
 
Doch eine neue, eine andere innere Einstellung allein der Führenden reicht nicht. Wie frei Führung im Alltag agieren kann, hängt eben auch davon ab, welche Rahmenbedingungen (vor)gegeben sind. Es kommt darauf an, wie mit diesen Rahmenbedingungen umgegangen wird, wer sie in welchem Sinne definiert, welche Regeln, welche Symbole und Symbolik damit einhergehen. Klar ist, jenseits aller Kulturwandelprojekte, jenseits der Arbeit mit den Mitarbeitern, jenseits aller Leitwerte sind Management und Führung system- und kulturgestaltend.
 

Die Wirkungen von Management und Führung sind system- und kulturgestaltend. 

 

Zahlen und/oder Kultur

Wie, was und warum das Management eines Unternehmens den Rahmen definiert, wie die Führungskräfte den Rahmen ausgestalten, wie sie den Mitarbeitern die Freiheiten geben, die sie brauchen, um optimal Wirkung für das Unternehmen zu erzeugen, das alles gestaltet die Grundprämissen, die die Mitarbeiter anwenden können, um die Probleme zu überwinden, denen sich in ihrem Arbeitsalltag stellen. Sie nehmen damit wesentlichen Einfluss darauf, wie gedacht, gehandelt, wie gefühlt wird, was „richtig“ und gut im Sinne des Unternehmens ist. Das alles gestaltet, was wir Unternehmenskultur nennen.
 
Heute leben und arbeiten viele, auch Führende, stetig mit vollem Druck auf dem Kessel, egal auf welcher Ebene sie ihre berufliche Heimat haben. Termine sind knapp kalkuliert, Ziele extrem herausfordernd, das Umfeld immer schwieriger. Zu oft schränken auf „altem Denken“ basierende Strukturen und Prozesse zusätzlich (und oft unnötig!!) ein.
 
Jedoch das – aus meiner Sicht – Schlimmste ist, dass wir in unseren erlernten Verhaltensweisen gefangen sind. Zu tief sitzen Sozialisierung und Ausbildung. Tief verankerte Grundannahmen, die Zahlen mehr Wert einräumt, als den sozialen und kognitiven Potenzialen. So hilfreich und wichtig es ist die „richtigen“ KPI zu betrachten, so schädlich ist es, unreflektiert alles in Zahlen zu fassen. Vor allem dann, wenn diese Zahlen die eigenen (unbewussten) Vorurteile immer wieder bestätigen.
 

Mit VUCA auf VUCA reagieren: mit Vernetzung, Umdenken, Chancen, Agilität

 

Was du selbst tun kannst / sollst / darfst

Doch worauf sollte man den Fokus richten? Was sollte man betrachten, um zu verstehen, was man bewirkt? 
 
Im Kontext zeitgemäßer Führung sehe ich 10 Dimensionen und ca. 30 Parameter, die besondere Relevanz besitzen. Die ersten beiden der zehn übergeordneten Dimensionen befassen sich mit der Frage, welchen Fokus und „Modus der Zusammenarbeit“ das Unternehmen benötigt. Geht es um Effizienz oder Effektivität bzw., in welchem Mix sind die beiden Ausprägungen von Wirksamkeit für das Unternehmen bedeutsam.
 
Das Zweite ist ein Set von drei Dimensionen, die alle die Zukunftsfähigkeit betrachten, die eigene, die der Mitarbeiter und Kollegen, sowie die des Unternehmens. Wie sehr fließt die Ausrichtung auf die nächsten Jahre z.B. in das gemeinsame Lernen, die Nutzung von Talenten und die Selbstwirksamkeit ein?
 
Die letzten fünf Dimensionen zeitgemäßer Führung betrachten, wie sehr sich Führung als (Be)hüter von Werten und Kultur versteht, wie Zusammenarbeit aktiv ausgestaltet wird, wie Mitarbeiter in ihrer Entwicklung gefördert werden, wie Vernetzung und Kommunikation unterstützt wird und wie sehr der Blick auf einen von Menschlichkeit geprägten Umgang gerichtet ist.
 
Ganz konkret wird es, wenn man auf die Ebene der Parameter blickt, die ich mit zeitgemäßer Führung verbinde. Hier lohnt es (sich) ein paar Fragen zu stellen und (sich) Reflexions-Aufgaben zu geben. Diese können so aussehen, wie ich es hier in ein paar Beispielen zeige.
 
Im Bezug auf die Nutzung von ggf. Verborgenen, zumindest aber im Unternehmen unbekannten Talenten lohnt es sich (aus meiner Sicht), sich regelmäßig zu fragen: 

  • Welche meiner Talente und besonderen Fähigkeiten, auch außerhalb meines eigentlichen Arbeitsbereiches, konnte ich in den letzten 2 Wochen bei der Arbeit einbringen und nutzen? 
  • Wo haben diese Talente für die Menschen in meinem Umfeld oder für das Unternehmen insgesamt die Zusammenarbeit verbessert? 
  • Wer außer mir hat davon profitiert?

 
Zur Entwicklung können persönliche Aufgabenstellungen dienen, wie etwa: 
Nimm dir 15 Minuten Zeit und schreibe auf, welche deiner Talente die meisten Menschen in deinem Arbeitsumfeld von dir noch nicht kennen. Überlege, wo du diese einbringen kannst und finde die Menschen, die dich dabei unterstützen, diese einzubringen oder zu zeigen. Sprich sie an und finde einen Weg deine Talente zu nutzen.
 
Wenn ihr als Team an der Identifikation von Talenten arbeiten wollt, dann:
Nehmt euch 20 Minuten Zeit und tauscht euch über die Talente aus, die ich im Arbeitsalltag nicht zeigen könnt. Findet heraus, wer ähnliche Talente hat und wo solche im Unternehmen eingesetzt werden (könnten). Vereinbart einen Termin für eine „Talentprobe“ in den nächsten zwei Wochen, bei der ihr euch gegenseitig zeigt, wozu euch dieses Talent befähigt oder wo und wie ihr es einsetzt. Macht es sicht-, hör- und fühlbar. Ladet andere ein, bei der Talentprobe dabei zu sein. 
 
Schließlich lässt sich die persönliche Weiterentwicklung in der Reflexion durch folgende Fragestellungen unterstützen: 

  • Welche Talente an mir würdest ich gerne ausbauen? 
  • Bei welchen Tätigkeiten fühle ich mich am wohlsten? 
  • Was kann aus dieser Fähigkeit werden, wie kannst ich sie weiterentwickeln?“

 
Als zweites Beispiel ein paar Ansätze zum Parameter „Beziehungen“:
Versuch dich doch einmal an folgenden Fragen:

  • Wie gut sind meine sozialen Beziehungen zu den Menschen in meinem Umfeld? 
  • Gibt es größere Differenzen und ständige Aufreger? 
  • Pflegen wir einen wirklich ausgeglichen, harmonischen Umgang miteinander? 
  • Sind wir ausgesprochen nett und höflich, vielleicht auch zu höflich, zueinander, sodass die Ehrlichkeit leidet? 

 
Wenn du deine Beziehungen zu Kollegen und Geschäftspartnern verbessern möchtest, dann probiere folgendes:
Nimm dir in den nächsten drei Tagen 30 Minuten Zeit, um allein und ohne Störung über die Beziehungen in deinem Umfeld nachzudenken. Frage fünf andere, welche drei Dinge sie an dir positiv wahrnehmen und welche eine Sache du aus ihrer Wahrnehmung heraus anders / besser machen solltest. Wie offen und ehrlich könnt ihr miteinander umgehen?
 
Eine Aufgabenstellung für dein Team könnte sein:
Nehmt euch eine Stunde Zeit und bildet Zweiergruppen, die jeweils für 10 Minuten miteinander sprechen (z.B. auch bei einem kleinen Spaziergang). In den ersten 5 Minuten spricht der eine wohlwollend über die Dinge, die ihm beim anderen positiv aufgefallen sind und die eine Sache, die derjenige verbessern kann. Dann tauscht ihr die Rollen. Startet keine Diskussion, sondern sprecht wohlwollend, bzw. hört einfach nur zu.
 
Und, wenn du weiter in die Reflexion gehen willst, dann beantworte dir folgende Fragen:

  • Welche Beziehungen schätze ich besonders und auf welche würde ich verzichten, wenn ich die Freiheit dazu hätte?
  • Was stört mich an diesen Beziehungen so sehr, welche Eigenschaft des anderen, und welche meiner Reaktionen darauf?
  • Welche Gefühle steigen in mir auf, wenn ich an die positiven und negativen Beziehungen denke? Welche bei mir liegenden Ursachen haben diese Gefühle? Auf Basis welchen Glaubenssätze und Erfahrungen entwickeln sich diese Gefühle ich mir?

 
Als drittes und letztes Beispiel das Thema „Lernen“
Fragen:

  • Wenn ich an die vergangenen zwei Wochen denke, was habe ich Neues gelernt? 
  • Was war mir vollkommen unbekannt, wo habe ich dazugelernt? 
  • Konnte ich dieses neue Wissen bereits anwenden? 
  • Welche Erfahrungen habe ich dabei gemacht?“

Eine Aufgabenstellung für dich
Suche dir in den nächsten zwei Wochen drei verschiedene Lernpartner, die Wissen besitzen, an dem du gerne teilhaben würdest. Triff dich mit ihnen und geh in den Dialog. Bereite dich auf die Treffen vor, indem du fünf Fragen formulierst. Stell ihnen deine Fragen und bring die Antworten, gemeinsam mit ihnen in deinen Arbeitskontext, d.h versucht gemeinsam zu identifizieren, wo du dieses neue Wissen direkt anwenden kannst. 
 
Eine Aufgabenstellung für dein Team
Nehmt euch 30 Minuten Zeit und überlegt in den ersten 15 Minuten gemeinsam, welches Wissen über das Unternehmen oder eure Fachthemen euch im Team fehlt, oder welches ihr vertiefen wollt. Sprecht in den nächsten 15 Minuten darüber, auf welchem Weg ihr dieses Wissen ins Team holen wollt. Sprecht in den nächsten 5 Tagen Menschen an, von denen ihr vermutet, dass sie dieses Wissen haben und ladet sie zu eurem nächsten Treffen ein. Geht in diesem Treffen in den Dialog zu den Themen und findet Möglichkeiten, das so gewonnenen Wissen möglichst unmittelbar anzuwenden.  
 
Und, wenn du wieder in die Reflexion gehen willst, dann beantworte dir folgende Fragen: 

  • Wie fühle ich mich, wenn ich etwas Neues lernen will oder soll? 
  • Bei welchen Themen fällt mir das lernen leicht, bei welchen schwer? Woher kommt der Unterschied? 
  • Was würde passieren, wenn mir das Lernen bei allen Themen leicht fallen würde? Was würde ich dann lernen wollen?

 
(Diese Fragen und Anregungen stammen aus dem Entwurf für ein Kartenset, an dem ich derzeit arbeite. Wenn ihr Interesse daran habt zu erfahren, wie es damit weitergeht, dann tragt euch in meinen Newsletter ein oder schickt mir eine e-mail. Ich halte euch dann gerne auf dem Laufenden.
 
Zudem arbeite ich an einem Analysewerkzeug, dass anhand einiger Fragen zu den Parametern eine strukturierte Übersicht zu eurem Status Quo erstellt. Auch hier gilt, wenn ihr mehr erfahren möchtet, dann meldet euch (s.o.).
 
Das Thema zeitgemäße Führung werde ich auch in einer Reihe offener Workshop thematisieren, die ich gemeinsam mit Henrik Zaborowski, dem Luther des Recruiting, durchführe. Dazu könnt ihr hier mehr erfahren. 
Aber das alles nur nebenbei.)
 

Befreiung und Raum für gemeinsamen Erfolg  

Zeitgemäße Führung, Führung, die wieder mehr darauf abzielt den Mensch in den Fokus zu rücken und diese stärkste aller Erfolgsquellen im Arbeitsalltag wirklich wieder zurückzugewinnen (und nicht nur einen Bruchteil des Potenzials zu nutzen), ist mir ein zentrales Anliegen. Doch es hilft wenig, diese Thema singulär anzugehen. Das Zusammenspiel der Rahmenbedingungen mit der Nutzung dieses Rahmens, die Gestaltung von Zusammenarbeit auf der Ebene des Gesamtsystems ist, was zukünftig immer mehr über Erfolg entscheiden wird. Es geht um nichts weniger, als die Befreiung der Unternehmen vom Ballast und den Hemmnissen, die wir in den letzten 50 bis 100 Jahren für und in uns aufgebaut haben. Sie sind, und das fliegt so manchen Unternehmen gerade ganz massiv um die Ohren, was von uns ein neues Denken, jenseits eines linearen „Aus A folgt B und dann erreichen wie C“ erfordert.
 
Es geht um die Befreiung der Menschen und ihrer Fähig- und Fertigkeiten. Es geht um die Rahmenbedingungen und Ausgestaltung optimaler Zusammenarbeit. Es geht um die Freiheit und den Freiraum weniger unter der Arbeit zu leiden und dafür mehr zu bewirken. Und es geht damit in der Folge, quasi als Symptom nach der Neugestaltung der Ursachen, um nachhaltigen Erfolg, auch in der Zukunft. 
 
Stay tuned!

Ihr wollt mehr Innovation? Ihr braucht (mehr) gute Führung!

Vor ein paar Wochen hatte ich gefragt, welche Wunschthemen ich in den letzten Blogposts des Jahres noch aufgreifen sollte. Eine der Fragestellungen kam von Daniel Gburek: „Wie kann man in seinem Unternehmen innovative Themen und das operative Tagesgeschäft vereinigen? Was kann man dem Spruch “keine Zeit für Innovation” entgegensetzen? Funktioniert Innovation im laufenden Betrieb?“
 
Warum nur, kommt mir diese Fragestellung bekannt vor 😉

Ambidextrie

Innovation ist Fluch und Segen. Die klassische Antwort, und die, die förmlich nach Seminaren und Workshops zum Thema schreit ist: Ambidextrie = Beidhändigkeit. Der Versuch gleichzeitig „Exploration” und „Exploitation“, also die Weiterentwicklung und der Ausbau des bestehenden Geschäfts, der Bestandsprodukte und Serviceangebotes (Exploration) und den Aufbau von „echt Neuem“, das Kerngeschäfts erweiterndem, neue Kundengruppen anziehendem (Exploitation) zu betreiben.
 
Beides zugleich umzusetzen ist für manche wie Jonglieren, man kann es mit etwas Übung lernen, für andere ein Spagat, man muss sich gut vorbereiten und lange üben, und für wieder andere ist es der Overkill, weil zu viel Unterschiedliches in zu kurzer Zeit den persönlichen und gemeinsamen Ressourcenrahmen einfach nur sprengt.

Wie mit dem notwendigen und unmöglichen umgehen?

Das Innovation unumgänglich ist, um im Markt zu bleiben hat z.B. Jean-Philippe Hagmann in „Hört auf Innovationstheater zu spielen“ sehr schön beschrieben. Wer „nur“ mit Exploration weitermacht, wird im Markt, in einer Zeit der sich ständig übertrumpfenden Innovationen, immer weniger positiv wahrgenommen. Dabei muss es nicht zwangsläufig um Technologie gehen. Die heute markantesten Innovationen sind die im Bereich „user-experience“, im Umgang mit Kunden und in der Form, wie ein Produkt genutzt werden kann. Einfach „einfach“ ist das Thema – und manchmal ein unglaublich schwer zu lösendes. Gelänge es mir, wären meine Texte kürzer 😉
 
Das Problem von jedem, der sich um die Zukunft des Unternehmens sorgt, in dem er/sie tätig ist: können wir das Risiko eingehen auf das falsche Pferd zu setzen? Können wir die kostbare Ressource Zeit, können wir Geld investieren und wenn ja wie viel? Was passiert, wenn es schiefgeht?
 
Die kurze Antwort: Ja klar kann, soll und muss das sein? Wenn’s schiefgeht, wenn in der Aktion ein Irrtum steckte, dann schnell darauf lernen, alles mitnehmen, das neuen Wissen allen Interessierten geben und vor allem: WEITERMACHEN!
 
Innovation ist schließlich immer das Spiel mit dem Feuer, aber ohne Feuer hätte unsere Spezies seine Nahrung nie erhitzen und die Ernährung verbessern können. Unsere Gehirne wären nicht in der Ausmaß und in der Geschwindigkeit gewachsen und wir hätten nie die kognitive Entwicklung gemacht, die uns jetzt ermöglicht unseren Planeten zu ruinieren und unser Überleben auf’s Spiel zu setzen. Aber vielleicht kriegen wir ja noch die Kurve.

Zurück zur Innovation….

Thema Risiko: Ein Kernproblem von Innovation ist Risikoaversion. Im heutigen Marktumfeld ist Risikoaversion aber selbst das größte Risiko, zumindest für Unternehmen, die noch lange „überleben“ wollen. Sinnvoller ist ein bewusster Umgang mit Risiken und hier ganz am Anfang eine Reflexion, welche Ängste damit auf persönlichen und gemeinsamer Ebene verbunden sind und wie real die Ursachen und Hintergründe für diese Ängste sind.
 
Ebenfalls betrachtenswert ist, ob Innovation nicht schon“unter der Hand“ stattfindet. Wie sich in eng geführten Organisationen leicht „Schattenorganisationen“ bilden, um die durch die Führung verursachten Probleme zu umgehen und Zusammen-Arbeit zu erleichtern, so gibt es Unternehmen, in denen sich Mitarbeiter selbst den Raum nehmen, um, oft im Kleinen, Dinge auszuprobieren und damit manchmal innovative Ideen umzusetzen. Dieser informellen Innovation lohnt es nachzugehen, weil sie Hinweise darauf gibt, welche Freiräume nötig sind bzw. welche Räume genutzt werden. Hier kann und sollte „gute Führung“ unterstützen, um die zarten Pflänzchen zu stärken, statt sie umzuhauen.
 
Formale Innovation wird dagegen meist in Abteilungen wie R&D/F&E gepackt, damit die Menschen darin – und manchmal nur die – Neues ausprobieren. Dies widerspricht massiv der Wahrnehmung, dass alle, die Wissen, Kompetenz und Erfahrungen in Ihrem Fachgebiet besitzen, Innovationserzeuger sein können. Mit etwas Unterstützung können viele so unglaublich viel mehr, als sie im normalen Betrieb zeigen (können).

Wo kommt Innovation her?

Doch Innovation ist auch Investition. Diese wird dann für viele klassische, budgetverhaftete Unternehmen schwierig, wenn diese nicht offiziell angefragt und geplant ist. Gerade für informelle Innovation ist da kein Platz. Zeit und Geld können nicht einfach so verfügbar gemacht werden, schon gar nicht ohne gute Begründung und einen absehbaren „Return on Invest“. Zuviel Risiko, aber das hatten wir ja schon.
 
Aber wie kommt man nun dahin „to unleash the genius in your organization, the talents and the passion“, wie es, wenn ich mich recht erinnere, Linda Hill es auf dem diesjährigen Drucker Forum in Wien sagte. Die Antwort ist so banal, wie sie schwierig in der Umsetzung ist: es geht darum Raum zu geben, loszulassen, den Kontrollverlust auszuhalten und die damit verbundene Angst zu kontrollieren und auszuhalten. Am Ende ist es der Weg von der Angst vor Kontrolle bei den Mitarbeitern zur Kontrolle der Angst bei den Führungskräften.
 
Denn: Was nicht ausprobiert werden kann, kann sich auch niemals zur Innovation reifen.
Und: Jede Innovation geht (noch immer) vom Menschen aus.
 
Tim Brown, CEO von IDEO, hat, ebenfalls beim Drucker Forum und sogar in der gleichen Session wie Linda Hill (hier der Link zum Video), ein paar kritische Erfolgsfaktoren für das Gelingen von Innovation in Unternehmen genannt (die ich hier ein wenig zusammengefasst und zugleich ergänzt habe):

  1. Viele Ansätze zur Lösung einer Aufgabenstellung (eines „Jobs to be done“, wie es Clayton Christensen nennen würde) zugleich ausprobieren. Dies führt bei dem an der Lösung oder den Lösungen arbeitenden Team dazu, mehr Kombinationsmöglichkeiten zu haben und nutzen zu können.
  2. Zusammenarbeit fordern. Wieder mal geht es im Wesentlichen um Raum und Zeit, aber auch um Kultur, d.h. soziales Miteinander, um mentale Modelle und, wie ich sie nenne, um „crosse“ Teams, d.h. cross-funktional, cross-age, cross-gender etc. Das Team sollte so frei es geht miteinander arbeiten können, dabei so vielfältig wie nötig sein und so klein wie möglich.
  3. Bewusste Entscheidungsfindung. Das Wissen aus alten Projekten, mit ggf. gleicher oder ähnlicher Zielsetzung muss möglichst vollständig weitergetragen werden, jedoch nicht um Ideen frühzeitig auszubremsen, sondern um ein vollständiges Bild der Hintergründe für das damalige Scheitern zu haben und schnell zu erkennen, wo es sich ggf. lohnt doch noch einmal tiefer hineinzublicken. Denn oft gibt es neue Daten, neue Trends, neue Möglichkeiten die es beim neuen Versuch mit einzubeziehen gilt. Zu einer bewussten Entscheidungsfindung gehört auch, statt ja/nein Entscheidungen auch „sowohl, als auch“ zuzulassen und, unabhängig davon, alle zu Wort kommen zu lassen, die etwas dazu beitragen wollen (oder sollen). Wie schon gesagt, heute weiß niemand, wo das entscheidende Element an Wissen sich ggf. verbirgt.
  4. Klare gemeinsame Zielsetzung. Auch schon ein Klassiker „neuen Denkens und Managens“. Nur wenn das Ziel und Leitbild allen klar und vor allem allen gemeinsam klar ist, kann man Entwicklungen und Entscheidung für sich einordnen. Es ist der Kleber, der Teams, auch in Konfliktsituationen zusammenhalten kann. Diese Zielsetzung, die Vision, der Purpose muss entsprechend stark und verbindend sein, idealerweise mit einer wichtigen und auch gesellschaftlichen Wirkung. Es kann sein, dass es darum geht den Müll zu sammeln und so die Umwelt zu schonen und das Zusammenleben leichter zu machen oder darum, die Revolution in Unternehmen und der Gesellschaft abzuwenden oder zu mildern, indem doch noch rechtzeitig einer neuen Managementphilosophie Raum gegeben wird.

 
Das alles zeigt: Innovation ist, mehr denn je, Führungsaufgabe. Das heißt, nicht die Innovation selbst ist Aufgabe der Führungskräfte, nicht sie müssen die Idee haben und die Umsetzung gestalten, aber sie müssen den Raum zu schaffen und für die Gestaltung der Rahmenbedingungen sorgen, s.d. anschließend alle, die das Wissen, den Mut und die Lust haben sich in den Prozess einzubringen, dies auch tun können. Es ist damit eine (neue) Herausforderung für das Management und Teil des Weges hin zu einer besseren Zusammenarbeit.

Wie passt das alles in den laufenden Betrieb?

Mut-Raum geben, mentale Modelle bewusst machen und ggf. anpassen und damit die Rahmenbedingungen zu schaffen, ist ein gleichzeitiger ein Eingriff in die Führungskultur, das Managementmodell und die Organisationsstruktur. Ohne das geht es tatsächlich (nach meiner Erfahrung) nicht.
 
Es bedeutet Teams (wie oben beschrieben) zusammenzubringen, Plattformen zu schaffen, über die sie sich untereinander und mit der Restorganisation austauschen können, es bedeutet eine Lernkultur zu etablieren, zur (Selbst)Reflexion anzuregen und es bedeutet, als Führungskraft neue Aufgaben zu übernehmen. Dialoge, Debatten Konflikte wollen/sollen/müssen geführt, ausgehalten und moderiert werden, jeder braucht Raum, um sich entsprechend seinen Möglichkeiten (inkl des Persönlichkeitsbildes) einzubringen. Introvertierte brauchen einen anderen Entfaltungsraum als Extrovertierte etc.. Die Zukunft kann heute nur schaffen wer sie gemeinsam erschafft. Co-Creation ist das Code-/Buzzword im Kontext Innovation.

Die Eckpfeiler

Die Grundlage hierfür kann man schaffen, indem man ein paar Eckpfeiler setzt. Die zwei wichtigsten sind aus meiner Sicht:

  • „Ein- und Ausblicke geben“ Wie sieht das Gesamtbild der Organisation heute aus, wie soll es und wie kann es sich entwickeln, wie soll das Unternehmen in der Zukunft aussehen? Wie verändern sich Wertschöpfung, welche Trends sind absehbar, was macht der Wettbewerb, woher kommt neuer Wettbewerb, welche Nischen tun sich auf, wofür interessieren sich Start-ups? Diese Wissen ist nicht nur für die dezidierten Innovation-Teams (die es ja nicht geben kann, s.o.) notwendig, sondern es ist Wissen für alle Interessierten. Wissen durch das neue Inspiration entstehen kann.
  • „Warum können wir was wir tun?“ Welche Kompetenzen besitzt das Unternehmen, welche nicht? Welche braucht es in der Zukunft, welche nicht (mehr)? Es gilt das Selbstverstehen und das Selbstverständnis zu stärken und Vertrauen, Verbundenheit und (dazu) eine umfassende, alle inkludierende Kommunikation aufzubauen, trotz und gerade wegen der immer auch vorhandenen Vielfalt an Ideen und Impulsen.

 
Sind diese Punkte klar, ist das Wissen geschaffen, verbreitet und vorhanden, so stärkt dies den Auf- und Ausbau der Gemeinschaft im Unternehmen. Mit einer „Community Culture“ (ja, Kultur ist per se auch immer in und aus der Community geboren, aber es hilft es klar zu machen), in der der Rahmen für gute Zusammenarbeit gelegt ist, in der die Bereitschaft herrscht, ambitioniert vertrauensvoll, vertrauenswürdig und verantwortlich zu handeln, entsteht die Basis für die so wichtige kontinuierliche Innovation. Eine Basis, die auf Ehrlichkeit, Vertrauen, Respekt, dem Blick auf’s Gesamtbild, auf Neugierde, Mut und der Erkenntnis aufbaut, dass es lohnt, zusammen neues zu gestalten, selbst wenn es nur dazu dient das nächste Gehalt zu sichern.
 
Innovation ist ein wichtiges und vom Management und den Führungskräften zu gestaltendes Thema!
 
In diesem Sinne sollte man jeden Fragen, der keine Zeit für Innovation hat oder geben will, wie er/sie sein/ihr Gehalt in 3 oder 5 Jahren finanzieren will. Denn Innovation kann jeder und damit wird jedes Unternehmen – wohl oder übel – leiden, das Innovation verzögert oder ganz verschläft. Mehr denn je, ist es wichtig, sich die Zeit zu nehmen, um vom Tagesgeschäft aufzublicken und aus Retrospektiven, Reviews und Trendvorhersagen abzuleiten, an welchen Stellen Wachsamkeit lohnt und wo sie unverzichtbar ist.
 
Daniel Gburek, ich hoffe die lange Antwort, mit ihren vielen Facetten passt dennoch zur Frage. Die ganz konkrete Antwort lässt sich nur finden, wenn man am und im Unternehmen schaut, wenn man den Status Quo, die Menschen und ihre Ziele kennt, wenn man weiß, welche Potenziale bestehen und welche geschaffen werden wollen und können.
In diesem Sinne: Viel Erfolg – ich unterstütze gerne! 😉

"Change or die!"​ | "Und das Management bewegt sich doch!"​

Es war (gerüchteweise) Galileo Galilei, der bezogen auf die Frage, ob sich die Erde um die Sonne drehe gesagt haben soll: “Und sie bewegt sich doch”.
 
Abe, wer ist es jetzt, der sich bewegt, von dem nicht klar war, ob er sich bewegen kann, oder doch lieber stirbt?
 
Das Management (scheint) sich zu bewegen! Es scheint, als ob der Glaube, dass Unternehmen sich um Zahlen drehen sollten, statt um Menschen, ins Wanken gerät. Es scheint, als müssten Managementlehren neu geschrieben werden.
 
Der Wandel von Management, der Art (in der englischen und deutschen Bedeutung) wie Unternehmen geführt werden, wird nicht nur weiter von Mystikern, Quer- und Mitdenkern beschworen – nein, die Entwicklung wird immer sichtbarer!
In der letzten Woche trafen sich in Wien, zum “Global Peter Drucker Forum“ Denker und Umsetzer, um sich auszutauschen, um Wege aufzuzeigen, um sich zu vernetzen und gemeinsam immer mehr Wirkung zu zeigen. Auch wenn ich nur einem Teil der Vorträge per Livestream folgen konnte, war es spürbar: Das Eis bricht!
Steve Denning, Senior Contributor bei Forbes, hat hier beschrieben, was er, als langjähriger Beobachter und Teilnehmer, diesmal anders wahrgenommen hat. Ein Teil davon: “Change or die!”
Hier meine Zusammenfassung (ergänzt um einige Gedanken und Interpretationen) seiner Erlebnisse:
 
Unternehmen, die überleben wollen, gehen jetzt die Veränderung an – nicht im kleinen, nicht mir Digitalisierung, Kulturwandel oder offenen Bürowelten. Sie verändern im Kern wie Zusammenarbeit gestaltet ist:

  • Sie haben und erzählen eine Geschichte, sie folgen einer Ideen, sie haben eine starke, überzeugende Vision, eine, die Menschen als für sie ganz persönlich wichtig ansehen.
  • Sie leben ihre Einzigartigkeit. Sie versuchen nicht zu kopieren, wie sie Zusammenarbeit und Management ausgestalten. Sie beobachten und lassen zu, was sich entwickelt. Sie reflektieren ihr Tun und handeln von innen heraus.
  • Sie sind sich zugleich bewusst, was passiert. Sie verstehen, wie Interaktion und Kooperation funktionieren. Sie geben dabei Impulse und reflektieren ihr Management Modell.
  • Sie geben ihren Mitarbeiter allen Freiraum, den diese füllen können.
  • Sie haben die Menschen in den Fokus gerückt.

Was in diesen Unternehmen passiert?

Vor allem sind sie „ganz nebenbei“ unglaublich erfolgreich. Manche so erfolgreich, dass sie, weil sie die Menschen voll im Blick haben und nur selten auf die KPI schielen, teilweise Monopolstellungen in ihren Märkten haben – einfach, weil sie ihren Wettbewerb um Längen abgehängt haben.
 
Trotz der gelebten Einzigartigkeit, gibt es paar gemeinsame Strukturelemente:

  • Sie sind alle wertschätzend wertschöpfend. Sie leben Wertschätzung und generieren überdurchschnittliche Wertschöpfung.
  • Das Management agiert mit Blick auf das Big Picture und hat dazu den Menschen Raum gegeben, eigene kleine „Puzzleteile“, eigenen kleine Einheiten zu erschaffen und auszugestalten. Diese Teile bilden, ergänzen und erweitern immer wieder das Gesamtbild.
  • Vernetzung der Menschen und ihrer Einheiten ist ein zentrales immer wieder gefördertes Thema.

 
So einfach so gut, wenn es nicht so schwer auszuhalten wäre, dass sich trotz der Riesenerfolge, die diese Art des Gesamtverständnisses von „guter Zusammenarbeit“ nachweislich bietet, noch so wenige Manager sich darauf einlassen, ihren Erfolg im Unternehmen und auch ihren persönlichen auf diese Art zu verbessern. Für sie, für die, die immer noch abwarten, die auf “das gute Alte” hoffen, auf die Vergangenheit bauen, für sie und ihre Unternehmen gilt laut Steve: “Change or die!”
 
Alles, was Steve Denning aus Wien berichtet, alle Maßnahmen der Unternehmen, die er beschreibt, sind seit Jahren mein Credo, mein fester Glaube und Teil meiner Arbeit.
 
Darum haben wir in meinem Netzwerk den Management Model Canvas entwickelt, darum beiden wir Status Quo Reflektoren (als Agile Scan™, Agile Capabilities Compass™ aber auch im Sparring und der Begleitung) für das Management an, darum arbeiten wir mit und in den Unternehmen, deshalb reden wir uns den Mund fusselig(und manchmal um Kopf und Kragen und schreiben uns die Finger (fast) blutig.
 
Wie schön ist es, dann doch zu sehen, dass die Botschaft, zumindest in Wien, endlich ankommt.
 
Danke Steve, für den Impuls durch Deinen Artikel. Und Danke lieber Leser für die Gelegenheit ein paar Gedanken und Impulse zu geben. Das musste jetzt spontan einfach mal raus.

Resterampe und Innovationswühltisch?! Wie Ihrem Unternehmen beides gelingt!

Resterampe und Innovationswühltisch?! Wie Ihrem Unternehmen beides gelingt!

Kennen Sie auch Menschen, die „außen“ 80 sind und „innen“ 20? Bei manchen ist es auch umgekehrt. Wem trauen Sie dann mehr zu? Denjenigen, die sich ihr Leben lang neu erfunden haben oder denjenigen, dem es gelingt aus dem, was er hat, was er früh erkannt und gesichert hat möglichst lang möglichst viel zu machen?
 
Nur wenige Unternehmen werden heute überhaupt noch 80 Jahre alt. Mit dem sich beschleunigenden Wandel von Technologien stehen „alte“ Unternehmen immer mehr unter Druck. Sie müssen sich wandeln, weiter entwickeln oder sie sterben. Oft sterben sie dann schnell, selten gibt es den long tail des langen Siechtums.
Oft sterben diese Unternehmen, obwohl Sie sich bemühen das Neue zu ermöglichen. Dennoch scheint es nicht Fuss fassen zu wollen oder nicht ausreichend im Einklang mit dem alten zu funktionieren.
In Unternehmen die das Neue und das Alte nebeneinander versuchen wird schnell der Ruf nach Ambidextrie laut, nach Beidhändigkeit in der Gestaltung von Innovation und der Optimierung des Bestandes. Aber, Hand aufs Herz, wem gelingt das? Ambidextrie scheint oft mehr ein frommer Wunsch zu sein, als umsetzbare Realität. Es erfordert viel, beides gleichermaßen zu können, beides zuzulassen und mit beidem auch die jeweils erfolgreich zu sein, vor allem, weil diese Erfolge zwischen „fail fast“ und „100% Qualität“ so unterschiedlich sind.
 
Aus meiner Sicht besteht ein Hauptproblem darin, dass das „mindset“ Neugestalters und Ausprobierers sich so fundamental von dem des Optimierers und Bewahrers unterscheidet, wie Tag und Nacht. Die beiden Bereiche brauchen vollständig differente Haltungen und Herangehensweisen – nicht nur in dem Köpfen des Managements, sondern auf allen Ebenen.
 

Der Lebenszyklus eines Unternehmens

Auf dem diesjährigen Nordic Business Forum in Helsinki hat Aswath Damodaran den Lebenszyklus von Unternehmen in Bezug zu den Fähigkeiten des jeweils „phasenweise“ idealen CEO gesetzt. Den Lebenszyklus von Unternehmen teilt er in 6 Abschnitte: Start-Up, Growth, High Growth, Stable, Mature, Decline. In jeder Phase ist ein anderer Menschentyp, eine andere Persönlichkeit mit anderen Stärken als Vorstand / Geschäftsführer gefragt:
Das Leben eines Unternehmens beginnt mit einem risikofreudigen Visionär, der zunächst selbst Ideen ausprobiert und der mit Prototypen in der Hand eine Gefolgschaft von Mitarbeitern und Investoren um sich scharrt, die die nächsten Schritte ermöglichen.
In der nächsten Phase muss sich der Visionär als Geschichtenerzähler und Umsetzer beweisen, denn es gilt die Produktidee so spannend und interessant zu kommunizieren, dass das erste reale Produkt, trotz seines Prototypencharakters, im Markt tatsächlich Käufer findet. Der „Prove of Concept“ ist Thema. Es ist Effektivität, die zählt, nicht Effizienz.
Dann, wenn das Produkt langfristig im Markt ankommt und angenommen wird, wenn Wachstum entsteht, sind plötzlich ganz anderer Fähigkeiten relevant. Dann geht es darum das Gewonnene zu verteidigen, keine zu unbedachten Schritte mehr zu machen, Fehler zu vermeiden. Es geht darum maximal Effizient zu werden, Kosten zu senken, die Herstellung zu optimieren, die Vermarktung in Richtung eines langfristigen Markenaufbaus zu verändern. Hier zählen Ruhe und Besonnenheit. Quirligkeit und Querdenken sind hier nicht gefragt.
 
Aswath Damodaran corporate life cycle

Sketchnote des Vortrags von Aswath Damodaran / © Nordic Business Forum 2018

 
Wenn die Geschichtenerzähler an dieser Stelle ankommen, ist es wichtig sich einiger Dinge bewusst zu werden. Denn spätestens hier tut sich eine Kluft auf. Spätestens hier sollte überdacht werden, wie es weitergehen soll.
Doch gilt dies nicht nur für die Ebene der Geschäftsführung. Alle Mitarbeiter sollten hier eingebunden werden, denn hier, an dieser Stelle, beginnt ein umfassender Wandel des Unternehmens.
Einer der weniger, im Wandel beständigen Punkte, ist der Wunsch die Kunden mit einer optimalen „user experience“ zu (be)halten. Dafür braucht das Unternehmen weiterhin schnelle Entscheidungen und kurze Antwortzeiten – (sie hören schon den Ruf nach Agilität 😉 ). In vielen anderen Bereichen des Unternehmens, denjenigen, die sich um die Basis des erreichten Erfolgs kümmern sollen und müssen braucht man „dagegen nur“ perfekte Zusammenarbeit – aber keine große, umwerfende, risikoreiche Innovation, keine signifikante Veränderung, keine Agilität um jeden Preis, jedenfalls solange nicht, wie sie nicht auf höhere Effizienz einzahlt.
 
Doch auch diese späten Phasen von Unternehmen, die Phasen der optimierten Produktion, werden immer kürzer. Immer schneller schließt sich an die Gewinnabschöpfung der Niedergang an.

CEOs die über (ihren) Schatten springen

Die Schwierigkeit: Wer ein Unternehmen, dass an seinem Zenit angekommen ist, führen darf, wer sich darauf versteht und danach ausgesucht wurde, die Gewinne auch dann noch zu optimieren, wenn das Wachstum nachlässt, wer im Schlaf erkennt, wo KPIs auf der letzten Nachkommastelle noch verbessert werden können, wer so fokussiert und stringent in seinem Tun ist, der ist eben auch selten risikofreudig und verrückt genug Neues zu beginnen, Irrtümer zu begehen und sich und die Organisation auszuprobieren. To fail fast is no option!
Geschäftsführungen die so besonnen und konzentriert agieren, sind zwar zwingend notwendig, um die Lebensdauer eines Unternehmens durch kleine Eingriffe zu verlängern, den Tod besiegen, können allerdings ach Sie nur sehr, sehr selten.
Natürlich haben auch diese Top-Manager verstanden, dass Innovation notwendig ist. Natürlich versuchen sie ihre Organisation daraufhin zu trimmen, doch echte Risikofreude, die notwendige Verrückt- und Offenheit sich immer wieder in neue Abenteuer mit ungewissem Ausgang zu stürzen, zu 90% zu scheitern und dennoch weiterzumachen, die ist hier, so wie ich es erlebe, eher geringer ausgeprägt.
 
Aber selbst wenn Geschäftsführungen erkannt haben, dass es notwendig ist über den eigenen Schatten zu springen….. wie bereit ist dann die Restorganisation es ihnen gleich zu tun? Diese Restorganisation, die in Bezug auf ihre Personaldecke, auf Budgets, Fokus, Prozesse und Strukturen aus allen Poren ihres Seins die Essenz von Effizienz ausströmen lässt, aber wo kein Platz für echte, ergebnisoffene Experimente und Querdenken war.…?!
 

Ambidextrie ist wichtig – aber unendlich schwer

Eine Frage: Wie reagieren Sie als Mitarbeiter, der Sie über Jahre hinweg gelernt haben, jeden Cent dreimal herumzudrehen, wenn Sie hören, dass es ein Innovationslab gibt oder wenn Sie plötzlich mehr Ideen einbringen und selbst experimentieren sollen? 
Ganz offen: Ich wäre EXTREM misstrauisch? SChließlich weiss niemand, wie lange der Trend anhält. Am Ende werden noch alle, die zwischenzeitlich das Geld mit vollen Händen herausgehauen haben gefeuert, um so die nächste Sparrunde einzuläuten. Vielleicht ist alles ja nur ein Trick?
 
Kurz, selbst wenn das Management den notwendigen mindshift vollziehen kann, sind die Mitarbeiter – und hier gerade diejenigen, die zu den sicheren, etablierten, stabilen Unternehmen gefunden haben und sich dort wohlfühlen – nur zum Teil diejenigen, die beides können: bedacht den Erfolg bearbeiten und inspiriert Neues aus dem Boden zaubern.
 

Die Kraft der zwei Herzen

Es dauert, bis „die Organisation“, d.h die Menschen, in Tiefe verstanden haben, dass sie anders agieren dürfen. Es dauert, bis sich Offenheit und Vertrauen zeigt, bis Ideen aufkommen. Falls das Unternehmen überhaupt noch so lange existiert. Manchmal kommen, trotz des Wunsches nach Innovation, bereits auf dem Weg dahin die nächsten, von den Shareholdern und Investoren verordneten Sparrunden, die alle Hoffnung zunichtemachen.
 
Es lohnt daher sich früh zu kümmern, in den Dialog über die Zukunft einzusteigen und zu ergründen, wer wie und wo seinen Fähigkeiten am besten einbringen kann. Es lohnt ganz bewusst zwei mindsets nebeneinander bestehen zu lassen. Es lohnt frühzeitig mit zwei Herzen zu agieren, überall in der Organisation, in der Geschäftsführung genauso wie am Band und auf den Shopfloor.
Vermarkten Sie ganz bewusst die guten alten, erfolgreichen Produkte bis hin zur Resterampe, aber stellen Sie sicher, dass sie genug Angebote auf dem Innovationswühltisch haben, damit ein paar der vielen Ideen es schaffen können richtig groß zu werden.
 
Es lohnt es sich die Themen und das Vorgehen so offen und transparent zu machen, dass das Verständnis für den Wandel da ist, bevor die nächste Lebensphase eintritt. Es hilft, wenn das gegenseitige Verständnis für die Bedeutung des „anders handelns“ klar ist, wenn verstanden ist, wie wichtig BEIDE Teile sind. Die einen, um das Unternehmen mit Ihren Ideen und Impulsen in den nächsten Lebenszyklus zu bringen, die anderen, um diesen Entdeckern eine sichere und ihnen zugleich Raum gebende Ausgangsbasis zu schaffen, solang es geht.
Schaffen Sie Dialoge, schaffen Sie Diskussion und schaffen Sie so Zusammenhalt!
 

Neue Trends holen alle ein

Der Druck, auch auf Ihr Unternehmen, wächst. Trends und Technologien verändern auch Ihren Markt – unabhängig davon was Sie tun. Auch wir Berater sind betroffen. Aus on-site wir online, als Beratung Coaching, aus Anleitung Hilfe zur Selbsthilfe. Wenngleich noch wenige (meiner) Kunden meine Online Angebote, sei es für Analysen oder web-conferencing für kleine Dialogrunden, nutzen, der Trend ist sichtbar.
Mit neuen Technologien entstehen immer neue Fokuspunkte und Geräte, auf denen die „neue“ „user experience“ stattfindet und auf die sich Unternehmen einstellen müssen. Hätten Sie vor 10 Jahren gedacht, dass Smartphones als ein solcher Fokuspunkt folgende Märkte fast vollständig umgekrempelt: Analoge und digitale Fotographie, CD-Produktion, -Verkauf und MP3-Player (und damit im Grunde die gesamte Musikdistribution), Fahrzeugnavigation und SMS/Messenger. Die großen Brüder der Smartphones, die Tablets haben zwischenzeitlich den PC- und Laptop-Markt aufgemischt, ebenso, wie sie gerade den Büchermarkt verändern. 
Das Internet – egal über welchen Zugang – hat, um nur einige Beispiele zu nennen, zur Schließung von Bankfilialen und Versicherungsbüros, bis hin zu ganzen Einkaufszentren gesorgt. Als Nächstes steht der Lebensmitteleinzelhandel auf der Liste. 
Der 3D-Druck öffnet Raum für eine neue Ersatzteilversorgung und damit neue Lebenszyklen für alte Geräte, er erlaubt kostengünstige innovative Einzeldesigns von Häusern bis hin zur Medizintechnik. 
Das neue Mobilitätskonzepte die Logistik genauso verändern, wie die Bewirtschaftung von Parkraum, Werkstätten und Tankstellen ist vielen klar. „Künstliche Intelligenz“ schickt sich an Informationsbeschaffung und damit alle Bereiche von Wissensarbeit zu beeinflussen – auf allen Ebenen, bis hin zu rein rationalen Entscheidungen im Management Board.
 
Wo und wie die nächsten Fokuspunkte entstehen, lässt sich absehen. Die Zukunft bestimmen diejenigen, die kundenfreundliche Zugänge und Anwendungen rund um ihre Produkte schaffen, die Komfort erhöhen, Mobilität vereinfachen oder einfach nur „Service“ ein wenig interessanter und begeisternder gestalten als der Wettbewerb.
Wer einen Schritt weiter denkt, stellt dabei fest, dass zum Thema „user friendly“ auch gehört diese im „Innenverhältnis“ aufzubauen – auch innerhalb der Organisation ist eine einfache Bedienbarkeit von Prozessen, ein begeisternder Umgang miteinander und eine Organisationsstruktur die Ermöglicht statt zu verhindern, für beide Strukturbereiche, die Kreativen und die Bewahrenden, zunehmend wichtig.
 
Für Unternehmen im reinen Effizenzmodus werden solchen Trends Giftspritze. Das Serum, die Erneuerung von innen heraus, ist für sie mehr als eine Herausforderung.
 
Das zu verhindern, es nicht zuzulassen, sondern gemeinsam und frühzeitig „das zweite Gleis“ zu eröffnen, ist eine Aufgabe für die gesamte Organisation, für buchstäblich jeden.
Wenn Sie allerdings glauben, dass Sie von all dem verschont bleiben, sprechen Sie mich an und wir überlegen gemeinsam, wie die Herausforderungen für Sie konkret aussieht und wann sie Sie trifft.
 
Was können Sie tun, um langfristige Sicherheit für sich und das Unternehmen aufzubauen?
Als Mitarbeiter

  • Machen Sie bewusst, in welcher Phase des Lebenszyklus sich Ihr Unternehmen befindet.
  • Finden Sie heraus, in welcher Phase Sie sich ganz persönlich am wohlsten fühlen.
  • Suchen Sie nach den Unternehmensteilen, die sich in dieser Phase befinden und wechseln Sie, wenn dieser Unternehmensteil oder das Produkt sich in die nächste Phase begibt.
  • Fragen Sie Ihr Führungsteam, in welcher Phase sie das Unternehmen sehen. Machen Sie klar, dass Klarheit in diesem Punkt für alle absolut notwendig ist, um gemeinsam zielgerichtet zu agieren.
  • Halten Sie die Augen dafür offen, was Sie an neuen Erfahrungen mitnehmen können, mit wem Sie sich vernetzen, wo Sie sich gegenseitig unterstützen können.

Als Geschäftsführung

  • Erkennen Sie sich selbst, erkennen Sie, wo Sie und wo Ihr Unternehmen steht.
  • Finden Sie Ihren Gegenpart – die optimale Ergänzung zu sich selbst. Also je nachdem den Innovativen oder den Gewinnoptimierer. Finden Sie sich gegenseitig und finden Sie sich früh, bevor die Notwendigkeit da ist.
  • Gestalten Sie die Rahmenbedingungen für Ihre Organisation so, dass die Übergänge gelingen. Schaffen Sie Offenheit und Dialoge die den Themenbereich adressieren. Reden Sie miteinander über die nächsten drei bis fünf Jahre. Vernetzen Sie! Lernen Sie voneinander, ohne Beschränkungen und mentale (Hierarchie)Grenzen.
  • Lassen Sie zu, dass alles ganz anders läuft, als Sie es gerne hätten. Geben Sie Ihrem Gegenpart und damit dem Unternehmen eine (neue) Chance.
  • Brechen Sie das Schweigen auf, das Ihre Macht, Ihr Einfluss und Ihre Meinung im Unternehmen erzeugt. (Dazu hatte ich in der letzten Woche etwas geschrieben.)
  • Schaffen Sie vorausschauend Führungs- und Organisationsstrukturen, die mit den Veränderungen bewusst umgehen. Zu oft „fließen“ Unternehmen zu lange vor sich hin, um dann – manchmal deutlich zu spät – hektisch zu erwachen.
  • Kurz schaffen Sie Multidextrie (Vielhändigkeit) durch (neue) helfende Hände und Köpfe. Schaffen Sie multidimensionales Denken und Handeln. Schaffen Sie ein neues Unternehmen, bevor das alte einen Grabstein braucht.

In der Logik der 80-Jährigen 20-Jährigen und 20-Jährigen 80-Jährigen brauchen Sie beide. Und nicht nur das, Sie sollten auch die Kommunikation zwischen beiden so gestalten, dass beide den jeweils anderen verstehen und dessen Aktivitäten einschätzen kann. Sie brauchen den Dialog und die Führung, die diesen Dialog gestaltet und moderiert. Sie brauchen ein zeitgemäßes Management und ebensolche Führung.
Viel Glück dabei!

Resterampe und Innovationswühltisch?! Wie Ihrem Unternehmen beides gelingt!

Rollenzuwachs im C-Suite statt Schiffbruch

Ein Thema treibt einige der einflußreicheren Management- und Organisations-Vor-, Nach- und Querdenker unserer Zeit immer wieder an. Es ist die Frage, wie eine Evolution von Unternehmen aussehen und wie sie aktiv und zielführend gestaltet werden kann. Es ist die Frage, welchen Weg Unternehmen gehen können, um sich zu erneuern, den Fokus zu verändern und die immer wieder neuen Chancen zu nutzen bevor sie (immer eher) zu alt werden, die Produkte nicht mehr interessieren und die Kunden fernbleiben.
 
Marc Wagner hatte im Januar seinen Ansatz für eine company rebuildung vorgestellt, dem ich ein paar Ideen für ein company renewal gegenübergestellt habe. Nun hat Hermann Arnold seine Flotte auf die Reise geschickt, um seine Erfahrungen und Erkenntnisse öffentlich(er) zu machen. 
 

Flöße als MVP

Hermann Arnold hat das bekannte Bild der Tanker, die mit Schnellbooten versuchen neue Gebiete/Märkte zu erobern, kritisch hinterfragt und ihm das Bild der Evolution von Schiffen entgegengesetzt, die, sich aus Ideen, die als Floß auf einem Wildbach beginnen, bis hin zum Kreuzfahrtschiff mit vielen Kunden auf die Reise immer weiter entwickeln. 
 
In dieser Metapher sind die Mitarbeiter auf allen Ebenen im wesentlichen frei in der Entscheidung auf welchem Schiff sie fahren. Insbesondere sind sie frei in der Entscheidung selbst mit einem Floß auf einem Gebirgsbach zu starten, um damit neue Produkte und Services auf den Weg zu bringen, sich vom Fahrwasser treiben zu lassen, die Resonanz der Kunden zu testen, sie einzuladen mitzufahren und so weiter. Die Kapitäne haben zugleich mit sehr unterschiedlichen Kompetenzanforderungen zu tun. Gilt es auf dem Floß zu improvisieren und mit Minimum Vaible Products (MVP) zu punkten, sind auf dem Hotelschiff und später dem Kreuzfahrer, hohe Qualität und Struktur gefragt.
 

Die Lifecycle CEOs

Ich habe in der letzten Woche auf dem Nordic Business Forum in Helsinki ein Bild gesehen, dass diesen Punkt aus dem Blickwinkel des Corporate Lifecycle betont. Aswath Damodaran hat dort den Lebenszyklus von Unternehmen in 6 Abschnitte geteilt: Start-Up, Growth, High Growth, Stable, Mature, Decline. Seine Botschaft ist, dass jeder dieser Abschnitte besondere Fähigkeiten von den CEOs einfordert. Zusammengefasst brauchen die Unternehmen in den ersten drei Phasen CEOs die sich aufs Storytelling und die Kreation erster handfester Produkte verstehen, in der 4. und 5. Phase sind dann Effizienzoptimierer gefragt und im letzten Abschnitt geht es nur noch darum das Unternehmen abzuwickeln.
Aswath Damodaran corporate life cycle

Sketchnote des Votrags von Aswath Damodaran / © Nordic Business Forum 2018

Flöße als Zeichen gelebter Multidextrie

Ich glaube, diese Sichtweise reicht nicht. Nicht nur der CEO ist in jeder Phase anders gefordert. Die Mitarbeiter sind es ebenso und mit der Entwicklung des Unternehmens verändern sich Struktur, Prozesse und zugleich Werte und Kultur. Das Unternehmen mag in seinem Kern gleich bleiben, indem es als Basis der Ausgestaltung einer Idee fungiert (es bleibt, wie Hermann in seinem Beitrag betont das gleiche „Boot“), aber wie es das macht ist in jeder Phase anders ausgestaltet.    
 
So schön und eingängig das Bild der sich wandelnden Schiffe ist, so wichtig ist es, es in Bezug zum Lebenszyklus zu setzen. Mir stellt sich die Frage: Was kann ein Unternehmen tun, um kontinuierlich Flöße ins Wildwasser zu bringen und so Lebenszyklus an Lebenszyklus reihen zu können? Wann und wo sollte man ansetzen? Welcher Mix an  Betriebssystemen, Managementmodellen und Haltungen ergibt sich daraus? Wie kann man die Kreativität im Unternehmen immer wieder an die „richtigen“ Stellen bringen, immer neu begeistern? Wie kann man gleichzeitig die Kollegen, die sich um das stabile Altgeschäft kümmern, die die Basis für die Chance bilden, immer wieder neue Flöße auf den Weg zu bringen, bestmöglich in ihrem Tun unterstützen?
 
Und die für mich drängendste Frage ist, gerade weil sie noch immer ausschlaggebend für langfristigen Erfolg ist: Wie schaffen CEOs und Geschäftsführungsteams diese Multidextrie, diese Vielhändigkeit und damit die notwendige Vielfalt in Haltungen und Verhalten, zu meistern?
 

Flottenbau auf dem Weg zum langlebigen Unternehmen

Die Herausforderung für die CEOs und Managementteams in den späten, stabilen Phasen eines Unternehmens ist, ein Umfeld zu schaffen, dass (oftmals) ihrer eigenen Auffassung, ihrer Risikobereitschaft und ihrem Managementstil widerspricht. 
 
Ein Seitenblick auf die Eigenschaften langfristig erfolgreicher kann helfen den Weg zu ebnen und den meist risikoaversen Unternehmenslenkern Hilfestellung bei der Entscheidung zu geben. Martin Reeves hat tiefer in dieses Thema hineingeschaut und seine Erkenntnisse in einem TED-Talk geteilt.
Langlebige Unternehmen, die sich den Veränderungen der Umwelt angepasst haben und sich auf dem Weg immer wieder ein wenig neu erfinden mussten, weisen starke Übereinstimmungen bei folgenden Eigenschaften auf: Sie haben redundanten Unternehmensteile, sind modular aufgebaut, besitzen eine hoher Diversität in ihrem Leistungsangebot, sind und waren bereit zu adaptieren, was ihnen hilfreich erscheint, haben immer wieder versucht in die Zukunft zu denken und vorausschauend zu agieren und sie sind stark vernetzt, intern wie extern. 
 
Darin stecken große Parallelen zum Weg des Floßes zum Kreuzfahrtschiff, wenn es gelingt eine Flotte zu bauen, die all diese Schiffs- und damit Haltungstypen bei den Mitarbeitern und Chefs umfasst und ermöglicht. 
 
Doch wie gelangt man, egal in welcher Art Unternehmen dahin, es zu wagen, zum ersten Mal ein Floß ins Wasser zu schieben? Was brauchen diejenigen, die über diese (Neu)Ausrichtung entscheiden und die damit, nach alter Lesart, ja für ein unglaubliches Chaos im Unternehmen sorgen (würden)? Was brauchen diejenigen, die nach neuer Lesart Vielfalt zuzulassen und damit Diversität, Redundanz und Modularität aufbauen (möchten)?
 

Prätraumatisch das Big Picture erkennen 

Nach meiner Erkenntnis sind Selbstbewusstheit (nicht -sein) gepaart mit einer Offenheit jenseits des eigenen Sicherheitsbedürfnisses und der tief verankerten Risikoaversion  hier die entscheidenden Punkte. Kurz eine sehr, sehr große Portion Mut, zusammen mit der Idee, dass die Vielfalt der (in Zukunft) zu Wasser gelassenen Flöße es erlaubt, auf den wenigen, die den Weg schaffen, immer wieder neu aufbauen zu können. Es braucht eine aus der Vor- und Weitsicht geboren Risikobereitschaft, um langfristig Stabilität uns Sicherheit aufzubauen. Ohne dieses bewusst eingegangene Risiko braucht das Unternehmen über kurz oder lang (und die Tendenz geht klar hin zu immer kürzer) den Abwracker und Liquidator. 
 
Ein erster wichtiger Schritt ist dabei sicherlich einen Schritt zurückzutreten, um hinauszublicken und neben der Seekarte mit den Untiefen, auch wieder die Landkarte mit den Wildbächen in den Blick zu nehmen. Mit der Betrachtung des Big Picture, mit dem Blick auf Trends, und Möglichkeiten, mit Bewusstheit zu Ressourcen und Fähigkeiten ergibt sich leichter ein Zugang zu neuem Mut – selbst wenn er prätraumatisch, lange vor dem Schock – versucht den Untergang abzuwenden. Doch nach dem ersten Schritt sollten weitere folgen. Und hier steckt für mich das eigentliche Problem.
 

Es ist Zeit

Es sind wieder die kleinen Schritte, die zu gehen sind, raus aus der Komfortzone. Und es ist vor allem Zeit, die dafür gefunden (und auf diesem Weg sinnvoll(er) investiert) werden sollte. Zeit die oft keiner hat, weil man im Tagesgeschäft hängt, mit all den Tätigkeiten und Versuchungen die ständig die volle Aufmerksamkeit (er)fordern. 
 
Andererseits ist keine Zeit, weil die Umwelt zu schnell tickt und die äußere Veränderungsdynamik keine Zeit mehr lässt. Keine Zeit zu reflektieren, zum tief durchdenken, nicht für die kleinen Themen und schon gar nicht für die Großen. Immer ist irgendwo etwas los, brennt irgendwo die Hütte und muss irgendwo dringend schnell etwas entschieden werden. 
 
Und, für viele CEOs und Managementteams es ist Zeit, die nicht bezahlt wird. Nur ganz wenige der CEOs und Geschäftsführer in stabilen, in ihrem Lebenszyklus weit entwickelten Unternehmen werden aktiv und bewusst dafür bezahlt, Risiken einzugehen. Es wird schlichtweg nicht gewollt und wird schon gar nicht incentiviert. Die Zielsetzung ist oft viel mehr der Ausbau und Erhalt des bestehenden, statt kontinuierlich Risiken, wenn auch nur in Form vieler kleiner Flößen, auf das Unternehmen zu laden. Diese lange sehr probate Überlebensstrategie lässt heute stattdessen die Probleme nur wachsen.  
 
Zeit ist die wichtigste (An)Forderung, um nach dem ersten kurzen schnellen Schritt die Nächsten folgen zu lassen.
 

Zukunft ist Chefsache

Die Gefahr ist groß die Zukunft zu delegieren. Zu verführerisch ist es, das Risiko bei denen abzuladen, die doch im Unternehmensalltag ganz natürlich für Forschung und Entwicklung, für neue Produkte und Innovation zuständig sind. Schließlich ist die Zukunft  ihr Kerngeschäft.
In den meisten Unternehmen sind die F&Es die R&Ds die inkrementellen Veränderer. Sie kümmern sich damit aber eben nicht um die große Zukunft, um die Flöße und die ersten Bootsplanken. Sie sind es, die den Außenpool auf dem Oberdeck entwerfen und die Schiffsschraube optimieren.
 
Wie wäre es, um mehr Kontinuität zu sichern, ganz oben, in der C-Suite, neue Rollen zu etablieren? Vielen Unternehmen würden „Chief Storytelling Supporter“, ein „Chief Growth Advisor“ und ein „Chief Efficiency Observer“ guttun, die immer wieder darauf achten, dass ihre Themen im Unternehmen ausreichend präsent sind und immer dieser Dialoge dazu anstoßen.   
 

Zukunft ist und bleibt Chefsache

Die Zukunft in Form von stetiger Neugestaltung, immer wieder angestoßener Erneuerung von Kultur, Werten, Strukturen und als Mit- und Rauswachsen von Mitarbeitern ist zu wichtig, um im kleinen zu versacken. Es ist Chefsache, die es sehr, sehr ernstzunehmen gilt. Denn im Lebenszyklus jedes Unternehmens kommt sonst der Punkt an dem der Abwickler schon da ist und so niemand mehr Raum und Zeit hat, neue Geschichten zu erzählt und niemand die Chance hatte die vorletzte Geschichte in ein lukratives Angebot zu verwandelt. Doch genau das, die kontinuierliche Neuentdeckung ihres eigenen Seins, brauchen Unternehmen, die den immer kürzeren Lebenszyklen substanziell etwas entgegensetzen möchten.